Selig ist, wer Selig kennt

30.12.2018, 18:21 Uhr
EhrenWert-Preisträger Gustav Adolf Selig.

© F.: Giulia Iannicelli EhrenWert-Preisträger Gustav Adolf Selig.

Geboren wurde er 1942 in Polen. Dorthin waren seine Vorfahren von Deutschland ausgewandert. "Als Wirtschaftsflüchtlinge", wie Gustav Adolf Selig augenzwinkernd sagt. Seine Vorfahren waren weggegangen, weil sie glaubten, dort ein besseres Leben führen zu können. Der Zweite Weltkrieg brachte aber alles durcheinander. Die Zeichen standen auch bei den Seligs auf Flucht: Im Januar 1945 überquerte der kleine Gustav Adolf mit seinen Eltern und den vier Schwestern in einem Pferdewagen die Weichsel in Richtung Leipzig. Es ging weiter südlich bis nach Martinsbuch in Niederbayern. Dort musste er erleben, dass Neuankömmlinge nicht unbedingt willkommen sind.

Gustav Adolf Selig ist trotzdem in Deutschland heimisch geworden. Er hat Fotograf gelernt und sich danach in Mainz und Saarbrücken beim Fernsehen zum Filmschnittmeister weitergebildet. Und weil ihm Langeweile ein Graus war, ging er 1970 als Entwicklungshelfer in Sachen Film und Fernsehen nach Afrika. Zuerst nach Ghana, dann nach Kenia, wo er eine Filmschule aufbaute, die nach gut zehn Jahren an die Einheimischen übergeben wurde. Die Rückkehr nach Deutschland führte 1986 zu einem Neustart. Man schrieb die Zeit der ersten Computer und der Videotechnik. Nach drei Jahren des Lernens und Fortbildens kam Gustav Adolf Selig 1989 nach Nürnberg und machte sich als Computerexperte selbstständig.

Es wäre schon hier die Erfolgsgeschichte eines Zuwanderers gewesen, wäre nicht der August 2015 gekommen — und jede Menge Flüchtlinge. Selig hat nicht lange gefackelt, sondern gefragt: "Was kann ich tun?" Die Antwort des Computerfachmanns lautete: "Erst mal eine Excel-Liste erstellen", um auf eine übersichtliche Art die Menschen samt Namen, Alter, Beruf, Sprache, Hobbys und Angebote aufzuführen und sie zu vernetzen und ihnen so gezielt zu helfen.

Eine weitere Fähigkeit von ihm ist: Selig kann gut auf Leute zugehen. So hat er Flüchtlinge eingeladen, ihnen zugehört und überlegt, wie er sie unterstützen kann, damit sie hier heimisch werden und sich auch nützlich machen können. Gustav Adolf Selig ist so zum Motor der Kontaktgruppe Zabo geworden, der heute über 200 Menschen angehören. Darunter sind über 40 alteingesessene Stadtteilbewohner, die durch persönliche Kontakte und eigene (gute) Erfahrungen eingestiegen sind.

Von 7 bis 22 Uhr unterwegs

Sie bestücken gemeinsam die Kleiderkammer am Ende der Regensburger Straße, vermitteln bei Problemen mit der Ausländerbehörde oder auch mal bei Vorurteilen zwischen ausländischen Gruppen. Seligs Credo zur Integration von Flüchtlingen heißt: "Wir müssen unsere Augen und Ohren, Türen und Herzen aufmachen, sonst haben sie keine Chance. Wir müssen sie integrieren!" Und genau das tut er tagtäglich: Er pflegt Kontakte, lädt Leute zu sich in die Valznerweiherstraße ein, grillt und singt mit ihnen, sammelt Blaubeeren im Wald und er stellt auch Lernvideos in eine digitale Cloud, damit sie alle anschauen können.

Bis heute hat er 32 Notebooks startklar gemacht und rund 60 Flüchtlingen Wohnungen besorgt. An manchen Tagen ist er von 7 bis 22 Uhr in Zabo unterwegs, um etwas anzustoßen und zu bewirken – auf digitalen wie analogen Wegen. Und neue Ideen – wie das einwöchige Probewohnen, um zu sehen, ob es zwischen den Menschen auch passt — gehört auch dazu.

Sein Engagement, bei dem ihn seine Frau Christa Hopp viel unterstützt, hat sicher mit seinem eigenen Flüchtlingsschicksal zu tun. "Aber auch mit dem Glauben", wie Selig mit Verweis auf das Gebot der Nächstenliebe sagt. Eine seiner Kraftquellen für das ehrenamtliches Engagement.

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