Über den Wolken ja, grenzenlose Freiheit nein

2.5.2011, 15:19 Uhr
Über den Wolken ja, grenzenlose Freiheit nein

© dpa

Die Freiheit über den Wolken ist bekanntlich grenzenlos. Doch Josef Hartl holt uns auf die Erde zurück. „Es ist kein Job von Montag bis Freitag und auch keiner von neun bis fünf Uhr“, sagt der Pilot, den man im Fachjargon als Verkehrsflugzeugführer bezeichnet.

„Die Arbeitszeiten sind unregelmäßig. Wir arbeiten Schicht und manchmal geht es schon sehr früh in der Nacht los.“ Häufig könne er vier oder fünf Tage am Stück nicht bei Frau und Tochter sein. „Nach dem Frühstück die Aktentasche nehmen und losgehen und zum Abendessen wieder bei der Familie sein, das ist es nicht.“ Aber tauschen? Niemals. „Ich habe schon als Kind davon geträumt. Ich war schon immer an der Fliegerei interessiert. Trotzdem habe ich erst einmal eine Lehre als Kaufmann im Groß- und Einzelhandel absolviert. Kurz: Ich bin ein Quereinsteiger und habe viel Glück gehabt.“

Die Airlines bilden selber aus

Den klassischen Weg ins Cockpit hat Kapitän Hartl also nicht absolviert. Dazu hätte er zu einer Airline mit eigener Flugschule gehen müssen. So wie sie die Lufthansa in Bremen betreibt, wo jährlich bis zu 250 junge Nachwuchsflugzeugführer ausgebildet werden (www.lufthansa-pilot.de). Auch „airberlin“ bildet selbst aus, und zwar etwa 30 bis 40 Piloten pro Jahr vorrangig für den Eigenbedarf (www.airberlin-flightschool.com). In Deutschland gibt es etwa 11000 Piloten, die eine ATPL besitzen. So nennt sich die höchste fliegerische Lizenz. Nur wer die besitzt, darf Verkehrsflugzeuge wie Airbus oder Boeing sowie Businessjets wie die Challenger steuern.

Zurück: Ohne Abitur beziehungsweise gute schulische Leistungen vor allem in Mathematik, Physik und Englisch sollte man erst gar nicht versuchen, einen der raren Ausbildungsplätze zu ergattern. Man scheitert garantiert am Eignungstest. Airlines beauftragen damit gern die Abteilung Luft- und Raumfahrtpsychologie am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Hamburg. Der Test ist berühmt-berüchtigt wegen des extremen Schwierigkeitsgrades. „Das macht auch Sinn“, erklärt Josef Hartl. „Anforderungen und Verantwortung sind hoch in unserem Beruf.“

Geprüft wird bei der sogenannten „Firmenqualifikation“ das breite Spektrum all dessen, was den Piloten in spe ausmacht. Emotionale Belastbarkeit ist dabei nur ein Faktor. Nur etwa jeder Zehnte besteht erfahrungsgemäß. Pech für den Rest, denn man darf nur ein einziges Mal teilnehmen. (Kostenpflichtige) Vorbereitungsseminare sind daher ratsam.

„ToPilots“ in Fürstenfeldbruck bietet sie an. Vor Beginn der Ausbildung hat auch noch der Arzt ein entscheidendes Wort mitzureden. Jemand mit einer Sehschwäche von mehr als drei Dioptrien hat bei der Berufsgrunduntersuchung keine Chance.

„Wer den Test besteht“, macht Jörg Handwerg vom Berufsverbandes der Deutschen Piloten Cockpit e.V. Mut, „wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Ausbildung schaffen.“ Die, fährt der Pressesprecher fort, dauere am Stück zirka zwei Jahre. Teuer ist sie auf jeden Fall. Aber: „Die Airlines übernehmen in der Regel einen Teil der Kosten. Trotzdem kommen noch erhebliche Summen zusammen, da die Schüler auch für die Lebensführung selbst aufkommen müssen. Bei der Lufthansa beträgt der Selbstkostenanteil zur Zeit etwa 60 000 Euro.“

Doch das wird durch das Gehalt wettgemacht, oder? Immerhin wird der frischgebackene Pilot in der Regel von der jeweiligen Fluglinie in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen. Die Ernüchterung folgt auf den Fuß. Jörg Handwerg: „Entgegen dem allgemeinen Glauben, dass alle Piloten Großverdiener sind, sind die Unterschiede in der Branche enorm. Es geht bei zirka 2000 Euro Brutto als Copilot los und hört bei Kapitänen im fünfstelligen Bereich auf. Je nach Unternehmen und Art des Betriebs – also Charter, Linie, Low-cost etc. – unterscheiden sich die Gehälter stark.“

Beliebt, aber teuer: Private Flugschulen

Die Fliegerkarriere von Josef Hartl begann 1984 und damals noch „mehr zum Spaß“, wie er sagt, in einer privaten Flugschule. Diese Möglichkeit gibt es nämlich auch. Und sie wird kräftig genutzt. Der Haken: Finanziell muss man für die komplette Ausbildung aufkommen. Im Gegenzug wird mehr Spielraum geboten. „Man kann von null auf hundert gehen und die ATPL-Lizenz als Verkehrspilot am Stück erwerben ähnlich dem Modell der Airlines. Für Berufstätige ist die modulare Ausbildung aber wesentlich praktikabler. Es geht dort Schritt für Schritt vorwärts, im Fernunterricht, abends und an den Wochenenden, und das alles dauert auch höchstens drei Jahre“, berichtet Ausbildungsleiter Frank Wackwitz von der „Ikon“. Das Ausbildungszentrum für die Luftfahrt mit Sitz in Frankfurt und Erlangen-Tennenlohe (www.ikon.aero/) ist die drittgrößte private Schule in Deutschland. Zu ihren jährlich 60 bis 80 Schülern

zählen jene, die nur den Privatpilotenschein anpeilen ebenso wie die künftigen Berufspiloten. Letztere sind nur im gewerblichen Luftverkehr tätig und nur auf Maschinen, die für einen Piloten zugelassen sind.

Generell gelten als Eingangsvoraussetzungen: ein Alter von 17 Jahren, Abitur erleichtert die Ausbildung, ist aber nicht dringend erforderlich. Wichtig sei ein blütenweißes polizeiliches Führungszeugnis, betont Frank Wackwitz. „Vor allem sollen die jungen Leute Enthusiasmus mitbringen.“

Der Eignungstest läuft bei „Ikon“ und all den anderen natürlich wesentlich glimpflicher ab. Sogar eine Wiederholung ist möglich. Doch wie sehr man sich auch ins Zeug legt: Erst mit 21 Jahren gibt es die begehrte Lizenz. „Ich hatte mal eine junge Frau, die war besonders ehrgeizig und schnell. Deshalb musste sie noch ein halbes Jahr bis zur Übergabe warten“, berichtet Frank Wackwitz.

Auf dem Unterrichtsplan künftiger Verkehrspiloten stehen insgesamt 750 Theoriestunden in Fächern wie Luftrecht, menschliches Leistungsvermögen, Flugzeugkunde, Meteorologie, Elektronik und allgemeine Navigation. Praktische Erfahrung erwirbt man in zahllosen Flugstunden.

Erst einmal an den Simulator

Berufsanfänger arbeiten bei den Airlines oft erst als Simulatorpiloten, Referenten oder werden an andere Fluggesellschaften vermittelt. „Die Nachfrage schwankt“, bestätigt man bei der Vereinigung Cockpit e.V.. Dennoch verzeichneten die Airlines einen stetigen Aufwärtskurs. „Weltweit werden in den nächsten zwanzig Jahren Hunderttausende von Piloten benötigt“, gibt sich Sprecher Jörg Handwerg optimistisch. „Flexibilität ist eine Grundvoraussetzung für einen guten Piloten“, sagt auch Frank Wackwitz. „Man darf nicht davon ausgehen, dass man als Anfänger am Wohnort stationiert wird,“ erklärt der Profi, der schon seit vier Jahrzehnten im Beruf ist.

Mit seinen 65 Jahren ist Manfred Thonius auch schon „ein alter Hase“. Er ist Ausbildungsleiter an der Vereinsfliegerschule des Aeroclubs Nürnberg (www.aeroclub-nuernberg.de). Die Schule zählt zu den ältesten Deutschlands. Etliche ihrer Absolventen sind inzwischen erfolgreich bei Germanwings oder airberlin in den Cockpits gelandet. Dabei kann vor Ort nur der Privatpilotenschein erworben werden. „Erst kürzlich habe ich einem jungen Anwärter geraten, sich nach dem Abitur zunächst als Fluglotse zu bewerben“, erzählt Manfred Thonius. Ist es tatsächlich der Traumberuf, darf eben kein Weg zu lang sein.

Fliegende Computerzentralen

„Mich fasziniert nach wie vor der technische Aspekt“, schwärmt Kapitän Hartl. Tatsächlich gleichen Cockpits fliegenden Computerzentralen und Piloten IT-Spezialisten. „Wir treiben das lebenslange Lernen bis zur Perfektion“, räumt Josef Hartl ein. Stationiert ist er in Nürnberg. Bei fast jedem Flug startet er mit einer neuen Crew – vom Kopiloten bis zu den Flugbegleitern. „Das ist eine großartige Herausforderung“, findet der Kapitän. Dem Nachwuchs legt er ans Herz: „Fliegerei ist Teamwork und keine One-Man-Show im Cockpit!“

Verwandte Themen


Keine Kommentare