Stadt unterstützt Aktion

Bruder bei Erdbeben verloren: Menschen aus Altmühlfranken helfen in Türkei und starten Spendenaktion

Jürgen Eisenbrand

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Theresa Maurer

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15.2.2023, 06:00 Uhr
Menschen gehen durch die Trümmer ihres Viertels in Antakya in der Region Hatay: Für Menschen in dieser schwer betroffenen Region wird in Gunzenhausen Geld gesammelt.  

© Boris Roessler, NN Menschen gehen durch die Trümmer ihres Viertels in Antakya in der Region Hatay: Für Menschen in dieser schwer betroffenen Region wird in Gunzenhausen Geld gesammelt.  

Wenn Suzi Streckel über das Inferno spricht, kostet sie es erkennbar viel Kraft, gefasst zu bleiben. Die Frau mit den türkischen Wurzeln schildert das Ausmaß der Zerstörungen, spricht von täglich bis zu 50 Nachbeben, nennt Opferzahlen, von denen sie selbst sagt, dass sie in wenigen Stunden schon wieder nach oben korrigiert werden müssen.

Den Leichnam des Bruders bergen

Sie wirkt dabei angestrengt gefasst. Aber wenn sie auf Nachfrage von Todesfällen in der eigenen Familie spricht, von Mitarbeitern, die ins Katastrophengebiet gereist sind, um den verschütteten Bruder zu retten, und jetzt dort ausharren im Wissen, nur noch seinen Leichnam bergen und begraben zu können, dann bricht ihre Stimme doch. Und man merkt, wie sehr sie all das belastet.

Doch die Büchelbergerin, die mit Ehemann Stefan fünf McDonald’s-Restaurants in der Region führt und 150 Mitarbeiter beschäftigt, leidet und klagt nicht nur - sie will auch etwas tun. Zusammen mit Rechtsanwalt Holger Pütz-von Fabeck haben sich die Streckels an Bürgermeister Karl-Heinz Fitz gewandt und Möglichkeiten einer Kooperation ausgelotet.

Promptes Ergebnis: "Die Stadt Gunzenhausen startet einen sinnvollen, zielgerichteten Spendenaufruf", sagt der Rathaus-Chef in einem eilig angesetzten Pressegespräch am Montagabend. Er fühle sich als Stadtoberhaupt "in der Verantwortung zu helfen", und deshalb habe die Stadt ein Konto eingerichtet, auf das die Bürger ihre Spenden überweisen könnten (Kontodaten siehe unten). Zwar könne die Stadt selbst keine Spendenquittungen ausstellen, fügt Fitz noch hinzu. Aber er erinnerte daran, dass der Bund im Fall von Spenden an die Ukraine diese auch ohne als steuermindernd anerkannt habe.

"Ahbap genießt beste Reputationen"

Das gesammelte Geld soll nach dem Willen der Initiatoren in die besonders stark betroffene Region Hatay fließen, die an die nordwestlichste Ecke Syriens grenzt. "Eine der Wiegen des Christentums", nennt Suzi Streckel dieses Gebiet, in dem zwei Millionen Menschen unterschiedlichsten Glaubens und verschiedenster Weltanschauungen leben. "Hier ging es schon immer kunterbunt zu", sagt sie "Religionsfreiheit war und ist selbstverständlich." Sie wisse von "mindestens 15 Familien in Gunzenhausen, die aus dieser Gegend stammen und noch Verwandte dort haben", sagt Suzi Streckel. Ihre eigene Cousine sei zur Zeit des Bebens vor Ort gewesen "und nur mit knapper Not entkommen".

Sie stehen hinter "Gunzenhausen hilft": Bürgermeister Karl-Heinz Fitz, Suzi und Stefan Streckel sowie Holger Pütz-von Fabeck (von links).  

Sie stehen hinter "Gunzenhausen hilft": Bürgermeister Karl-Heinz Fitz, Suzi und Stefan Streckel sowie Holger Pütz-von Fabeck (von links).   © Teresa Biswanger/Stadt Gunzenhausen, NN

Um zu gewährleisten, dass die Hilfe auch tatsächlich dort ankommt, haben sich die Gunzenhäuser Spendensammler die Organisation Ahbap des Musikers Haluk Levent als Empfänger ausgesucht. "Eine Non-Profit-Organisation, die von dem Künstler 2017 gegründet wurde, weil er nicht mehr zusehen wollte, wie Geld versickert", sagt Suzi Streckel. Und Jurist Pütz-von Fabeck fügt hinzu: "Natürlich besteht bei jeder Organisation eine gewisse Gefahr. Aber wir mussten schnell entscheiden, und Ahbap genießt beste Reputationen."

Die Organisation sei "klein, flexibel und ortskundig", schildert Suzi Streckel, deshalb könne sie "gezielt helfen" - ohne auf die Religion oder die politische Haltung der Notleidenden zu schauen: "Egal, welche Partei jemand wählt, das Leid steht im Vordergrund." Ein wichtiges Kriterium für die Wahl von Ahbap sei auch Transparenz gewesen. "Wir bekommen Rückmeldungen, wohin das gespendete Geld geflossen ist", verspricht Streckel. Über einen Live-Tracker auf der Website der Organisation könne man jederzeit verfolgen, wo deren Helfer gerade im Einsatz seien.

"Ich fühle mich hilflos und habe Angst"

Die Erdbeben in Syrien und der Türkei erschüttern viele Menschen in der Region. Manal Alkhayat ist gebürtige Syrierin und lebt seit 2015 gemeinsam mit ihrem Mann Mahmoud Khadra in Gunzenhausen. Die Ereignisse in der Katastrophenregion belasten sie sehr: "Ich bin so weit weg, fühle mich hilflos und habe große Angst."

Hilflos und ängstlich: Manal Alkhayat, Syrerin aus Gunzenhausen.  

Hilflos und ängstlich: Manal Alkhayat, Syrerin aus Gunzenhausen.   © Theresa Maurer, NN

Freunde und Bekannte von Manal, die vor Ort leben, geben ihr täglich Updates über die Situation in Syrien. Die Betroffenen haben fast all ihre Besitztümer verloren, und wegen der Zerstörungen gibt es kaum einen Zugang zu Strom oder Gas. "Es ist sehr kalt, die nächsten Tage soll es schneien, und die Betroffenen müssen in der Kälte ohne Geld, warme Kleidung und ohne einem Dach über dem Kopf irgendwie versuchen zu überleben."

Manal Alkhayat, die das "Manal Food House" am Gunzenhäuser Bahnhof betreibt, spürt trotz der vielen schlechten Nachrichten aus Syrien Hoffnung: "Es ist schön zu sehen, wie viel Unterstützung Syrien und die Türkei weltweit bekommen." Dabei sei es egal, ob die Hilfe in Form von Geld, Sachspenden oder durch Hilfskräfte vor Ort geschehe: "Auch durch die Solidarität und Anteilnahme der Mitmenschen fühlt man sich nicht so allein."

Bitte um viele Spenden

Holger Pütz-von Fabeck, der für die Spendenaktion "Gunzenhausen hilft" den Kontakt ins Rathaus herstellte, lobte Bürgermeister Fitz für dessen Engagement: Es sei "gar nicht hoch genug einzuschätzen, dass er mit seinem schnellen Handeln auch ein gewisses Risiko eingeht", sagte der Anwalt. Und er appellierte an die Gunzenhäuser, die private Spendeninitiative kräftig zu unterstützen: "Gerade im Jubiläumsjahr würde es der Stadt und ihren Bürgern gut anstehen, einer Region zu helfen, in der Chaos und Tod herrschen."

Das Spendenkonto ist bei der Sparkasse Gunzenhausen eingerichtet, IBAN DE19 7655 1540 0000 1007 43; Stichwort: "Gunzenhausen hilft". Weitere Infos: www.ahbap.org

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