Passagiere beschreiben dramatische Szenen

Plötzlicher Druckabfall in Mallorca-Jet aus Nürnberg: Flugschreiber sichergestellt

Tobi Lang

Redakteur

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17.6.2022, 13:29 Uhr
Die Passagiere mussten wegen des Druckabfalls im Flugzeug Masken aufsetzen, um besser atmen zu können.

© Benjamin Pfuhler Die Passagiere mussten wegen des Druckabfalls im Flugzeug Masken aufsetzen, um besser atmen zu können.

Der Schreck ist Emilia Bauer noch immer anzuhören. Ihren echten Namen will sie in der Zeitung nicht lesen - über das, was sie auf einem Flug von Nürnberg nach Mallorca erlebte, sprechen aber schon. Irgendwo über der Schweiz, zwischen Lausanne und Genf, geriet ihr Ferienflieger am Sonntagmorgen in sogenannte Luftnotlage. Druckabfall in der Kabine, ein echtes Horrorszenario. "Plötzlich kam die Durchsage 'Emergency Alert'", sagt Bauer. "Dann sah ich auch schon Stewardessen durch die Reihen rennen und wusste: Das muss etwas ernstes sein."

Plötzlicher Druckabfall in Mallorca-Jet aus Nürnberg: Flugschreiber sichergestellt

© flightradar24.com

Wie andere Passagiere berichtet Bauer von einer bedrückenden Stille in der Maschine der Airline Corendon. "Das war so, weil niemand begreifen konnte, was gerade passiert", glaubt Bauer, die aber auch von schreienden Kindern nur wenige Reihen vor ihr erzählt. In Sichtweite sei ein Mensch ohnmächtig geworden, andere bluteten aus den Ohren - wohl, weil ihre Trommelfelle wegen des Druckunterschieds rissen. "Es war wirklich verstörend." Am Fenster sah die Urlauberin, wie der Flieger immer tiefer ging. Bis zur Notlandung in der Schweiz. "Der Pilot meinte nur, dass das auch sein erstes Mal in so einer Situation war."

Passagiere: Lauter Knall, als Türen geöffnet wurden

Die Ursache für den plötzlichen Druckabfall ist noch völlig unklar. Man habe den Jet eingehend untersucht, sagt Corendon-Sprecher Thomas Braun. Gefunden wurde nichts - deshalb fliegt die Boeing wieder regulär. Auffällig sei die Maschine zuvor nicht gewesen. Braun erklärt: "Wäre das der Fall, wäre sie bei uns nicht im Einsatz."

Jetzt sind die Behörden am Zug - konkret die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle SUST. "Wir haben in Zusammenarbeit mit der französischen Sicherheitsuntersuchungsstelle die Flugschreiber (...) sichergestellt und sind gegenwärtig daran, diese auszuwerten", erklärt ein Sprecher. "Parallel dazu klären wir die Ursache für den Druckabfall ab."

Ergebnisse gebe es zwar noch nicht, schon in den kommenden Tagen dürfte sich aber etwas tun, denn: Die SUST prüft, ob die Kriterien für einen schweren Vorfall erfüllt sind. Der liegt vor, wenn etwa ein "großes Präventionspotential" besteht, erklärt der Sprecher. Dann wird die Flugaufsichtsbehörde eine offizielle Untersuchung einleiten.

Womöglich liegt der Fokus der Luftfahrtexperten auch auf den Türen des Jets. Die Passagierin Emilia Bauer berichtet von einem lauten Knall, als diese geöffnet wurden. "In dem Moment, wo sie aufging, hat man den Unterdruck gespürt", sagt sie. "Da ist ein Nebel reingekommen, alle hatten richtig Ohrenschmerzen."

Passagierin beschreibt Angst: "Stewardessen haben uns angeschrien"

Ernsthaft verletzt wurde wohl aber niemand. 37 Menschen, teilt der Baseler Flughafen mit, seien von medizinischen Teams in der Schweiz versorgt worden. "Einige dieser Passagiere wurden ins Krankenhaus gebracht", heißt es von dem Airport, der aber aus "Persönlichkeitsschutzgründen" nicht konkreter werden will.

Einige Passagieren loben die Crew, sie haben "tolle Arbeit geleitet", sagt etwa Benjamin Pfuhler, der in den vorderen Reihen des Jets saß. "Es lief alles ruhig ab."

Emilia Bauer, die ihren Platz im hinteren Teil der Boeing hatte, widerspricht. "Stewardessen haben uns angeschrien: 'Put your mask on'", sagt sie. "Ich habe sie verzweifelt hingepresst, aber sie haben nicht gut gehalten." Einige Passagiere berichten davon, dass die Masken defekt gewesen seien. Das weist Corendon zurück. Sie werden regelmäßig und vorschriftsmäßig gewartet, heißt es.

"Kinder haben auf dem Boden geschlafen"

Viele Stunden saßen Bauer und die rund 190 anderen Passagiere am Flughafen Basel fest. "Eigentlich durften wir den Raum bis 15 Uhr nicht verlassen", sagt die Corendon-Passagierin. Ein zehrender Kraftakt für die Urlauber, die bereits am frühen Morgen abflogen. "Kinder haben auf dem Boden geschlafen." Von der Airline fühlte sich Bauer schlecht informiert, der neue Abflugtermin sei permanent nach hinten geschoben worden, keiner habe sich zuständig gefühlt. "Gerade in den Pfingstferien ist es klar, dass das so schnell nicht geht", erklärt Braun von Corendon. "Da steht natürlich nicht zufällig am betreffenden Ort eine Ersatzmaschine herum."

Den Vorwürfen gegen die Airline widersprechen auch andere Passagiere. "Man kann Corendon nichts vorwerfen", sagt Benjamin Pfuhler, der ebenfalls in dem Jet saß. Das Bodenpersonal in Basel habe die Gestrandeten sofort mit Essen und Getränken versorgt. "Selbst Spielzeug für Kinder wurde rangeschafft."

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