Schreck im Tiergarten: Gepard brach aus

19.1.2012, 09:00 Uhr
Schreck im Tiergarten: Gepard brach aus

© Gerullis/Pfrogner

Augenzeugen stockte regelrecht der Atem: Der ausgewachsene, athletische Kater „Turbo“ kletterte blitzschnell über die rund 2,70 Meter hohe Mauer des Geparden-Areals, das außerdem mit einem Elektrodraht gesichert ist, und stürzte sich auf ein vorbeitrabendes Pony. Eine Gruppe von sechs Pferden wurde nämlich gerade von ihren Pflegern bei einem regelmäßigen Bewegungsprogramm für die Huftiere ausgeführt.

Dem angesprungenen Pony gelang es jedoch, die Raubkatze abzuschütteln und mit einer leichten Verletzung am Bein zu fliehen. Die Pfleger ließen sofort die anderen Tiere frei, damit sich diese ebenfalls in Sicherheit bringen konnten. Gleichzeitig informierten die Mitarbeiter die Tiergarten-Leitung. Direktor Dag Encke befand sich gerade im Betriebshof und eilte umgehend mit weiteren Helfern an den Ort des Geschehens direkt neben der Eisbären-Anlage.

„Man muss höllisch aufpassen“

Schreck im Tiergarten: Gepard brach aus

© Hagen Gerullis

Der Gepard hatte sich mittlerweile im Gebüsch verkrochen. Der Zugang zum Panoramaweg wurde für Besucher gesperrt. Rund 15 Mitarbeiter, darunter auch zwei Veterinäre mit Betäubungsgewehren, kreisten die ausgebüxte Raubkatze ein. Zwar hatte sich „Turbo“ auf Tiergarten-Gelände versteckt, doch der Reichswald ist dort nur wenige Meter entfernt. Daher postierte sich ein Pfleger außerhalb des Zauns, um jene Seite abzusichern. Die anderen Zoo-Beschäftigten beobachteten den aufgeschreckten Kater.

„Man muss höllisch aufpassen, wenn ein Tier außerhalb seiner gewohnten Umgebung ist. Dann kann man seine Verhaltensweisen schlecht abschätzen“, erklärt Encke, „man muss es immer im Auge behalten.“ Zumal die Raubkatze durch ihren Jagdtrieb ohnehin sehr erregt war. Schließlich wurde der Gepard mit Betäubungspfeilen narkotisiert.

Nachdem „Turbo“ eingeschlafen war, trugen die Pfleger ihn in den Stall des hinteren Geparden-Geheges, das für die Besucher nicht einsehbar ist. Dieses Grundstück ist mit einem hohen Zaun gesichert, der sich oben ins Gelände-Innere neigt — damit die Raubkatze ihn nicht überklettern kann.

Direktor Dag Encke räumt unumwunden ein, dass das vordere Areal — dort war „Turbo“ entlanggestrichen — zumindest an der einen Stelle nicht ausbruchsicher ist. Vor einigen Jahren ist die Mauer aus Sicherheitsgründen um rund 40 Zentimeter erhöht worden, so der Zoologe. Doch an einem Punkt unterblieb dies offenbar. Hier lauerte der Gepard auf die Beute und überwand auch den — laut Tiergarten eingeschalteten — Elektrozaun.

Gefährlich war die Situation, zumal der Gepard ein Tier angefallen hatte, das überhaupt nicht in sein Beuteschema passt. Sie jagen in ihrem Lebensraum Afrika Gazellen und Antilopen. Doch die Großkatze hätte auch auf Menschen losgehen können. Einem Zeitungsleser, der zur Zeit des Ausbruchs mit seinen Kleinkindern im Tiergarten unterwegs war, ist daher etwas flau zumute: „So richtig wohl war uns nicht, zumal auch keine konkreten Informationen seitens des Tiergartens herausgegeben wurden“, meint Stefan W. aus Zirndorf.

Tiergarten-Direktor Encke betont, dass die Sicherheitsstandards an den einzelnen Gehegen immer wieder durchleuchtet werden, da sich die allgemeinen Bestimmungen in den vergangenen Jahren verändert haben. Die Schwachstelle bei den Geparden soll umgehend durch eine Erhöhung der Mauer beseitigt werden.

Dem Pferd geht’s gut

Der Zoologe will nicht verharmlosen, unterstreicht jedoch, dass Generationen von Geparden in dem Gelände ohne Ausbruchsversuche aufgewachsen sind und dass „der Gepard generell nicht zu den gefährlichen Raubkatzen gehört“. Die Pfleger betreten sein Gehege, das ist bei den Löwen und Tigern absolut ausgeschlossen.

„Turbo“ bleibt in dem hinteren Gehege, bis die Mauer im benachbarten Gelände erhöht ist. Das angefallene Pony ist laut Tiergarten durch die Raubtierkralle nur leicht am Bein verletzt: Eine halbe Stunde nach der Attacke fraß es bereits wieder mit Appetit.
 

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