Tuning-Treffen: Nachbarn fordern Schluss mit XXXLärm

9.11.2013, 07:00 Uhr
Tuning-Treffen: Nachbarn fordern Schluss mit XXXLärm

© Eduard Weigert

Zurzeit ist es still. Wie immer in den kalten Monaten; von Oktober bis März können Matthias Dietrich, Ursula Graf und Co. die freitägliche Ruhe genießen. Keine Tuner-Treffen vor ihrer Nase, keine Wildparker und Wildpinkler wie im Sommer, jede Woche. Ein schwacher Trost. Deshalb wollen sich die Anwohner der Markomannenstraße und Umgebung damit nicht abfinden. Sie sind entnervt.

Das ist auch an diesem Abend im Gutmann am Dutzendteich zu spüren. 30 Anwohner sind gekommen, sind der Einladung ihrer Vorstadtvereine zu einer Diskussion gefolgt. Und sie sind vorbereitet. Vor Matthias Dietrich und auch vor Ursula Graf liegt ein dicker Aktenordner, voller Korrespondenz und Hintergrundinformationen, alles zu dem einen Thema: die Treffen der Tuning-Szene am Parkplatz des Möbelhauses XXXLutz .

Es geht um zwei Großveranstaltungen, die dort stattfinden und über 6000 Auto-Fans anlocken. Deren Folgen: Verkehrschaos, Parkplatz-Probleme — und Lärm. Wummernde Bässe, die nicht nur durch die Musik des Veranstalters durch die Wände, Fenster ihrer Wohnungen dringen, sondern auch aus den Autoboxen der Tuner.

Nie eine Antwort

Es geht aber auch um kleinere Veranstaltungen, außer der Reihe sozusagen. Und vor allem: um wöchentliche kleinere Treffen, zu denen vielleicht nur ein paar Hundert Tuner kommen – die die Anwohner Freitag für Freitag aus der Ruhe bringen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Was die Betroffenen aber besonders stört: Sie fühlen sich im Stich gelassen, von der Polizei, insbesondere vom Ordnungsamt. Reihenweise berichten sie von Briefen, Mails, die sie an die Behörde geschrieben haben. Antwort? Fehlanzeige.

Robert Pollack müht sich also, die Wogen zu glätten, zumindest gegen Ende des Abends. Geduldig notiert sich der stellvertretende Leiter des Ordnungsamts all die Namen derjenigen, die nie eine Antwort auf ihre Beschwerde, ihren Hilferuf, erhalten haben. Pollack merkt spät, Dietmar Neugebauer, Polizeidirektor, Leiter der Verkehrspolizeiinspektion, viel früher, wie ernst die Lage ist. Mit ihren anfänglichen Worten beißen sie auf Granit, als sie noch erklären, dass Polizei und Ordnungsamt eigentlich froh sind, dass die Tuning-Szene, früher eine illegale, nicht in den Griff zu bekommende, fliegende Masse, sich nun an einem zentralen Punkt versammelt. Und so im Blick der Behörden.

Die Antwort kommt prompt. „Sie wollen Verständnis von uns“, fasst Ursula Graf zusammen, „nur werden sie das nicht bekommen.“ Klassik Open Air, Rock im Park, Volksfeste – man halte viel aus, wisse, was es heißt, eine Veranstaltung direkt vor der Nase zu haben. Nur: „Irgendwann ist Schluss.“

Ärger über „Carfreitag“

Also wird über Sperrzeiten diskutiert – „Warum dürfen die Tuner länger feiern als das Volksfest?“. Und über Genehmigungen – „Wie kann am Karfreitag auf dem Parkplatz eine Veranstaltung wie der ‚Carfreitag’ stattfinden?“ Und überhaupt: Warum ein Tuning-Treffen mitten im Stadtgebiet? Eindeutige Begründungen bleiben die Angesprochenen zunächst schuldig, zum Teil sind ihnen auch tatsächlich die Hände gebunden. Aber: Die Lärmbeschwerden, das sagen beispielsweise beide, würden sich in Grenzen halten. Das heizt die Stimmung nur noch mehr an.

Der Veranstalter der Treffen, Steve Weber, ist an diesem Abend nicht da, auch kein Vertreter des Möbelhauses. Doch obwohl damit zwei wichtige Ansprechpartner fehlen, dürfen die Anwohner leise Hoffnung schöpfen. Thilo Dahnke, Vorsitzender des Vorstadtvereins Luitpoldhain-Dutzendteich, verliest beispielsweise einen an Matthias Dietrich gerichteten Brief der Konzernleitung von XXXLutz, der unter anderem verspricht, dass an Sonn- und Feiertagen keine Veranstaltungen mehr stattfinden werden. Dietrich hakt beim Ordnungsamt nach: „Wieso hat der Konzernsitz in Österreich Verständnis und Sie nicht?“

Schluss um 23 Uhr?

Der Vorwurf kommt an, so scheint es. Polizeidirektor Neugebauer hat die Angelegenheit schon vorher zur Chefsache erklärt, appelliert an die Anwohner: „Hören Sie nicht auf, sich zu beschweren, rufen Sie an!“ Sein Mitarbeiter Roman Reißig lässt die Herzen der Anwohner gar höherschlagen. Er ist, wie sein Chef, in engem Kontakt zum Veranstalter – und der habe signalisiert, „dass die wöchentlichen Treffen bald woanders stattfinden, in Berlin“.

Ein Funken Hoffnung. Den will Robert Pollack („Man darf die Bedürfnisse der Tuning-Szene doch nicht so groß bemessen“) befeuern. „Die zwei Großveranstaltungen sind bislang bis 24 Uhr genehmigt. Wir werden darüber nachdenken, ob wir um 23 Uhr komplett Schluss machen.“

Auch das zeigt: Das Gespür für die Sorgen der Betroffenen ist größer geworden bei der Behörde. Am Ende des Abends sind die Gespräche ruhiger – vielleicht ja auch bald das Leben im Nibelungenviertel.

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