Landrat will Flüchtlinge aufnehmen

13.9.2020, 15:19 Uhr
Landrat will Flüchtlinge aufnehmen

© Foto: Aris Messinis/AFP

"Lieber Horst Seehofer", schreibt Eckstein an den Innenminister, "der Landkreis Roth hat sich in den vergangenen Jahren intensiv um Flüchtlinge und Asylbewerber gekümmert. Lange Zeit haben wir im Vergleich zur Einwohnerzahl sehr viele Menschen aufgenommen."

Wenn man, so der Landrat weiter, "die schlimmen Bilder aus Moria – und nicht nur von dort – sieht, ist der Landkreis Roth wie in der Vergangenheit bereit, anteilig freiwillig Menschen aus humanitären Gründen aufzunehmen und zu betreuen".

Dabei gehe es nicht um eine große Zahl von Flüchtlingen, betont Herbert Eckstein auf Nachfrage unserer Zeitung. "Wenn insgesamt von 400 Menschen die Rede ist, die untergebracht werden sollen, dann sind das vielleicht ein oder zwei Flüchtlinge, die bei uns ankommen." Trotzdem sei es wichtig, ein Zeichen zu setzen und nicht wegzuschauen. Eckstein: "Wenn ich diese Bilder sehe, kann ich nicht ruhig im Wohnzimmersessel sitzen." Erneut zeige sich: "Das Aussitzen des Problems funktioniert nicht." Die Verfahren an den Außengrenzen müssen gut und zügig laufen, fordert Eckstein. In seinem Brief an Seehofer hat er hinzugefügt: "Zu warten, bis Europa sich einigt, wird den Menschen vor Ort und in Griechenland nicht gerecht."

Eckstein hat mit dem Brief ähnlich wie einige Oberbürgermeister deutscher Städte ein Hilfsangebot gemacht, das der zögerlichen Haltung der Bundes- und EU-Politik zuvorkommt. Aber natürlich weiß auch er, dass einzelne Städte oder ein Landkreis allein nicht viel bewirken können bei der Lösung des Flüchtlingsproblems, das laut Eckstein "nach wie vor ein Megathema ist und durch die Klimakatastrophe noch verstärkt wird". Aber ihm sei jeder einzelne Mensch wichtig.

Dabei schiele er nicht dahin, ob jede und jeder mit seinem Vorstoß einverstanden ist oder ob der rechte Rand damit Zulauf erhalte. "Wenn ich danach entscheiden würde, hätte ich nicht Politiker werden dürfen."

Im Gegenteil: Er ist sicher, dass am Montag, wenn er ins Büro kommt, "schon viele Menschen Hilfe angeboten haben". So wie vor fünf Jahren auch, als der Landkreis die Hilfe "dank vieler Freiwilliger und Ehrenamtlicher" vergleichsweise viele Menschen aufnehmen und ihr Unterbringen gut bewältigen konnte.

Was der Landrat dabei gar nicht mehr erwähnt: Er war es, der schon im Jahr 2014 der damaligen Bundesverteidigungsministerin in einem Brief offen gedroht hatte. Die Zahl der Flüchtlinge in der Region war damals schon enorm und stieg täglich, die Zentrale Aufnahmeeinrichtung in Zirndorf war heillos überfüllt.

Um etwas gegen die "unwürdige Unterbringung" der Menschen zu unternehmen, appellierte Herbert Eckstein an Ursula von der Leyen, "endlich" die leerstehenden Gebäude in der Rother Kaserne als vorübergehende Unterkunft für Asylsuchende freizugeben. Erst zwei Jahre zuvor hatte das bayerische Sozialministerium diese Öffnung wegen mangelnder Strom- und Wasserversorgung sowie wegen des Schießplatzes untersagt. "Sehen Sie nicht die Probleme, sondern die Menschen, die menschenwürdig untergebracht werden müssen!", schrieb Eckstein Anfang September 2014 an die Ministerin. Andernfalls drohte er damit, die Gebäude zu beschlagnahmen.

Die Drohung des Landkreis-Chefs zeigte Wirkung: Die Otto-Lilienthal-Kaserne wurde als Dependance der Zentralen Aufnahmeeinrichtung Zirndorf geöffnet, zeitweise fanden fast 1500 Flüchtlinge Platz in den schnell umfunktionierten Gebäuden.

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