Zwischen Pornografie und Freiheitskampf

2.3.2008, 00:00 Uhr
Larry Flynt mit zwei Models im Hustler Club 2004.

© imago stock&people via www.imago-images.de, imago images/ZUMA Globe Larry Flynt mit zwei Models im Hustler Club 2004.

Larry Flynt, geboren am 1. November 1942, wollte sich den amerikanischen Traum erfüllen – und er tat es auf die schmuddelige Weise. Als Zehnjähriger, so wollen es etliche Quellen wissen, verhökerte er selbstgebrannten Schnaps an die Alkoholiker im Ort und verdiente sich so die ersten Dollars. Nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst mit Mitte 20 gründete er in Dayton, Ohio, ein Striplokal. Zehn Jahre später, im Jahr 1974, unterhielt gemeinsam mit seinem Bruder acht dieser Etablissements. Um die Stammkundschaft bei Laune zu halten, publizierte er einen kostenlosen Newsletter mit Fotos seiner Nackttänzerinnen.

Flynt witterte ein Geschäft und machte daraus ein Männermagazin, den Hustler. Was die Leser darin geboten bekamen, war härter, schamloser und pornografischer als die etablierten Hefte Playboy und Penthouse. Flynt peitschte das Blatt zu einer Auflage von mehr als drei Millionen Exemplaren, indem er Paparazzi-Fotos, beispielsweise der nackt badenden Jackie Kennedy Onassis, aufs Titelbild brachte. Fotostrecken garnierte er mit antisemitischen und rassistischen Witzen und Cartoons. Das Wall Street Journal bezeichnete den Hustler als den «schnellsten Magazin-Erfolg», den es je gab. Der 33 Jahre alte, bereits zum fünften Mal verheiratete Verleger setzte auf ein einfaches, aber wirkungsvolles Rezept: das Blatt biete «wahre Lebenshilfe». «Wir sind ein Aufgeil-Magazin» und: «Wir sind geschmacklos bis dort hinaus.»

Wegen der Verbreitung obszöner Texte und Bilder stand Flynt unzählige Male vor Gericht, so auch am 6. März 1978 in Lawrenceville, Georgia. Während einer Verhandlungspause saßen der 34-Jährige und sein Anwalt mittags zum Essen im Restaurant. «Plötzlich kreischten Bremsen. Aus einem weißen ,Camaro‘ sprang ein Mann heraus, schoss Flynt in den Bauch und den Anwalt in den Arm und verschwand», berichteten die Nürnberger Nachrichten. Flynt überlebte, sitzt seither aber im Rollstuhl.

Rechtsradikaler Wirrkopf

Der Schütze Joseph Paul Franklin, ein rechtsradikaler Wirrkopf, hatte seine kriminelle Karriere im September 1976 begonnen, als er ein gemischtethnisches Paar in Atlanta in eine Sackgasse hetzte und sie mit Tränengas traktierte. Danach legte er Bomben in Synagogen, mordete und raubte. Bis zu seiner Festnahme brachte es Franklin auf mindestens 20 Morde, 16 Banküberfälle und zwei Bombenattentate. Larry Flynt wurde zum Opfer, weil er Bilder von einem Schwarzen beim Geschlechtsverkehr mit einer Weißen abdruckte – für Neonazi Franklin war das eindeutig zu viel.

Dabei hatte sich Flynt zum Zeitpunkt des Prozesses von seinem eigenen Treiben distanziert, das Firmenimperium leitete mittlerweile seine 24 Jahre alte Frau Althea. Das eigene Blatt «widere ihn von Zeit zu Zeit an», schrieben die NN. Flynt hatte da eine «christliche Wiedergeburt» gerade hinter sich. Ausgelöst wurde die religiöse Erweckung durch Ruth Stapleton, Schwester des damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter.

Doch die Bekehrung war nicht von Dauer und auch der Versuch, den Hustler zu einem christlichen Magazin umzumodeln, scheiterte am Veto seiner Frau. Immerhin warf das Blatt 20 Millionen Dollar im Jahr ab. Nach dem Attentat verlor Flynt bald das Interesse an Religion. Auf seine schmerzhafte Behinderung anspielend, schrieb er in seiner Autobiographie, er habe kein Interesse an einem Gott, der Menschen so leiden lasse wie ihn.

Stattdessen mischte er wieder in der Pornoszene mit und widmete sich dem Kampf für Meinungsfreiheit und gegen Zensur – ein Kampf, von dem Kritiker freilich sagen, er diene nur der straffreien Verbreitung seiner Sex-Hefte und -Videos.

In der Wanne ertrunken

Gleichwohl machte er immer wieder von sich reden. 1984 kandidierte er für die Präsidentschaft, 1987 ertrank seine Frau Althea, von Aids gezeichnet, in der Badewanne. Während des Amtsenthebungsverfahrens gegen Bill Clinton wegen der Lewinsky-Affäre lobte Flynt per Zeitungsanzeige eine Million Dollar aus für Hinweise auf außereheliche Beziehungen von US-Politikern.

Er hatte vor allem konservative Politiker im Sinn, denen er eine doppelte Moral vorwarf. 2000 Anrufer meldeten sich, darunter auch Mitarbeiterinnen einer Callgirl-Agentur, die prominente Politiker als Stammkunden outeten. Vor fünf Jahren schließlich wollte er Gouverneur von Kalifornien werden. Sein Programm: Das Glücksspiel ausbauen, besteuern und so den Haushalt sanieren. Gewählt wurde stattdessen Arnold Schwarzenegger.

So schillernd ist das Leben des Larry Flynt, dass ihm längst auch ein filmisches Denkmal gesetzt wurde. Milos Forman inszenierte 1996 den Film «Larry Flynt – Die nackte Wahrheit». Der Streifen, der Flynt allzu heroisch als hehren Freiheitskämpfer skizziert, fiel in den USA durch, in Europa aber wurde er ein großer Erfolg. Die Jury bei den Berliner Filmfestspielen sprach ihm sogar den Goldenen Bären zu. GEORG KLIETZ