Warnstreiks der Metaller: Mehr Geld oder mehr Freizeit

10.3.2021, 15:03 Uhr
Warnstreiks der Metaller: Mehr Geld oder mehr Freizeit

© Tobias Tschapka

Die IG Metall fährt im sich anbahnenden Arbeitskampf auch in der Region mit kurzen Warnstreiks die Krallen aus.

Die Forderungen, die in Schwabach und Roth, aber auch bei ähnlichen Kundgebungen in Gunzenhausen und Weißenburg erhoben wurden und werden, sind deutschlandweit identisch: vier Prozent mehr Geld oder alternativ dazu mehr Freizeit bei gleichem Gehalt. Darüber hinaus eine Übernahmegarantie für Auszubildende und dual Studierende.


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Im Vergleich dazu kommt das Angebot der Arbeitgeber bislang recht bescheiden daher. Aufgrund der Pandemie soll es 2021 keine Lohnerhöhungen geben, um möglichst viel Beschäftigung halten zu können. Darüber hinaus sollen tariflich eigentlich zugesicherte Dinge wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld von der Ertragssituation der einzelnen Betriebe abhängig gemacht werden.

Warnstreiks der Metaller: Mehr Geld oder mehr Freizeit

© Foto: Robert Gerner

"Besonders hartleibige Arbeitgeber"

"In Bayern sind die Arbeitgeber heuer besonders hartleibig", schimpft Horst Schmitzberger, einer der zwei politischen Sekretäre der IG Metall Schwabach, bei der Kundgebung vor dem Niehoff-Gelände.

Nun ist der Maschinenbauer Niehoff zwar nicht Mitglied im Verband der Bayrischen Metall- und Elektroarbeitgeber. Aber die dort ausgehandelten Tarifverträge werden hier in der Regel übernommen.

Die Niehoff-Frühschicht hat die IG Metall zu einem knapp einstündigen Warnstreik aufgerufen. Gegen 9 Uhr kommen knapp 100 Beschäftigte aus den Werkhallen und Büros, um den Forderungen der Gewerkschaft mittels Trommeln, Rasseln und Klatschen Nachdruck zu verleihen.

Solche Kundgebungen sind auch in Corona-Zeiten erlaubt – mit FFP-2-Masken, mit reichlich Sicherheitsabstand zwischen den Warnstreikenden, dafür ohne das sonst übliche Gejohle und Gepfeife.

Schmitzberger schwört die Kolleginnen und Kollegen zum Zusammenhalten in schwierigen Zeiten ein. Er klagt, dass es zuletzt 2018 eine richtige Lohnerhöhung für die Metaller gegeben habe. Seitdem hätten sich die Arbeitgeber mit Einmalzahlungen durchgewurstelt.

Jetzt müsse wieder mehr herausspringen, trotz oder gerade wegen Corona. Schließlich hätten die Arbeitgeber unter schwierigsten Rahmenbedingungen überdurchschnittliches geleistet. Das müsse auch honoriert werden. Die Gewerkschaft setze dabei auf möglichst große Flexibilität. Die Beschäftigten sollen die Wahl haben, ob sie lieber mehr Geld bekommen wollen – oder bei gleichem Geld etwas weniger arbeiten wollen. "Das entspräche ungefähr zehn zusätzlichen freien Tagen im Jahr", erklärt der IG-Metaller.

Warnstreiks der Metaller: Mehr Geld oder mehr Freizeit

© Foto: Robert Gerner

Daumenschrauben deutlich anziehen

Und wenn die Arbeitgeber nicht drauf eingehen? Schmitzberger sagt, dass man mit den Warnstreiks deutlich machen wolle, dass man kampfbereit sei. Nach Ostern könne man dann die Daumenschrauben deutlich anziehen, so wie man es auch in der Vergangenheit immer wieder gemacht habe. "Wir sind auch in der Lage, ganze Werke nicht nur für eine halbe Stunde zu stören, sondern können sie für 24 Stunden komplett stillzulegen.

So weit muss es aber nicht kommen. Horst Schmitzberger hofft vor allem auf die Tarifpartner in Baden-Württemberg: "Dort sind in den letzten Jahren immer Kompromisse gefunden worden, die in den anderen Bundesländern übernommen wurden."

Während die Verhandlungen feststecken, machen unter dem Motto "Beschäftigung, Zukunft und Einkommen sichern – mit einem Volumen von vier Prozent" auch in Roth die Beschäftigten in der Metallindustrie Druck mit einer Warnstreik-Aktion.

Bei Leoni in der neuen Fabrik der Zukunft sind die Metaller spätabends auf die Straße gegangen. An der Lände versammelten sich am Dienstagabend ab 21.30 Uhr etwa 75 Beschäftigte zunächst vor den Toren des neuen Werks, dann startete ein Autokorso mit etwa 35 Fahrzeugen Richtung Innenstadt zum "alten" Gelände des Draht-, Kabel- und Bordnetzeherstellers.

Der Autokorso sollte "den Bezug zwischen neuem und altem Werk herstellen", erklärt Benedikt Hauth, der Leiter des Vertrauenskörpers der IG Metall bei Leoni. Er hat die Warnstreik-Aktion geplant und organisiert, der Zeitpunkt dafür war absichtlich genau auf den Schichtwechsel zwischen der Abend- und der Spätschicht gelegt. Das Ziel: So konnten viele Kolleginnen und Kollegen aus beiden Schichten daran teilnehmen. Und Hauth merkt es der Stimmung im Betrieb an: "Die Streikbereitschaft ist sehr, sehr hoch."

Durch Corona habe man es den Arbeitnehmern "nicht gerade leicht gemacht", ihre Forderungen auch mit Warnstreiks zu bekräftigen. Denn die Anforderungen an Hygiene und Sicherheit sind besonders hoch, und wir wollen natürlich nicht zum Superspreader werden", sagt Hauth. Aber die Gewerkschaft hat dem Landratsamt ein detailliert ausgearbeitetes Hygienekonzept vorgelegt, allen Teilnehmenden hat die IG Metall FFP2-Masken zur Verfügung gestellt, die Sicherheitsabstände wurden genau eingehalten, eigene Ordner waren vor Ort, "und die Polizei hat auch genau aufgepasst".

Zu trinken gab es natürlich nichts, "Versorgung war nicht erlaubt", berichtet Hauth. Aber ausgestattet mit Informationsmaterial und hoch motiviert, konnten sich die Streikenden an den Feuertonnen wärmen. "Die Stimmung war sehr gut."

Den Grund für die große Streikbereitschaft sieht Gewerkschafter Hauth auch in Corona: "Im vergangenen Jahr mussten viele Kolleginnen und Kollegen, die in Kurzarbeit waren, auf einen Teil ihres Gehalts verzichten. Für viele steht da sehr viel auf dem Spiel."

Außerdem sei die Wut über das Gegenangebot der Arbeitgeberseite groß. "Das war gelinde gesagt eine Katastrophe", urteilt Hauth. Die Gewerkschaftsforderung heiße bewusst vier "Volumenprozent", dass also nicht unbedingt vier Prozent mehr Geld rausspringen müssen, aber dass es etwa bei verkürzter Arbeitszeit auch einen Teillohnausgleich geben könnte.

Für ganz wichtig hält er auch die Jugendforderung: Übernahme für alle Auszubildenden und die Aufnahme der digital Studierenden in den Tarifvertrag. Das sei nämlich in der jüngsten Novelle des Bundesbildungsgesetzes "leider noch nicht passiert".

Viel schlechtere Verhandlungsposition

Die "Katastrophe" im Gegenangebot der Arbeitgeberseite sehen die Arbeitnehmer vor allem darin, dass die tariflichen Zusatzleistungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld künftig im jeweiligen Unternehmen mit dem Betriebsrat ausgehandelt werden sollen. "Der lokal begrenzte Betriebsrat eines einzelnen Unternehmens hat aber eine viel, viel schlechtere Verhandlungsposition als die gesamte Gewerkschaft mit mehreren Millionen von Beschäftigten." Auf so eine Forderung, so Hauth, "können wir gar nicht eingehen". Auch deshalb bleibt er zuversichtlich, dass die Arbeitnehmer weiter dabei und die Motivation zum Streik "sehr hoch bleibt".

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