Nürnberger Initiativen stiften Denkmal für homosexuelle KZ-Opfer

11.10.2020, 05:52 Uhr
Nürnberger Initiativen stiften Denkmal für homosexuelle KZ-Opfer

© Hartmut Voigt

Mindestens 379 Männer waren im KZ Flossenbürg wegen ihrer Homosexualität untergebracht, 79 von ihnen sind dort gestorben. Harte Arbeit im Steinbruch, schlechte Ernährung, miserable Unterbringung - das mussten alle Häftlinge erleiden. "Aber die Homosexuellen waren nicht nur gewalttätigen Übergriffen durch die SS ausgesetzt, sondern wurden auch von anderen Insassen bedroht", sagt Fliederlich-Geschäftsführer Michael Glas.

An ihr Schicksal soll der einfache Denkstein erinnern, den Bildhauer Bastian Brauwer geschaffen hat. Die Abschrägung oben zu einem Dreieck ist eine Analogie zu den Häftlingswinkel, mit denen die Nationalsozialisten verschiedene Gruppen von Häftlingen eingeteilt hatten: politische Gefangene, Verbrecher, Homosexuelle und vieles mehr. Man sollte den Gefangenen gleich ansehen, weswegen sie ins KZ gekommen waren.


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Razzien in der NS-Zeit

Etliche Homosexuelle stammten aus Nürnberg, hier gab es zu Beginn der 1930er Jahre eine entsprechende Szene. Man traf sich in der "Kneipe zur Burg", im Verein Carlton oder im Zusammenschluss "Silhouette". Mit Razzien ging die Polizei ab 1933 gegen die Männer vor.

Bei einer großangelegten Aktion im Oktober 1934 wurden 22 Personen vorübergehend festgenommen. Neun von ihnen kamen als "mehrfach vorbestrafte Strichjungen und Jugendverderber" ins KZ Dachau.

Der Verein "Geschichte für alle" trug 370 Akten aus Archiven zusammen, die sich mit dem Strafrechtsparagrafen 175 in Nürnberg befassen. Aus diesem Projekt entstand der Rundgang "Homosexuelle unterm Hakenkreuz". Außerdem verlegte Künstler Gunther Demnig 14 "Stolpersteine" zum Andenken an verfolgte Homosexuelle im Stadtgebiet. Weiterhin ist eine Erinnerungstafel am Sterntor angebracht.


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Die Stele ergänzt nun das Andenken an die Betroffenen, die teilweise aus Nürnberg stammen. "Mit diesem Denkmal wollen wir unserer Fassungslosigkeit, Wut, Trauer, unserer Hoffnung sowie unseren Befürchtungen und Ängsten Ausdruck geben", merkt Fliederlich-Geschäftsführer Glas an.

„Es ist mir ein großes Anliegen, dass allen Opfergruppen ein würdiges Andenken bereitet wird“, unterstreicht Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und Landtagsvizepräsident, „bedauerlicherweise hat man es nach Kriegsende lange Zeit versäumt, für bestimmte Opfergruppen, wie homosexuelle KZ-Häftlinge, angemessene Erinnerungszeichen zu schaffen.“

Der CSU-Politiker lobt nachdrücklich das Engagement des Nürnberger Vereins „Fliederlich e.V., der seit 30 Jahren die Positionen von schwulen und lesbischen Menschen gegenüber der Öffentlichkeit vertritt.

Paragraf 175 wurde erst 1994 abgeschafft

Er macht darauf aufmerksam, dass der Strafrechtsparagraf 175 in der verschärften NS-Version noch lange Zeit in der Bundesrepublik Gültigkeit besaß. Erst 1969 verbesserte sich die juristische Bewertung. Doch es dauerte noch bis 1994, bis §175 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wurde. Die Opfer der Rechtsprechung mussten lange auf die Entkriminalisierung warten, so Fliederlich. Viele Betroffene aus der Nazizeit haben ihre Rehabilitierung aber nicht mehr erlebt.

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