Nürnberger Einzelhandel will Papiertüten einführen

5.12.2016, 06:00 Uhr
Noch trägt ein Großteil der Kunden Plastiktüten durch Nürnberg. Das könnte sich bald ändern: Nicht wenige Unternehmen denken über die Einführung von Papiertaschen nach.

© Roland Fengler Noch trägt ein Großteil der Kunden Plastiktüten durch Nürnberg. Das könnte sich bald ändern: Nicht wenige Unternehmen denken über die Einführung von Papiertaschen nach.

Die Zahlen sind gewaltig. Etwa 40 Millionen Plastiktüten verbrauchen wir pro Jahr. Allein in Nürnberg wohlgemerkt. 76 Tüten sind es statistisch pro Einwohner, sagt das Umweltbundesamt – vom Baby bis zum Greis. Und die meisten dieser Plastiktüten landen nach sehr kurzer Gebrauchsdauer in der Umwelt und zum großen Teil im Meer, konstatiert Nürnbergs Umweltreferent Peter Pluschke auf eine Anfrage der Grünen. Wertvolles Rohöl wird so zur unmittelbaren Bedrohung für die Natur. Ganz zu schweigen von den gewaltigen CO2-Emissionen, die während der Produktion der Plastiktüten und bei ihrem Transport zum Abgabeort entstehen. Auf 31 Millionen Tonnen weltweit schätzen Fachleute das Volumen pro Jahr. Das entspricht etwa dem, was rund 1,1 Millionen Kleinwagen, die jeweils 20.000 Jahreskilometer fahren, in die Luft blasen.

Plastiktüten-Obolus ist keineswegs Pflicht

Seit April greift nun eine EU-Richtlinie, die den Umschlag von Plastiktüten drastisch reduzieren will. Die EU orientiert sich hier am europäischen Pro-Kopf-Verbrauch von 198 Tüten im Jahr. Bis zum Jahr 2019 soll der Verbrauch auf 90 Stück sinken, bis 2025 auf 40 Tüten. Das bedeutet, dass in Deutschland bis 2019 gar nichts passieren müsste. Und das wiederum erklärt, weshalb die Handelsverbände mit dem Bundesumweltministerium eine freiwillige Selbstverpflichtung aushandeln konnten: Einzelhändler sollen auf freiwilliger Basis für jede Plastiktüte eine Obolus verlangen. Und das Erstaunliche ist: Es scheint zu wirken. Wobei die Unternehmen zum Teil recht unterschiedliche Wege gehen. Media-Markt und Saturn geben Plastiktüten nur noch gegen Bares ab – zwischen fünf und 50 Cent kostet jedes Exemplar je nach Größe.

Daneben werden robustere Taschen für einen oder 1,50 Euro angeboten und bei Schäden beliebig oft getauscht. Ähnlich geht Karstadt vor. Bis zu 30 Cent kostet hier die Plastiktüte, robustere Exemplare bekommen Kunden für 1,50 Euro. Und bei hochwertigen Einkäufen gibt es die stabile Kunststofftasche gratis. Kaufhof berechnet zehn beziehungsweise 25 Cent für das Plastiktrageglück. Im Vorweihnachtsgeschäft 2016 liegen zudem Papiertüten an den Kassen, die der Kunde – für hochwertigere Einkäufe – kostenlos erhält.

Trend geht offenbar zu Papier

Spätestens im Februar will Kaufhof ein neues Papiertüten-Konzept umsetzen, verrät der Nürnberger Geschäftsführer Walter Enders. Auch diese Tragetaschen werden Geld kosten. Dazu habe sich das Unternehmen verpflichtet. Bei Wöhrl ist die Papier-Zukunft bereits beschlossene Sache, berichtet Unternehmens-Sprecherin Nadja Gomille. Ende Dezember führt das Modehaus Papiertüten in drei verschiedenen Größen ein.

Ende Januar 2017 kommen drei etwas hochwertigere Papiermodelle mit Kordel hinzu. Voraussichtlich bis März 2017 ist der Bestand an Plastiktüten (zu je 20 Cent) dann aufgebraucht, und die Wöhrl-Häuser geben nur noch Papier ab. Einen ganz anderen Weg beschreitet der Nürnberger Spielwaren-Anbieter Pfiffikus. Vor allem hochwertiges Spielzeug geht dort über den Ladentisch. Bei 200 Euro Warenwert noch 20 Cent für eine Plastiktasche zu verlangen, "da habe ich Hemmungen", sagt Inhaberin Nicole Moser. Kleinere Artikel verpacken ihre Mitarbeiter ohnehin in Papiertütchen – die im Einkauf allerdings fast doppelt so teuer sind wie die Kunststoffvarianten.

Und: Die Pfiffikus-Kunden zeigen Eigenverantwortung, sagt Moser. Früher gab der in der Ludwigstraße gelegene Laden etwa 1000 Tüten im Monat ab, heute sind es weniger als die Hälfte, so die Inhaberin: "Das finde ich eine schöne Entwicklung." Papier, Plastik, Stoff: Wir versuchen, alles anzubieten, heißt es bei Käthe Wohlfahrt. Beim Kauf einer Weihnachtspyramide für 700, 800 Euro kann man dem Kunden keine Papiertüte zumuten, so Unternehmenssprecherin Felicitas Höptner.

Papiertaschen seien ungeeignet für sperrigere Gegenstände und durch winterliche Feuchtigkeit gefährdet. Bei deutschen Kunden sieht Höptner "einen Bewusstseinswandel: Auffallend viele haben Tüten dabei." Japaner aber wollen für jedes gekaufte Mitbringsel eine eigene (kostenlose) Plastiktüte, gleichsam als Geschenkverpackung. Und US-Amerikaner, die sich im eigenen Land gegen die Papier-Werbe-Flut stemmen, haben "gar kein Problem" mit Plastiktüten.

 

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