Nicht jeder Dreckbär ist ein Messie

12.10.2010, 16:49 Uhr
Nicht jeder Dreckbär ist ein Messie

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Wenn Wohnungen verwahrlost und vermüllt sind, steckt nicht immer das sogenannte Messie-Syndrom dahinter. Suchtkranke oder Menschen, die unter Depressionen leiden, würden auch oft ihre Wohnräume vernachlässigen und nicht mehr auf die eigene Körperhygiene achten, sagte Elisabeth Nüßlein vom Caritas-Verband der Erzdiözese Bamberg. „Beim Messie-Syndrom wird oft alles in einen Topf gesteckt, das ist aber eigentlich falsch“, ergänzte Nüßlein am Rande einer Fachtagung zum Thema Verwahrlosung am Dienstag in Nürnberg.

Das „klassische“ Messie-Syndrom befalle nicht selten Menschen, denen in der frühen Kindheit die Eltern-Kind-Bindung fehlte. „Die sozialen Beziehungen werden dann durch das Sammeln ersetzt“, erläuterte Nüßlein, die unter anderem die Fachbereiche Psychiatrie und Suchtberatung verantwortet. Durch den Sammelzwang sei die Wohnung dann so zugestopft, dass gar nicht mehr aufgeräumt und geputzt werden könne. „Dann kommt natürlich auch hier das Hygieneproblem dazu.“

Doch es gebe genügend Beispiele von Verwahrlosungen, die nicht auf das Messie-Syndrom zurückzuführen seien: „Man muss hier sehr genau differenzieren.“ Alte Menschen etwa schafften es oft nicht mehr, ihre Wohnung sauber zu halten oder sich selbst zu waschen, was wiederum zu psychischen Problemen bei den Betroffenen führe. Hier könne oft schon eine gelegentliche Betreuung von Ehrenamtlichen Abhilfe schaffen. Menschen, deren Wohnung verwahrlost ist, suchen nach Nüßleins Einschätzung immer noch zu selten Beratungsangebote auf: „Dass jemand von sich aus Hilfe sucht, das ist eher die Ausnahme.

Oft melden sich die Angehörigen, die nicht mehr weiter wissen.“ Gerade Menschen, die unter dem Messie-Syndrom leiden, würden ihren Sammelzwang verharmlosen – zugleich aber in Kauf nehmen, dass eine Partnerschaft in die Brüche geht, sie den Job oder die Wohnung verlieren. Dabei ist das Syndrom laut Nüßlein behandelbar – wenn die Therapie auch monate-, wenn nicht jahrelang dauere. Vollkommen falsch sei es, dem Messie eine Art Radikalkur per Zwangsräumung der vermüllten Wohnung zu verordnen. „Das bewirkt genau das Gegenteil: In einem neuen Wohnraum fängt das Problem sofort wieder von vorne an.“