Opfer von Autobahnschützen: "Dass ich hier sitze, ist ein Wunder"

18.8.2014, 17:47 Uhr
Auch am Montag erschien der wegen versuchten Mordes angeklagte Fernfahrer Michael K. vor dem Richter.

© dpa Auch am Montag erschien der wegen versuchten Mordes angeklagte Fernfahrer Michael K. vor dem Richter.

Die von einem Schuss auf der Autobahn getroffene Frau hat die Entschuldigung des angeklagten Fernfahrers zurückgewiesen. "Kein Geld der Welt wird das, was mir passiert ist, je wieder wettmachen", sagte die 45-Jährige am Montag vor dem Landgericht Würzburg im Hinblick auf eine angebotene Entschädigung. Eine Kugel hatte sie Ende 2009 auf der A3 bei Würzburg in den Hals getroffen.

Es ist der schwerwiegendste Fall in der jahrelangen Serie von Schüssen auf Fernstraßen. Der Fernfahrer aus der Eifel hatte beim Prozessauftakt Schüsse auf die Ladung von Lastwagen gestanden. Er sagte aber, dass er sich an Zahl und Ort der Taten in der Regel nicht erinnern könne.

"Die Tatsache dass ich hier sitze, dass ich hier her gelaufen bin, ist ein kleines Wunder", meinte die getroffene Frau bei ihrem Auftritt vor Gericht. Sie berichtete, dass sie den Schuss selbst am 10. November 2009 nicht realisiert hatte. Die 45-Jährige war damals auf einer Geschäftsreise. Sie erinnere sich nur noch an einen unheimlichen Krach und dass sie plötzlich schräg im Wagen lag. "Ich merkte dann, dass die Seitenscheibe nicht mehr vorhanden war und das Fahrzeug gegen die Mittelleitplanke schlug", sagte die Autofahrerin.

In den Hals getroffen

Sie war damals auf der Fahrspur in Richtung Nürnberg unterwegs. Der 58 Jahre alte Lastwagenfahrer soll von der Gegenrichtung aus vermutlich auf einen Autotransporter gezielt und die Frau in den Hals getroffen haben. Dabei hatte das Opfer viel Glück. Rechtsmediziner Thomas Tatschner vom Uniklinikum Würzburg sagte in dem Verfahren, dass der Steckschuss die Dornfortsätze der Wirbelsäule um Millimeter verfehlt und nur Weichteile verletzt habe.

Sie sei total verwirrt gewesen, erzählte die 45-Jährige. "Man macht sich auch selbst extreme Vorwürfe, weil man denkt: Habe ich jetzt nicht aufgepasst?" Die blutende Wunde am Hals hielt sie zunächst für eine Verletzung durch das gesplitterte Glas. Dass sie beschossen worden war, habe sie erst am nächsten Morgen im Krankenhaus erfahren - da wurden die zwei aus dem Nacken entfernten Metallteile als Projektilsplitter identifiziert.

171 Fälle vor Gericht

Der Lasterfahrer betonte in dem Prozess, er habe niemanden verletzen wollen. Die Verteidigung weist den Vorwurf des versuchten Mordes in fünf Fällen deshalb zurück. Insgesamt ist der Mann wegen 171 Fällen angeklagt. Jahrelang hatten Ermittler erfolglos nach dem Schützen gefahndet.

Beim ersten Treffen mit der Geschäftsfrau im Gerichtssaal entschuldigte der Lastwagenfahrer sich erneut: "Ich würde das ja gerne rückgängig machen", sagte er. "Sie waren nie das Ziel meiner Tat." Aus der Haft hatte er der Frau bereits einen Brief geschrieben.

Nach Darstellung der Polizei zeigen die Lkw-Mautdaten des Fernfahrers, dass er beim Angriff auf die Geschäftsfrau am Tatort gewesen sein kann. Er sei um 16.55 Uhr an der Anschlussstelle Nürnberg-Nord auf die Autobahn 3 Richtung Frankfurt gefahren, sagte eine Kriminalbeamtin. Bei einer Geschwindigkeit von gut 83 Stundenkilometern wäre er dann zur passenden Zeit bei Würzburg gewesen.

Bei der Fahndung brachte unter anderem die Erfassung von Millionen Kennzeichen den Durchbruch. Datenschützer sehen das kritisch. Und auch die Verteidiger des Autobahnschützen halten die Ergebnisse einer monatelangen Kennzeichenerfassung als Beweis für nicht verwertbar.

Der Artikel wurde am 18. August um 17.47 Uhr aktualisiert.

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