Paläste und Pornos: Die goldene Zeit der Nürnberger Kinos

20.8.2016, 06:00 Uhr
Paläste und Pornos: Die goldene Zeit der Nürnberger Kinos

© Foto: Archiv

Herbert Schmitts Leidenschaft für die bewegten Bilder beginnt früh, sehr früh. "Als Kind war ich mit meiner Mutter oft im Kino. Mich hat der Lichtstrahl, der von hinten kam, immer mehr interessiert als das, was auf der Leinwand ablief", erinnert sich Schmitt. 1952 lebt er in der Oberpfalz, umgesiedelt aus dem ausgebombten Nürnberg. Der damals 16-Jährige braucht eine Lehrstelle: "Bäcker, Metzger, Schlosser, Schmied, Friseur – das wäre alles gegangen. Aber das wollte ich nicht."

Schließlich zieht er mit einem Wanderkino los. "Lichtspiele Flossenbürg" heißt es, mit Basis im dortigen alten SS-Haus. "Die Filmerer" fahren von Ort zu Ort und machen Landgasthöfe zu Vorführungssälen. Sesshaft wird Schmitt etwas später, aber nicht so, wie man sich das heute vorstellt. In Schwarzenbach pennt der Teenager zwischen Mäusen hinter der Kinoleinwand und arbeitet als kostenloses Mädchen für alles.

Knapp an der Katastrophe vorbei

Sein Weg führt ihn dann nach München, wo er als 18-Jähriger mit Sondergenehmigung Filme zeigen darf. Eigentlich darf man den Beruf erst mit 21 ausüben. Bis in die 60er Jahre müssen Filmvorführer nämlich eine Prüfung ablegen, um ihre staatliche Zertifizierung zu bekommen.

Das liegt vor allem darin begründet, dass Filmrollen zu dieser Zeit höchst brennbar sind. Riesige Kinobrände waren etwa in den 20er Jahren keine Seltenheit. Auch Schmitt schrammt einmal knapp an der Katstrophe vorbei. Ein Lederriemen reißt, der Film fängt Feuer. Schmitt reißt geistesgegenwärtig die Rolle ab und verhindert damit Schlimmeres. Ab 1961 gibt es Filme, die nicht mehr brennen, bald darauf fällt auch die Prüfung für Filmvorführer weg.

Nach nur fünf Monaten in München kehrt Herbert Schmitt zurück in seine Geburtsstadt Nürnberg, er hat eine Anstellung am Burgtheater am Friedrich-Ebert-Platz. Der Abschied von München fällt ihm nicht schwer: "Der schönste Ort in München ist der Hauptbahnhof – weil dort der Zug nach Nürnberg wegfährt."

 Anfang der 60er Jahre ist für Schmitt die goldene Zeit des Kinos. Er zeigt Filme wie "Das war der wilde Westen", "Die Meuterei auf der Bounty", "Lawrence von Arabien" oder "Ben Hur", letzteren ganze 28 Wochen am Stück. Und er trifft Hollywood-Star Tony Curtis, der sich in den Vorführraum verirrt. Schmitt spricht kein Wort Englisch, Curtis kein Wort deutsch. "Hello, Boy!", grüßt der Schauspieler, dann verständigt man sich mit Händen und Füßen.

Das Fernsehen ist Schuld am Niedergang

Schmitt lernt alle großen Nürnberger Kinos kennen. Da gibt es die Lichtspiele in der Luitpoldstraße, das mondäne "LuLi" und das kleinere "City", es gibt den wuchtigen Phoebus-Palast am Königstorgraben oder den Delphi-Palast, später Erotik-Center, damals das Kino mit der größten Leinwand Nordbayerns.

Paläste und Pornos: Die goldene Zeit der Nürnberger Kinos

© Foto: Horst Linke

Dass kein einziges dieser Lichspielhäuser bis heute überlebt hat, liegt an einer anderen Entwicklung: dem Siegeszug des Fernsehens. "Die Leute gingen einfach nicht mehr ins Kino", sagt Schmitt. Es habe auf dem Land begonnen, dann auch die Städte erreicht, sinkende Zuschauerzahlen, marode Gebäude. 1970 fängt Schmitt bei Photo Porst an. Zwar springt er ab und an noch ein, wenn seine alten Kinokollegen Hilfe brauchen, aber mit der Geburt seiner Tochter 1974 sind seine Zeiten als staatlich geprüfter Filmvorführer vorbei. Schwer gefallen sei ihm das schon, denn: "Wer einmal an Zelluloid geschnuppert hat, kommt nie mehr davon los."

Aber Herbert Schmitt springt zur rechten Zeit ab. Erst in den 90er Jahren erholt sich das Kino wieder. Es ist jetzt ein anderes Kino, mit dem Schmitt nicht mehr viel anfangen kann: "Entweder Explosionen oder diese Filme mit Til Schweiger." Nicht seine Welt. Er hat dafür zwei alte Projektoren zu Hause. So kann er die goldenen Zeiten aufleben lassen, wann immer er möchte.

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