Polizei-Großeinsatz in Nürnberg: So liefen die Mai-Demos ab

2.5.2020, 15:50 Uhr
In Nürnberg fanden kleinere Kundgebungen statt.

© Roland Fengler In Nürnberg fanden kleinere Kundgebungen statt.

Den Auftakt markierten am Vormittag türkische Sozialisten auf dem Aufseßplatz. In ihre Ansprachen und roten Fahnen mischten sich noch junge Aktivisten der "Freien Deutschen Jugend" mit unverhohlener DDR-Nostalgie. Die knapp 100 Teilnehmer zogen anschließend vor das DGB-Haus am Kornmarkt - mit viel Abstand untereinander. Als Protestmarsch sollte und durfte es nicht aussehen, die Polizei zeigte zwar starke Präsenz, verzichtete aber auf kleinliche Mahnungen und hatte auch keinen Anlass einzuschreiten.

Dort wie auch bei weiteren Kundgebungen glichen sich die Forderungen. Sie reichten vor der Rücknahme der Aufweichung der Arbeitszeitregelungen, die deutlich längere Schichten bei nur kurzen Pausen zulassen, bis zur Enteignung der Milliardäre, von der Parole "Arbeiterkassen in Arbeiterhand" bis zur Beseitigung des Kapitalismus als "Seuche", die Corona weit in den Schatten stellt. Und vor der Lorenzkirche prangerten Sprecher der Linken, von Arbeitervereinen und des Friedensforums unter anderem die Probleme im Gesundheitswesen und die Milliardenausgaben für Rüstungsprojekte an.

Zu "Spaziergängen" hatte die Organisierte Autonomie aufgerufen, auch vor allem gegen die weiterhin starken Einschränkungen der Grundrechte zu protestieren. Im Flashmob-Stil formierten sich Aktivisten in Gostenhof an wechselnden Plätzen, um in Sprechchören gegen "Überstunden, Kurzarbeit und den Tod an den Grenzen" mobil zu machen. Das große Maifest in Nürnbergs buntestem Stadtteil war nicht verboten, viele ließen sich das entspannte Feiern in kleinen, losen Runden aber nicht nehmen.

Dass er das Geschehen auf der Straße anderen überlassen musste, ist für den Deutschen Gewerkschaftsbund schmerzlich und bitter, der den "Tag der Arbeit" immer schon vor allem für sich reklamiert. "Wir haben uns die Entscheidung, auf die traditionelle Großkundgebung zu verzichten, nicht leicht gemacht. Sie fiel einmütig auf Bundesebene", betonte Regionsgeschäftsführer Stephan Doll und verteidigte die Absage mit der "Riesenverantwortung" für die Gesundheit und den Gesundheitsschutz. Zumal der DGB ja auch in den eigenen Reihen Rücksicht auf Mitglieder zu nehmen hat, die im Zweifel unter hochschnellenden Infektionszahlen besonders zu leiden haben. Schließlich sei das jährliche Maifest auf dem Kornmarkt bisher das größte in Bayern gewesen. "Und das soll es nächstes Jahr mit noch mehr Teilnehmern auch wieder werden", bekräftigte Doll.

Zu Wort gemeldet hat sich der DGB Mittelfranken trotzdem – vor allem mit einer Folge aktueller kleiner Video-Interviews. "Unsere Themen werden jetzt noch wichtiger", machte er am Beispiel des Gastgewerbes deutlich. "Dort sind viele als 450-Euro-Jobber tätig – und jetzt alle arbeitslos." Und genau in dieser Branche sei es um Mitbestimmung und Organisationsgrad besonders schlecht bestellt. "In der gesamten Nürnberger Hotellerie gibt es gerade einmal drei Betriebsräte." Anders als in der Finanzkrise nach 2008 seien nun alle Branchen betroffen.

Um die immensen Corona-bedingten Ausfälle zu kompensieren, reiche es aber nicht, den Zusammenhalt aller zu beschwören. "Es müssen dann auch die Reichen und Superreichen zur Finanzierung entsprechend herangezogen werden." Und der DGB werde sorgfältig darauf achten, dass "wir zu Freiheitsrechten und Demokratie zurückkehren". Auch wenn der eine oder andere etwas für entbehrlich halten sollte – bei den Arbeitnehmerrechten müsse mindestens das frühere Niveau gehalten werden. Und beim Mindestlohn lautet das große Ziel: 12 Euro.

Anzeigen gab es am Ende doch noch: Im Veit-Stoß-Park hatten sich etliche Grüppchen niedergelassen - und saßen nach Auffassung der Polizei zu eng beieinander. Die Beamten schritten ein und beriefen sich auf das Infektionsschutzgesetz. Die Zahl der erfassten Verstöße konnte ein Polizeisprecher nicht nennen, Widerstand gab es angeblich nicht.

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