Ruf nach neuen Ermittlungen zu Wiesn-Attentat

24.9.2010, 17:11 Uhr
Ruf nach neuen Ermittlungen zu Wiesn-Attentat

© dpa

Der SPD-Politiker und frühere Münchner Kreisverwaltungsreferent Klaus Hahnzog sagte der Nachrichtenagentur dpa: »Eine Wiederaufnahme ist aus meiner Sicht überfällig.» Politiker und Opfervertreter zweifeln an, dass der Rechtsextremist Gundolf Köhler, den die Justiz damals als Einzeltäter präsentierte, die Tat tatsächlich alleine verübt hat. An diesem Sonntag wollen zum 30. Jahrestag des Attentats Vertreter der Stadt München und der DGB- Jugend der Opfer gedenken. Unter anderem wird Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) sprechen.

»Rechtsstaat bedeutet im Strafrecht, die Wahrheit herauszufinden», sagte Hahnzog, der auch bayerischer Verfassungsrichter ist. Dies wiederum solle dem Rechtsfrieden dienen. »Es ist klar, dass die Leute wissen wollen: Was war da eigentlich, wer war es. Nicht aus Rachegefühlen, sondern für den inneren Frieden.»

Mehr als 200 Verletzte

Es gehe auch um mögliche Verbindungen der Geheimdienste zur rechtsextremen Szene, erklärten die Grünen. »30 Jahre nach dem größten Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist es endlich an der Zeit, dieses Verbrechen in seiner Gesamtheit und all seinen Hintergründen aufzuklären», sagte Sepp Dürr, Sprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus laut Mitteilung. »Die Bundesebene muss die Sache in die Hand nehmen, weil die bayerische Staatsregierung hier mauert.»

Bei dem Attentat am 26. September 1980 starben 13 Menschen, unter ihnen Köhler. Es gab mehr als 200 Verletzte. Nach zwei Jahren kam der Fall zu den Akten. Die Bundesanwaltschaft ließ offen, ob sie das Motiv des früheren Anhängers der später verbotenen rechtsextremistischen »Wehrsportgruppe Hoffmann» in persönlichen Problemen oder Unzufriedenheit mit den politischen Verhältnissen sieht.

»Ich glaube eher, dass es eine gewisse Schludrigkeit war»

Trotz widersprüchlicher Zeugenaussagen und ungeklärter Fragen vernichtete die Bundesanwaltschaft 1997 in amtliche Verwahrung genommene Asservate. Für Hahnzog ist dieser Schritt »besonders unverständlich, ein Skandal». »Das widerspricht den Normalabläufen.» Auch andere Fälle seien nach vielen Jahren wiederaufgerollt worden. Erst im März sei ein Mann zu lebenslanger Haft verurteilt worden, weil er 1981 die kleine Ursula Herrmann entführte. Sie erstickte in einer im Wald vergrabenen Kiste. Auch noch länger zurückliegende RAF-Fälle würden wieder aufgenommen, sagte Hahnzog mit Blick auf den Prozess gegen die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker, die sich vom 30. September an wegen des Mordes an Generalbundesanwalt Siegfried Buback vor 33 Jahren verantworten muss.

Trotzdem kann sich Hahnzog kaum vorstellen, dass die Beweisstücke, darunter 40 Zigarettenkippen unterschiedlicher Marken aus Köhlers Auto sowie ein Stück einer abgerissenen und keinem Opfer zuzuordnenden Hand, aus Kalkül vernichtet wurden. »Ich glaube eher, dass es eine gewisse Schludrigkeit war – und das Bestreben, endgültig Ruhe zu haben.»