Seehofer im Interview: "Die Maut ist ein Meisterstück"

22.11.2014, 08:59 Uhr
Horst Seehofer auf Redaktionsbesuch bei den Nürnberger Nachrichten.

© Matejka Horst Seehofer auf Redaktionsbesuch bei den Nürnberger Nachrichten.

Manche Medien fragen schon: "Wer hat Angst vor Markus Söder?" und geben als Antwort: Horst Seehofer.

Seehofer: Das ist reine Fantasie. Das hat mit der Realität nichts zu tun. Wir haben kein Problem miteinander.

Macht Söder Ihnen zu schaffen?

Seehofer: Vollkommener Quatsch. Wir arbeiten gut und vernünftig zusammen. Das passt. Seid froh, dass ihr in Mittelfranken den Markus Söder habt. Ich bin es auch. Ich kann mich nur wundern: Darf denn in der Politik nichts mehr diskutiert werden, ohne dass es sofort zur Parteikrise, zur Führungskrise, zur Machtfrage wird?

Sie haben doch selbst offen gelassen, wie das 2018 weitergehen soll.

Seehofer: Meine Mission ist es, dass ich die Dinge 2018 harmonisch in die nächste Generation überführe.

Und die Kopfnüsse gegen Söder waren reiner Zufall, beim Konjunkturcheck zum Beispiel?

Seehofer: Ich habe nur daran erinnert, dass wir den Koalitionsvertrag einhalten und ihn nicht infrage stellen. Zu meinen Aufgaben in Berlin gehört doch, dass ich für Ruhe und Verlässlichkeit sorge in der Koalition.

Das ist allerdings CSU-untypisch.

Seehofer: Wir kämpfen um die Dinge, die wichtig sind. Wir tragen auch Konflikte aus, wenn es notwendig ist. Es gibt aber derzeit keine. Es gibt eine saubere Zusammenarbeit zwischen erwachsenen Leuten. Das ist kein Kindergarten. Ich werde meine Mission erfüllen. Die CSU ist stabil, in allen Umfragen. Derzeit liegen wir in Bayern bei 48 Prozent, die SPD nur bei 18. Das ist unser Verdienst, weil wir auch die Krisen ordentlich bewältigt haben, ob das nun die Flüchtlingsfrage war oder die Causa Haderthauer.

Apropos: Ist Bayern bei den Flüchtlingen für den Winter gerüstet?

Seehofer: Münchens Oberbürgermeister hatte recht, als er die Bayernkaserne geschlossen hat. Das hätten wir als Regierung aus eigenem Antrieb auch tun sollen. Wenn da etwas passiert wäre, dann wäre der Aufschrei berechtigt gewesen. Inzwischen sind die Missstände abgestellt. Wir haben die Probleme behoben. Die Winternotpläne stehen.

"Marcel Huber hat einen anderen Stil"

Wer dabei als Krisenmanager eine gute Figur gemacht hat, ist Staatskanzleichef Marcel Huber. Ist der Ihr neuer Kronprinz?

Seehofer: Ich will, dass wir 2018 mit der Persönlichkeit in die Wahl gehen, die am meisten das Vertrauen der Menschen gewinnt und Erfolg verspricht. Marcel Huber hat einen anderen Stil, seinen eigenen, sehr sachorientiert. Personaldiskussionen haben drei Jahre vor einer Wahl zwar Unterhaltungswert, aber keinen Sinn. Deshalb sollten wir jetzt nicht jeden Tag neue Kronprinzen ausrufen.

Aber es ist doch praktisch, wenn die Personalien den Blick von der Sachpolitik ablenken. Bei der Energiewende läuft es derzeit nicht rund. Die Wirtschaft ist sehr besorgt.

Seehofer: Die Wirtschaft ist höchst zufrieden. Wir haben den Weg mit ihr besprochen. Dass ihre Vertreter weiter Forderungen stellen, ist doch klar. Aber wir sind uns einig, dass die wichtigste Frage die der Stromproduktion in Bayern ist. Wir werden in Deutschland gut 40 Prozent unseres Bedarfs im nächsten Jahrzehnt aus erneuerbaren Energien decken. Den Rest müssen bis auf weiteres konventionelle Kraftwerke produzieren. Das ist wichtiger als irgendeine Stromtrasse. Aber das lösen wir.

Und wie?

Seehofer: Zunächst durch den Dialog. Dann entscheiden wir im Februar. Das ist die zweite Stufe der Energiewende. Die erste haben wir geschafft: Wir haben die Energieumlage stabilisiert, die Arbeitsplätze in der Energie-intensiven Industrie geschützt und die Eigenstromversorgung gesichert.

"Ich muss in Bayern die Oppositionsarbeit erledigen"

Gabriel spricht von einer Karnevalsveranstaltung, wenn er über die Diskussionen in Bayern redet.

Seehofer: Vor allem hat er mich neulich beim Deutschen Arbeitgebertag als den zweiten Sozialdemokraten in der Koalition bezeichnet. Ich habe ihm geantwortet, der Eindruck kann nur entstehen, weil ich in Bayern die Oppositionsarbeit auch noch erledigen muss! Tatsache aber ist, dass der Bund allein entscheidet, woher wir unseren Strom beziehen werden. Das liegt nicht in unserer Hand. Die Stromtrassen, über die wir jetzt diskutieren, sind ja erst in einem Jahrzehnt relevant.

In Bayern gehen die Atomkraftwerke jetzt vom Netz.

Seehofer: Ja, aber Gabriel und die Bundesnetzagentur sagen uns, dass wir drei von fünf Kernkraftwerken abschalten können, ohne dass wir zusätzliche Ersatzkraftwerke brauchen. Das Gaskraftwerk in Irsching kann eines der beiden verbleibenden Atomkraftwerke ersetzen. Dann bleibt nur das letzte. Dafür brauchen wir ein oder zwei neue Gaskraftwerke. Dann ist die Sache geritzt. Den Netzbetreibern ist das allerdings egal. Sie gehen kein Risiko ein, wenn sie die beiden Leitungen trotzdem bauen. Die Kosten legen sie auf die Verbraucher um, ihre Einnahmen sind garantiert. Das ist die Gesetzeslage.

Was wollen Sie denn erreichen – gar keine Stromtrasse, nur eine oder beide, nur mit anderen Strecken?

Seehofer: Ich habe zwei Ziele. Zentral ist, dass die Grundversorgung garantiert ist. Und ich will, dass die Wertschöpfung bei der Energiegewinnung hier erfolgt, bei uns. Die Frage, welche Stromtrassen wo verlaufen, das ist mein zweites Thema. Ich betrachte bekanntlich die Süd-Ost-Trasse mit größter Zurückhaltung bis Ablehnung. Beim Suedlink ist offen, wie er geführt wird. Grundsätzlich sage ich: Wenn es notwendig ist, bauen wir. Aber auch nur, wenn es notwendig ist. Und nicht, weil es ein Konzern so will.

Haben Sie denn eine Zusage Gabriels für die beiden Gaskraftwerke?

Seehofer: Noch nicht. Er überlegt noch. Aber wir werden sie brauchen. Oder sollen wir unseren Strom aus dem Ausland beziehen? Die Kraftwerke sind nun mal das wichtigste.

Maut wird mindestens 500 Millionen Euro im Jahr bringen

Zur Maut. Sind Sie stolz auf das Ergebnis?

Seehofer: Absolut. Das ist ein Meisterstück, ein sauberes Werk. Das bringt mindestens 500 Millionen Euro im Jahr, netto. Wir haben die Maut im Wahlkampf versprochen. Und ich pflege meine Versprechen einzuhalten.

Sie haben in Ihrer ersten Regierungserklärung auch versprochen, dass Sie Bayern barrierefrei ausbauen. Wieso streichen Sie dann die Mittel dafür zusammen?

Seehofer: Tun wir nicht. Die Zusage steht. Wichtig ist, wie wir das ausgestalten. Muss denn in jedem Amtsgebäude auf jedem Stockwerk jedes Büro barrierefrei erreichbar sein, oder reicht es, wenn wir die öffentlich zugänglichen Räume ausbauen? Und was leisten die anderen, die Kommunen, die Bahn? Wenn ich Bayern familienfreundlicher machen will, dann finanziere ich als Freistaat auch nicht jeder Stadt alle Spielplätze. Die Barrierefreiheit ist eine Aufgabe, die alle betrifft, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Nicht nur die Barrierefreiheit kostet. Bei der Erlanger Universität ist der Sanierungsbedarf enorm. Gibt der Freistaat zusätzliche Mittel?

Seehofer: Ich werde mir das nochmal genau ansehen. Allerdings wissen wir auch, dass selbst in Bayern nicht alles in den Himmel wächst. Neue Schulden machen wir nicht.

 

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