Versuchter Mord

Nürnberger Prozess gegen Hammerwerfer: Darum tickte er in der U-Bahn aus

Alexander Brock

Lokales

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21.6.2022, 10:45 Uhr
Gegen diese Scheibe der U-Bahn schleuderte der Angeklagte einen Hammer.

© privat, NN Gegen diese Scheibe der U-Bahn schleuderte der Angeklagte einen Hammer.

Es geht um einen ganz gewöhnlichen Hammer, so wie er in jedem Werkzeugkasten zu finden ist: Er hat einen am Ende rot lackierten Holzgriff, der Hammerkopf ist schwarz und hat ein Gewicht von 300 Gramm. Doch dieser Hammer liegt nicht im Werkzeugkasten. Auf dem Foto, das im Gerichtssaal gezeigt wird, befindet er sich auf dem PVC-Boden einer der neuen U-Bahnen im öffentlichen Nürnberger Verkehrsnetz. Nach dem wuchtigen Wurf am Nachmittag des 20. September 2021 hat niemand das Werkzeug bis zum beweissichernden Foto der Polizei bewegt. Günter T. (Name geändert) erkennt seinen Hammer. "Ja, das ist meiner", sagt der Angeklagte.

Drogen konsumiert

Über seinen Anwalt Michael Zahareas räumt der 47-jährige T. die Tat ein. Allerdings könne sich sein Mandant an nichts mehr erinnern. Denn zuvor hat der als Hausmeister tätig gewesene T. Drogen konsumiert: erhebliche Mengen Alkohol, Methamphetamin und Heroin, zählt die Staatsanwältin auf. Der Anwalt geht daher davon aus, dass sein Mandant nur in Teilen schuldfähig ist. T. hat keine Vorstrafen, im Bundeszentralregister findet sich bis dato kein Eintrag. Doch was er am 20. September 2021 gemacht hat, ordnet die Staatsanwältin in ihrer Anklage als achtfachen versuchten Mord ein.

Es war an einem Montag, als T. ziellos mit der U-Bahn im Nürnberger Streckennetz herumfuhr. Er stand unter Drogen, hatte Frust und war aggressiv. Zuvor war er zurückgewiesen worden - von seiner geschiedenen Ehefrau, seiner früheren Lebensgefährtin und seiner Schwester.

Hammer durchschlug das Glas

In diesem Zustand kam der Angeklagte gegen 18.26 Uhr an der U-Bahn-Haltestelle Rathenauplatz an und stieg aus. Auf dem Gleis gegenüber stand anfahrbereit ein Zug mit Fahrtrichtung Flughafen. T. zog plötzlich den Hammer aus seiner Jackentasche, zielte und schleuderte das Werkzeug aus einer Entfernung von 4,80 Meter mit voller Wucht gegen eine Scheibe der U-Bahn. Der Hammer durchschlug das Glas, flog quer durch den Waggon, beschädigte auch die gegenüberliegende Scheibe und blieb schließlich im Fahrgastraum auf dem PVC-Boden liegen.

Nur knapp hat das schwere Geschoss eine 27-Jährige verfehlt, die Staatsanwaltschaft spricht von fünf Zentimetern. Die junge Frau und zwei weitere Fahrgäste erlitten einen Schock. Außerdem wurde ein 16-Jähriger durch herumfliegende Glassplitter leicht verletzt. Die U-Bahn fuhr los, ein Mann im Waggon zog geistesgegenwärtig die Notbremse. Der Täter flüchtete unerkannt - vorerst.

Öffentlichkeitsfahndung führte zum Tatverdächtigen

Der Fall erinnert an einen ähnlichen Fall in Nürnberg. Am 11. August 2014 schleuderte ein Fußballfan des 1. FCN einen Feuerlöscher gegen eine U-Bahn. Die Fahrerin wurde durch Glassplitter verletzt. Die Staatsanwaltschaft wertete auch dies als Mordversuch, das Schwurgericht verurteilte den Täter damals zu sieben Jahren Haft.

Vor diesem Hintergrund fahndeten die Ermittler der Polizei unter Hochdruck. Niemand wusste zu diesem Zeitpunkt, ob der Täter vom 20. September 2021 mit so einer heimtückischen Attacke bald schon wieder zuschlagen könnte. Hilfreich war das gesicherte Material aus den Überwachungskameras der VAG, um eine Personenbeschreibung zu erstellen. Sie wurde in den Medien veröffentlicht. Einer der Hinweise, die bei der Polizei eingingen, führten schließlich zu dem 47-Jährigen. T. wurde am 22. September 2021 festgenommen, seit dem 23. September sitzt er in Untersuchungshaft.

Die Verhandlung wird fortgesetzt.

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