Pflegenotstand: Klinikum Nürnberg setzt auf Hilfe aus dem Ausland

20.10.2020, 16:55 Uhr
Jerome Arciaga (links) versorgt mit seinem Kollegen Algreg Cadao eine Patientin. Beide kommen von den Philippinen - und lindern die Personalnot auf den Stationen.

© Roland Fengler, NNZ Jerome Arciaga (links) versorgt mit seinem Kollegen Algreg Cadao eine Patientin. Beide kommen von den Philippinen - und lindern die Personalnot auf den Stationen.

Wenn nur die Sprache nicht so schwierig wäre! Nach einem Deutschkurs in der Heimat sah sich Jerome Arciaga eigentlich gut vorbereitet für den Start ins Berufsleben am Klinikum Nürnberg. Doch dann sprachen die Kollegen von "Schüsseln", als sie die Bettpfannen meinten und baten ihn, nach einem Patienten zu "gucken", was für ihn wie "Kuchen" klang. "Das war hier alles ganz anders als in meinem Buch." Mal ganz zu schweigen vom fränkischen Dialekt... Arciaga lacht, als er von seinem etwas holprigen Start im Januar erzählt.

Dank eines zusätzlichen Sprachkurses in Nürnberg, den das Klinikum für seine neuen Mitarbeiter organisiert, klappt es mittlerweile schon deutlich besser mit der Verständigung. Und von den Sprachschwierigkeiten mal abgesehen, fühlt sich der 27-jährige Pflegehelfer von den Philippinen sehr wohl in seinem neuen Arbeitsalltag auf der Privatstation für Allgemeine, Viszeral- und Thoraxchirurgie am Klinikum. Die Arbeit sei ihm ja von daheim vertraut. "Und wenn ich mal eine Wort nicht weiß, sind meine Kollegen sind sehr geduldig mit mir."

Ohne Mitarbeiter wie Arciaga wäre die Personalnot groß. Von einem "weltweiten Pflegenotstand" spricht Hanspeter Endres, stellvertretender pflegerischer Leiter von drei Kliniken. Die Fluktuation sei groß, etliche Stellen teilweise über Wochen unbesetzt. Bundesweit fehlen nach Angaben der Hans-Böckler-Stiftung rund 100 000 Vollzeitkräfte, am Klinikum Nürnberg sind es derzeit 50. "Wir sind deshalb darauf angewiesen, auch im Ausland Personal zu rekrutieren", betont Ender.

Hilfe beim Start

Mittlerweile kümmert sich eine spezielle Abteilung um die Anwerbung, Betreuung und Integration der ausländischen Kräfte. 25 Mitarbeiter von den Philippinen habe sie bereits gewinnen können, sagt Tanya Porter, Head auf International Department am Klinikum Nord. Weitere 67 Pflegekräfte kommen aus Serbien und Albanien, 50 Mitarbeiter aus Thailand sollen folgen.

Bei der Suche nach geeigneten Fachkräften arbeitet Porter mit darauf spezialisierten Agenturen zusammen. "Die Leute kommen in Gruppen her und werden beim Start unterstützt." Dass sich das Problem damit nur verschiebt, glaubt Porter nicht. Zumindest auf den Philippinen gebe es genug Pflegekräfte. Serbien dagegen lasse die Fachkräfte ungern gehen. "Aber für die Leute ist das eine Riesenchance."

Arciaga war einer von neun Neuen, mit zwei Landsleuten teilt er sich bis heute eine Wohnung in Fürth. Ein Stück Heimat in der Fremde, aber auch eine Hürde beim Spracherwerb, weil er in seiner Freizeit kaum deutsch sprechen muss. Als er wusste, dass er in Nürnberg arbeiten würde, habe er im Internet recherchiert und sich auf die vielen Feste gefreut, sagt der Pflegehelfer. Doch dann kam Corona.

"Nürnberg ist eine freundliche Stadt"

Viele Kontakte zu Deutschen habe er leider nicht knüpfen können, bedauert Arciaga, der auf seine Wahlheimat trotzdem nichts kommen lässt. "Nürnberg ist eine freundliche Stadt." Er habe hier bislang nichts Negatives erlebt.

Die Reaktionen der Patienten dagegen seien gemischt, sagt Stationsleiter Lars Gröf. "Sie reichen von großer Akzeptanz bis hin zur Bitte, jemanden zu schicken, der sich besser verständigen kann." Grundsätzliche Vorbehalte gebe es jedoch nicht. Dass die Mitarbeiter aus der ganzen Welt kommen, ist ohnehin längst Alltag auf den Stationen. Die 7000 Beschäftigten des Klinikums - 3000 davon in der Pflege - stammen aus 70 Nationen. Arciaga hat Kollegen aus Thailand, Rumänien, Russland und vielen weiteren Ländern. Manche sind hier geboren, andere leben bereits seit vielen Jahren hier.

Abschluss nicht anerkannt

So wie Algreg Cadao, der ebenfalls von den Philippinen stammt und den es schon vor 24 Jahren der Liebe wegen nach Nürnberg zog. Eigentlich sei er Bauingenieur, sagt der 48-Jährige. "Doch mein Abschluss wurde hier leider nicht anerkannt." Deshalb begann Cadao 2009 am Klinikum seine Ausbildung zum Krankenpfleger. Jetzt hilft er Neuankömmlingen wie Arciaga bei der Eingewöhnung, begleitet sie zu Banken oder Behörden oder zeigt ihnen Nürnbergs Sehenswürdigkeiten.

Es gebe ein spezielles Einarbeitungskonzept, betonen Porter und Ender. Neben dem Sprachkurs gehören Mentoren und Paten dazu, die dort helfen, wo es nötig ist - zum Beispiel bei der Wohnungssuche oder beim Familiennachzug. "Wir wollen den Leuten das Gefühl geben, dass sich jemand kümmert."

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