Ausbildungszentrum für Waisenkinder

Wasser und Bildung als Schlüssel: Afrika-Hilfe aus Weißenburg und Roth

2.7.2016, 07:59 Uhr
Wasser und Bildung als Schlüssel: Afrika-Hilfe aus Weißenburg und Roth

© Patrick Shaw

Normalerweise sind die Pisten vom Kenyatta Airport nach Juja staubig und die Autos rot von der kenianischen Erde. Doch die kleine Reisegruppe, die vom Flughafen in den Vorort der 100.000-Einwohner-Stadt Thika will – die wiederum auch nur ein Anhängsel des Molochs Nairobi ist – bräuchte an diesem Tag eher ein Boot. Nach Jahren der Dürre regnet es wie aus Eimern, als die kleine Delegation aus Mittelfranken das Taxi zum Emmanuel Centre nimmt. So heißt das Aids- und Kriegswaisendorf der Dominikaner-Schwestern nahe dem Highway 2, der immer weiter nach Norden bis an die äthiopische Grenze führt.

Früher regnete es häufiger in Kenia. Darin sind sich die Nonnen und die Einheimischen einig. Nicht umsonst ist das ostafrikanische Land der weltgrößte Blumen-Exporteur und die Region Thika bekannt für ihre Ananas. Den Regen, der nun herunterprasselt, kann die ausgedörrte Erde aber nicht aufnehmen. Entsprechend katas­trophal sind die ohnehin miserablen Straßenverhältnisse. Was in Kenia ein Schlagloch ist, geht in Deutschland als mittlerer Dorfweiher durch.

Der Besuch der Rotarier hat indirekt mit diesen Verhältnissen zu tun. Denn Ausbildung ist schön und gut, aber um sie zu erhalten, müssen die jugendlichen Waisen des Emmanuel Centre und der anderen Einrichtungen der Dominikanerinnen erst einmal ins einige Kilometer außerhalb der Stadt gelegene „Technical and Agricultural Training Institute“ (kurz TATI) kommen. Bisher gab es dafür nur einen einzigen, altersschwachen Pickup, auf dessen Ladefläche sich an manchen Tagen 20 oder mehr Schüler und Lehrer drängten. Das war nicht nur verboten, sondern auch gefährlich.

Wasser und Bildung als Schlüssel: Afrika-Hilfe aus Weißenburg und Roth

© Patrick Shaw

Abhilfe schafft nun ein nagelneuer Schulbus. Mehr als 56.000 Euro haben die drei beteiligten Rotary Clubs dafür gesammelt – inklusive Umbau für die örtlichen Straßenverhältnisse, Garage sowie Versicherung für drei und Lohnkosten des Fahrers für zwei Jahre. Mit einem bewegenden Empfang samt Gottesdienst im TATI übergaben die fünf Clubvertreter das Fahrzeug vor Ort an die Ordensschwestern.

Die Jugendlichen, die im Ausbildungszentrum für ihre berufliche Zukunft lernen, kommen teils aus den umliegenden Dörfern, teils aus den Waisenhäusern der Dominikanerinnen, die sie verlassen müssen, wenn sie erwachsen werden. Eines ist das von der deutschen Schwester Luise Radlmeier geleitete Emmanuel Centre (siehe Infokasten). Für kenianische Verhältnisse haben es die Kinder dort sehr gut. In jedem der sechs Häuser ist ein gutes Dutzend zusammen mit einer „Hausmutter“ untergebracht. Im nahen St. Monica Children Home sind es bis zu 50 – pro Zimmer! Wie ein Wald aus Pfosten und Matratzen reiht sich dort Stockbett an Stockbett.

Dennoch haben auch die behüteteren Schützlinge von Schwester Luise später nur wenig Aussichten auf einen Job und ein besseres Leben. Sieben von zehn Jugendlichen im Großraum Nairobi haben keine Ausbildung, die meisten flüchten in Alkohol oder Drogen und werden kriminell.

Hilfe soll nachhaltig sein

Hier setzt das TATI mit seinen Lehrwerkstätten an. Nach acht Jahren Projektphase und Gesamtkosten von rund 1,7 Millionen Euro steht es inzwischen nahezu auf eigenen Füßen. Nachhaltig soll es nach dem Willen der Hauptspender sein. Dies sind die Rotary Clubs Roth und Weißenburg mit dem ehemaligen Distriktgovernor Helmut Mader aus Hilpoltstein als Vater des Projekts, der Rotary Distrikt 1950 und das Bundesentwicklungsministerium.

Unterhalt, Schülerverpflegung und die Gehälter der 35 Mitarbeiter soll die Einrichtung selbst erwirtschaften. Mit den Produkten und Dienstleis­tungen von Schreinerei, Schneiderei, Schlosserei und Elektrowerkstatt, des Friseur­salons sowie vor allem mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen wie Eiern, Milch und Obst gelingt das derzeit schon fast. Ziel ist es, jährlich rund 150 Jugendlichen eine Berufsausbildung zu ermöglichen.

Wasser und Bildung als Schlüssel: Afrika-Hilfe aus Weißenburg und Roth

© Patrick Shaw

Ein großes Problem macht sich jedoch immer drückender bemerkbar: der Wassermangel. Die beiden 160 Meter tiefen Brunnen, die Rotary beim Bau des Zentrums hat bohren lassen, versanden zusehends. Nach nicht einmal acht Jahren liefern sie kaum noch ein Zehntel der ursprünglichen Wassermenge. Schuld sind die Dürre infolge des Klimawandels und der Raubbau an der wichtigsten natürlichen Ressource. Durch die intensive Nutzung sinkt der Grundwasserspiegel Meter für Meter, Jahr für Jahr.

Ohne Wasser jedoch keine Landwirtschaft und auch kein Ausbau der einträglichen Geflügelzucht, die der Schlüssel zur Selbstversorgung des Ausbildungszentrums sein könnte. Deshalb streben die drei benachbarten Rotary Clubs nun ein weiteres Folgeprojekt an und wollen einen neuen, 250 Meter tiefen Brunnen bauen. Dort unten befindet sich nämlich Geologen zufolge ein riesiger See, dessen Tiefenwasser nicht nur für das TATI auf Jahrzehnte hinaus reichen würde.

Partner, um die rund 27.000 Euro teure Bohrung durchzuführen, ist der örtliche Rotary Club in Thika. Durch das Netzwerk und die internationalen Standards der Rotarys geht so kein Cent an Verwaltungskos­ten oder durch Korruption verloren. „Außerdem wissen die Einheimischen am besten, was sie brauchen und wie diese Dinge funktionieren“, ist Thomas Wirkner vom Weißenburger Club überzeugt. Vertrauen in die Fähigkeiten der Menschen vor Ort sei der erste Schritt, um tatsächlich „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu leisten.

Hintergrund: Ein Leben in und für Afrika

Im Jahr 2007 gründete die Dominikaner-Schwester Luise Radlmeier aus dem niederbayerischen Pfeffenhausen das Emmanuel Centre. Die heute 79-jährige Nonne ist seit ihrem 19. Lebensjahr als Missionarin und Sozialarbeiterin in Afrika tätig. Die sechs Häuser samt Bäckerei und Brunnen in der kenianischen Kleinstadt Juja sind seither das Zuhause für knapp 50 ehemalige Kindersoldaten, Aidswaisen, Findelkinder und Flüchtlinge aus Kenia, Somalia, Äthiopien, Uganda und dem Sudan.

Wasser und Bildung als Schlüssel: Afrika-Hilfe aus Weißenburg und Roth

© Patrick Shaw

Das Waisendorf ist aber nur ein kleiner Teil der Mission Thika, die maßgeblich von der katholischen Pfarrei St. Marien in Katzwang unter der Betreuung von Dr. Paul Festl, der Emanuel-Wöhrl-Stiftung sowie Rotary und Lions International finanziert wird. Zu ihr gehören noch ein weiteres Waisenhaus, eine Schule, ein Kindergarten und eine Poli­klinik. Mehr als 2000 Kinder und alte Menschen versorgen die Ordensschwes­tern hier täglich mit Nahrung, Kleidung und ärztlicher Hilfe.

Weitere Informationen online unter www.weissenburg.roweb1950.de, www.rotary-roth.de oder
www.missionthika.wordpress.com

Spendenkonten:

Rotary Hilfswerk Weißenburg e.V.,
IBAN DE72 7642 0080 0348 4956 23
Rotary Hilfswerk Roth e.V.,
IBAN DE98 7608 0040 0598 8500 00

Keine Kommentare