„Kein Ausbildungscamp für Firmenteams“

29.12.2012, 09:00 Uhr
„Kein Ausbildungscamp für Firmenteams“

© Grosser

Wie mehrfach berichtet, war der BTV wegen eines eskalierten Konflikts um Beitragszahlungen aus der DTU ausgeschlossen worden. Somit bestand die Gefahr, dass die Startpässe des BTV nur noch für Bayern gelten und sich betroffene Athleten entweder bei anderen Landesverbänden Startpässe besorgen oder teure Tageslizenzen lösen müssen, wenn sie bei deutschen Meisterschaften oder für einen Bundesliga-Verein starten wollen.

Inzwischen hat sich das Klima zwischen Bundes- und Landesverband zwar wieder entspannt, weil der für den Streit maßgeblich verantwortliche BTV-Präsident Peter Pfaff abgelöst wurde und sein Nachfolger Tobias Heinze Bayerns Triathleten wieder in die DTU zurückführen will (Karre aus dem Dreck ziehen), einige Strukturen sind jedoch bereits beschädigt worden. Und unter anderem der Landesverband Baden-Württemberg profitierte davon, verkauft Startpässe an finanzkräftige Firmenmannschaften wie das Team Erdinger und verdient laut Jürgen Schmidt, dem Triathlon-Abteilungsleiter der TSG 08 Roth, recht gut damit.

„Da hat sich der Triathlon-Sport zur Gelddruck-Maschine entwickelt“, zieht Schmidt ein etwas bitteres Fazit, denn die TSG hat auf diese Weise schon eine ganze Reihe von Leistungsträgern verloren. Nun unter anderem an das Team Arndt, für das in der kommenden Saison Fabian Conrad, Tobias Matulla und Manuel Weber starten werden.

Bislang war das Sicherheitsunternehmen aus Fürth, das unter anderem den Challenge Roth unterstützt, auch ein Sponsor des Rother Vereins, hat sich aber zurückgezogen. Auch sportlich geht das Team Arndt jetzt eigene Wege, nachdem Conrad und Matulla zusammen mit Florian Lechner und Lasse Ibert als Team tenty.six das Race across America gewonnen haben und nun im Triathlon als Firmenteam für Furore sorgen wollen.

Darüber hinaus ist Simon Weiß seinem Bruder Felix zum TV Buschhütten gefolgt, sodass die TSG 08 Roth nun nicht mal mehr ansatzweise genügend leistungsstarke Athleten für eine Bundesliga-Mannschaft hat. Denn auch Bernd Eichhorn, das langjährige Aushängeschild der Abteilung, steht nicht mehr zur Verfügung. Das Langstrecken-Ass, das immer wieder mal bei den Sprint-Rennen der 2. Bundesliga aushalf, hat sich inzwischen aus dem Wettkampfgeschehen zurückgezogen.

„Bei den Damen ist es uns leider auch nicht gelungen, eine Liga-Mannschaft zu etablieren. Personell hat es hinten und vorne nicht gereicht“, bedauert Schmidt, der die aktuelle Entwicklung mit gemischten Gefühlen beobachtet. Auf der einen Seite bringen finanzkräftige Sponsoren wie die Erdinger-Brauerei viel Geld in den Sport und steigern dadurch im Spitzenbereich die Attraktivität für Athleten, Veranstalter und Medien, auf der anderen Seite „kaufen“ sie Vereinen wie der TSG 08 Roth ihre besten Leute weg.

„Wir möchten aber auch ganz gerne mal die Ernte einfahren für die jahrelange Förderung unserer Talente“, fordert der Rother Triathlon-Funktionär. Zwar gebe es ähnlich wie im Fußball eine Ausbildungsabgabe, doch die ist nach Schmidts Ansicht nicht gerade hoch. Und das Geld sei in diesem Fall nur ein Nebenaspekt; viel wichtiger sei es, dass die Sportler auch mal bei ihrem Heimatverein bleiben und ihm durch ihre Erfolge entsprechende Reputation verschaffen.

Von Trainern gefördert

Die Führungsmannschaft der Rother Triathlonabteilung überlegt nun, wie sie auf diese Entwicklung reagieren kann, denn nur ein „Ausbildungscamp“ für Firmenmannschaften wolle man nicht sein. Zurzeit werden bei der TSG etwa 80 Kinder und Jugendliche von einer Vielzahl von Trainern und Betreuern gefördert, was laut Jürgen Schmidt ja auch eine ordentliche

Stange Geld kostet – zum Beispiel fressen alleine die Gebühren für Hallen- und Schwimmbadnutzung einen beträchtlichen Teil des Abteilungsetats auf.

Alles in allem befürchtet Jürgen Schmidt eine ziemlich gefährliche Entwicklung für den deutschen Triathlon: „Irgendwann werden die Topteams verhungern, weil aus den Vereinen kein Nachwuchs mehr kommt“, prophezeit er und führt als abschreckendes Beispiel den Schwimmsport an. Da gingen nach jahrelangen Fehlentwicklungen die deutschen Athleten bei den Olympischen Spielen in London ja ziemlich baden.

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