Nürnberger Kreuzkirche droht der Abriss

27.4.2011, 08:14 Uhr
Nürnberger Kreuzkirche droht der Abriss

© Daut

Was genau geschah, als vor etwa einem halben Jahrhundert die evangelische Kreuzkirche in Nürnberg gebaut wurde, weiß heute niemand mehr. „Das war kriminelles Handeln“, sagt Dirk Wessel, Dekan für den Dekanatsbezirk Nürnberg-West. Bei der Konstruktion des Daches hielt man sich nicht an die genehmigten Pläne, sondern verwendete eine billigere Konstruktion und minderwertiges Material. Das Gotteshaus ist deshalb nun massiv einsturzgefährdet. Eine Renovierung kann sich die Kirche nicht leisten. Also droht der Abriss – ein bislang beispielloser Vorgang in der evangelischen Landeskirche in Bayern.

Nürnberger Kreuzkirche droht der Abriss

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Das Dach der Kreuzkirche gleicht dem der Eissporthalle Bad Reichenhall – und die stürzte 2006 ein, 15 Menschen kamen dabei ums Leben. „Das Dach der Kirche hätte niemals so gebaut werden dürfen“, sagt Dekan Wessel. Doch zur Verantwortung ziehen kann die Gemeinde niemanden mehr, alle damaligen Protagonisten sind bereits tot. Derzeit stützt ein Lastturm das Dach ab, Gottesdienste werden nach dem alarmierenden Resultat der Statikprüfung schon längst nicht mehr in der Kreuzkirche gefeiert; die Gläubigen versammeln sich im Gemeindesaal.

Dass nun wohl bald der Beschluss fällt, die Kirche ganz aufzugeben, falle niemandem leicht, betont der Nürnberger Stadtdekan Michael Bammessel. „Das ist die erste Kirche, die wir nach dem Zweiten Weltkrieg abreißen müssen. Das ist ein Sonderfall, kein Auftakt für ein Kirchenabrissprogramm.“ Damit wollen Bammessel und Wessel die Kritiker beruhigen, die die Kirchenmänner wegen der Abrisspläne attackieren. Ein Argument der Kritiker lautet, dass die Kirche ja auch für Kindergärten und Horte Geld hat – aber offensichtlich nicht für ihre Gottesdiensträume. Kindergartenfinanzierung erfolge aus einem ganz anderen Topf, sagt Bammessel: „Es ist unangebracht, wenn man das miteinander vergleicht.“

Keine Open-Air-Kirche

Bayernweit gehören der Kirche zahlreiche Immobilien. Wenn die Mitgliederzahlen sinken und immer weniger Menschen sich am Gemeindeleben beteiligen, wird der Unterhalt immer schwieriger. Das Dekanat Nürnberg etwa bräuchte nach den Worten Bammessels jährlich allein für den Unterhalt seiner 284 Gebäude 3,3 Millionen Euro. Nur ein Drittel davon kann von der Landeskirche kommen, den Rest muss der jeweilige Nutzer selbst aufbringen. Doch viele Gemeinden könnten das nicht stemmen, sagt Bammessel.

So sind auch bislang alle Rettungspläne für die Kreuzkirche am Geld gescheitert. Eine Open-Air-Kirche war so eine Idee – das marode Dach hätte man herunterreißen können, um dann von den Kirchenbänken aus direkt in die Wolken oder in den Sternenhimmel schauen zu können. Doch selbst diese Baumaßnahmen hätten gut eine Million Euro verschlungen.

Eine Komplettsanierung der Kreuzkirche würde mindestens zwei Millionen Euro kosten – denn nicht nur das Dach ist kaputt, auch der Glockenturm und viele Betonteile sind schadhaft. „Niemand kann zwei Millionen Euro investieren“, räumt Stadtdekan Bammessel ein. So wird der Beschluss über den Abriss wohl bald fallen. Auch wenn die Kreuzkirche abgerissen wird, steht die Gemeinde St. Leonhard im Stadtteil Schweinau nicht ohne Kirche da – denn es gehören noch zwei weitere Gotteshäuser dazu. Zudem sei die Gemeinde längst nicht mehr so groß wie früher einmal, sagt Wessel. Sie schrumpfte von 25 000 auf jetzt etwa 7300 Mitglieder. „Der Bedarf ist auch nicht mehr da.“

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