Verzettelt: Bon-Pflicht sorgt auch in Nürnberg für Ärger

4.1.2020, 15:12 Uhr
Verzettelt: Bon-Pflicht sorgt auch in Nürnberg für Ärger

© Stefan Hippel

Wer es darauf anlegt, kann das Finanzamt umgehen: Am Bratwurst- oder Gemüsestand wird bar bezahlt, in der Kneipe und im Café gibt es die Rechnung manchmal nur handschriftlich auf einem Zettelchen. Selbst elektronische Kassen lassen sich mit Schummel-Software manipulieren. Diesen Steuerbetrug will der Gesetzgeber mit der neuen Bon-Pflicht erschweren – und stößt damit bei Nürnberger Betrieben auf wenig Gegenliebe.


"Wahnsinn" Bonpflicht: Ausdrucken und wegwerfen


Auch Kunden reagieren skeptisch auf die Neuerung. Als Steffi T. an einem Nürnberger Stand eine Apfelsaftschorle ersteht, drückt ihr der Verkäufer einen Kassenzettel in die Hand, obwohl sie den gar nicht will. "Sorry, ich muss Ihnen den mitgeben", sagt er entschuldigend. Der Händler nimmt die Bon-Pflicht, die seit 1. Januar 2020 gilt, sehr ernst. Auch wenn er kein Freund derselben ist.

"Mit Kanonen auf Spatzen"

Das sind offenbar die wenigsten. Der größte Protest kommt von Bäckern und Metzgern, weiß Thomas Pirner, Chef der Handwerkskammer für Mittelfranken. Pirner hält es selbst für völlig übertrieben, dass "wegen jeder Brezel ein Bon rausgelassen werden muss". Viele Betriebe fühlten sich unter Generalverdacht gestellt, als wollten sich Bäcker und Metzger die Taschen mit Schwarzgeld vollstopfen. "Da wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen", zürnt der Kammer-Präsident. Es sei doch schon jetzt Pflicht, nicht manipulierbare Registrierkassen zu haben.

Einer der Skeptiker aus der Bäcker-Branche ist Thomas Ipta. Er betreibt in der Gibitzenhofstraße in der Nürnberger Südstadt eine Bäckerei, wo noch ganz klassisch gebacken wird. Dass er jetzt bei jedem verkauften Brötchen einen Beleg ausdrucken soll, findet Ipta "irre". Das wolle doch kein Kunde, "mal ganz abgesehen vom Papierverbrauch", schimpft das Vorstandsmitglied der Nürnberger Bäcker-Innung.

Auch Reka Kulathungan, Inhaberin der Metzgerei "Marina" in der Kernstraße in Gostenhof, drückte bislang nur auf den Bon-Drucker, wenn der Kunde das verlangte. Neuerdings muss sie das jedes Mal machen. Zu ihr kommen mittags viele Schüler aus der gegenüberliegenden Berufsschule, um sich in der Pause ein Wurstbrötchen zu kaufen. Kulathungan befürchtet, dass die Schüler ihren Bon nicht mitnehmen werden. "Da wird viel Papiermüll produziert. Das stört mich."

Sind die Bons gesundheitsgefährdend?

Das Papier-Argument ist oft zu hören. Es sei schon die Frage, wieso so viel unnötiger Müll produziert werden müsse, sagt Martin Rößler, Inhaber der Konditorei Beer in der Breiten Gasse. Tonnenweise Thermopapier werde verbraucht, das nicht recycelbar sei. Tatsächlich werden Kassenbons meist auf sogenanntem Thermopapier gedruckt, das mit der schädlichen Chemikalie Bisphenol A beschichtet ist. Deshalb sollten die Belege auch nicht im Altpapier, sondern im Restmüll entsorgt werden, rät das Umweltbundesamt.

Mit der umstrittenen Bon-Pflicht will der Bund den Kampf gegen den Steuerbetrug aufnehmen. Die Finanzbehörden sollen anhand der Belege leichter nachprüfen können, ob jeder Geschäftsvorfall einzeln festgehalten, aufgezeichnet und aufbewahrt wurde. "So kann beispielsweise anhand eines Abgleichs des Bons mit den Aufzeichnungen der Kassensoftware eine Manipulation der Kasse festgestellt werden", so die Hoffnung des Bundesfinanzministeriums.

Technik noch nicht ausgereift

Die schlagzeilenträchtige Bon-Pflicht ist aber nur ein Baustein im Kampf gegen Steuerbetrug. Ein zweiter ist die manipulationssichere Umrüstung von Kassensystemen und Registrierkassen, damit eingegebene Umsätze im Nachhinein nicht mehr verändert werden können. Dies soll durch eine "zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung" erreicht werden, so dass für jede Transaktion eine Transaktionsnummer vergeben wird, um Lücken in den Aufzeichnungen erkennbar zu machen. Doch genau das habe sich "als Stolperstein" erwiesen, teilt die Industrie- und Handelskammer in Nürnberg mit.

Der Grund? Bis Sommer 2019 seien noch keine derartigen Sicherheitslösungen am Markt gewesen, schreibt die IHK weiter. Deshalb gilt in Sachen Nachrüstung eine Übergangsfrist bis 30. September 2020. Die IHK rät den Betrieben aber, die Umrüstung nicht auf die lange Bank zu schieben. Denn bei Verstößen gegen das Kassengesetz drohen Bußgelder bis zu 25.000 Euro.

Die Bon-Pflicht gilt dagegen seit Jahreswechsel. Händler, die sich den Ausdruck von Belegen schenken, müssen allerdings nicht mit einem Bußgeld rechnen. Ein Verstoß sei nicht bußgeldbewehrt, lässt das Bundesfinanzministerium wissen. "Er könnte aber als Indiz dafür gewertet werden, dass den Aufzeichnungspflichten nicht entsprochen wurde." Finanzbeamte dürften dann auf jeden Fall genauer hinsehen.

Gut möglich, dass demnächst die Briefkästen der Finanzämter überquellen. Denn längst kursieren im Internet Aufrufe von Bon-Pflicht-Gegnern, die gesammelten Bons "bei einem Abendspaziergang einfach in den Briefkasten des örtlichen Finanzamts zu stecken". Der sei groß genug. "Und somit dürfen auch die sich mit dem Sondermüll beschäftigen, die ihn in Auftrag gegeben haben", heißt es in den Appellen.

Die Kunden können die Belege aber auch im Geschäft lassen. Sie sind nicht verpflichtet, die Bons mitzunehmen. Hauptsache ausgedruckt.

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