Spiel auf Zeit: Nürnberg kämpft gegen illegale Spielhallen

11.7.2018, 05:56 Uhr
Spiel auf Zeit: Nürnberg kämpft gegen illegale Spielhallen

© Eduard Weigert

Die weißen Zähne des Ex-Nationalspielers Lukas Podolski blitzen dem Betrachter entgegen. Ansonsten sieht man wenig von dem neuen Wettbüro in der Nähe des Aufseßplatzes – vor allem kann man nicht hineinschauen. Die Scheiben sind fast komplett beklebt. Eine Anonymität, die Läden dieser Art Diskretion nennen. Denn wer drin sitzt, will dort meist nicht gesehen werden. Das Geschäft mit der Wett- und Spielsucht ist ein anonymes – und lukratives. Und so ist etwa auch die Standortwahl, nicht nur beim Aufseßplatz, kein Zufall. "Spielhallen oder Wettbüros siedeln sich überall da an, wo die Bevölkerungsdichte hoch ist und die Einkommensstruktur niedrig", weiß Nürnbergs Baureferent Daniel Ulrich.

Das bedeute aber nicht, dass etwa rund um den Aufseßplatz oder in Schweinau mehr Spielsüchtige leben als in Erlenstegen oder Mögeldorf. "Der Spielsüchtige in Erlenstegen will einfach nicht beim Gang in die Spielhalle gesehen werden und fährt in die Stadtteile, in denen das Leben anonymer ist als dort, wo man seinen Nachbarn kennt", sagt Ulrich.

Für die Stadt spielt es allerdings gar keine Rolle, wo das Wettbüro oder die Spielothek eröffnen, denn haben will man sie eigentlich nirgendwo. "Ich finde nicht, dass Spielhallen zu einer gesunden Stadt dazugehören", so Ulrich. Aus diesem Grund werden sie auch nur in streng begrenzter Zahl zugelassen. Derzeit gibt es in Nürnberg 97, hinzukommen 50 Wettbüros. "Die Spielhallen hatten wir im Griff. Es sind die Wettbüros, die uns Sorgen machen", so Ulrich, denn die unterliegen anderen rechtlichen Regeln als Spielotheken, die mit dem Glücksspielstaatsvertrag ganz klare Voraussetzungen erfüllen müssen. Wer eine Spielothek eröffnen will, braucht zum einen Baurecht, zum anderen eine Erlaubnis des Ordnungsamtes – und die wird eben einfach nicht erteilt, wenn man keine neue Spielhalle zulassen möchte.

Nutzung ohne Baurecht

Anders ist das bei Wettbüros. "Hier können wir nur baurechtlich dagegen vorgehen", so Ulrich. Der Fall des Wettbüros am Aufseßplatz ist dabei ein Paradebeispiel, denn der Betreiber hatte im Januar Baurecht beantragt – und nie bekommen. "Die Nutzung als Wettbüro wurde aufgenommen, ohne dass hierfür eine Baugenehmigung vorlag", sagt der Baureferent.

Der Außendienst der Bauordnungsbehörde greife in so einem Fall, der in Nürnberg nicht selten vorkommt, dann die illegale Nutzung auf. Es erfolgt eine planungsrechtliche Beurteilung durch das Stadtplanungsamt. Wird die Nutzung als unzulässig eingestuft, wird die Wettbüronutzung untersagt und ein Zwangsgeld angedroht für den Fall, dass der Betreiber nicht schließt. "Im Fall des Wettbüros in der Nähe des Aufseßplatzes sind das 20.000 Euro. Die Vollstreckung gestaltet sich aber sehr schwierig. Die Nutzungsuntersagungen werden erst nach langwierigen gerichtlichen Verfahren bestandskräftig", so Ulrich.

Zwangsräumung nicht zulässig

Gegen das Zwangsgeld wird seitens der Betreiber zudem wiederum auch regelmäßig geklagt, was das Verfahren weiter verlängert. "Die sind halt leider auch nicht blöd. Selbst wenn der Betreiber nur einen mittelguten Anwalt hat, rät der ihm zu klagen", so der Baureferent, der genug dieser Verfahren in den vergangenen Jahren miterlebt hat. Die Vollstreckung – also eine Schließung des illegal eröffneten Wettbüros – ist daher bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts nicht möglich. Das Urteil des zuständigen Verwaltungsgerichts in Ansbach wird außerdem regelmäßig auch in zweiter Instanz, beim Verwaltungsgerichtshof in München, angefochten. "So dauert es aufgrund der derzeitigen Überbelastung der Gerichte mindestens zwei Jahre oder länger, bis eine Entscheidung vorliegt."

Die Betreiber der Wettbüros kennen darüber hinaus noch einen weiteren Trick: sie wechseln. Sobald das Wettbüro unter neuem Namen läuft, beginnt das Verfahren von vorne. "Eine Zwangsräumung ist öffentlich-rechtlich nicht zulässig, es sei denn, es besteht Gefahr für Leib und Leben", erklärt Ulrich weiter. "Das ist bei Wettbüros nur leider so gut wie nie der Fall. Auf Hilfe wartet man indes auch beim Ordnungsamt. Dessen Leiterin Katrin Kurr verfolgt die Entwicklungen in der Gesetzgebung ganz genau. "Bislang fehlt uns einfach eine rechtliche Grundlage für Wettbüros", sagt auch sie. Die Stadt Nürnberg habe sich da in einigen Prozessen bereits die Finger verbrannt. "Wir haben schon versucht, Wettbüros auf der Rechtsgrundlage des Glückspiels zu verbieten", sagt sie. Jedoch ohne Erfolg, weil die Gesetze auf die Grauzone Wettbüro derzeit nicht anwendbar sind. "Das ist aktuell das Tragische an der Situation", sagt Kurr.

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