Weihnachtsfest während Corona: Geselligkeit oder Gesundheitsschutz?

4.12.2020, 05:56 Uhr
Da haben wir den Braten! Denn ob Weihnachten mit Jung und Alt dieses Mal möglich ist, weiß noch niemand so genau. Denn was legal ist, gefällt längst nicht allen.

© Foto: Basilico Studio Stock/shutterstock.com Da haben wir den Braten! Denn ob Weihnachten mit Jung und Alt dieses Mal möglich ist, weiß noch niemand so genau. Denn was legal ist, gefällt längst nicht allen.

Wie wird Weihnachten dieses Jahr nur werden? Die Frage klingt einfacher als sie ist. In Zeiten von Corona wird sie plötzlich für viele zur Gewissensfrage: Was ist uns am Heiligen Abend wichtiger, Geselligkeit oder Gesundheitsschutz? Wie viel festliche Freude im Familien- oder Freundeskreis darf sein und wo beginnt verantwortungsloses Verhalten?

Manche Familie zerbricht an dem Konflikt noch vor dem Fest. Andere freuen sich heimlich über freie Tage ohne Verwandte. Chronisch Kranke bleiben vielleicht lieber allein. Und wieder andere ringen um die beste Lösung für alle. Diskussionen darüber gibt es beispielsweise bei Familie Lauer schon länger, ob mit den Großeltern im Garten, in der Whatsapp-Gruppe, bei digitalen Treffen oder daheim. Dabei sind die Lauers eine Vorzeigefamilie — nett, hilfsbereit, sozial. Und dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, hat hier jedes Mitglied seine ganz eigene Meinung, wie das Fest dieses Jahr ablaufen soll.

Nur mit Oma und Opa

Für Tochter Anne steht fest: Niemals ohne Oma und Opa! "Das ist einfach Tradition, ich kenne es nicht anders", sagt die 19-Jährige. Sie wolle dieses Ritual "auf keinen Fall wegen einem blöden Virus" verlieren. Jugendlicher Leichtsinn? Falsch. Sie ist Rettungssanitäterin, kennt das gefürchtete Virus gut. "Das Schlimmste ist, ich würde meine Großeltern anstecken", betont sie.

Umso mehr hofft sie, dass das große Fondue-Essen am ersten Weihnachtsfeiertag mit viel Abstand, mit Lüften und notfalls mit Maske funktionieren kann. "Wir alle suchen nach einer gescheiten Lösung, die es am Ende doch nicht gibt", sagt sie.


Auch an Silvester: Söder erwägt strengere Kontaktbeschränkungen


"Wir alle" – dass sind bei den Lauers zusammengezählt zehn Menschen aus drei Haushalten: die Großeltern, deren zwei Töchter mit Männern und vier große Kinder. Mit der Zahl bewegt sich die Familie vollkommen im Bereich des Erlaubten. Treffen mit bis zu zehn Personen aus verschiedenen Haushalten sind in Bayern an den Festtagen zulässig, unter 14-Jährige nicht mitgezählt.

Ministerpräsident Markus Söder, sonst ein Verfechter strikter Corona-Regeln, findet an Weihnachten gar, es gehe es darum, "einmal den Wert der Familie zu schätzen". Also wenn sogar Hardliner so reden, warum dann nicht feiern? Andere Bundesländer erlauben schließlich Hotelübernachtungen für Familienbesuche. Die Bahn stockt an den Festtagen extra ihre Sitzplätze auf.

Dennoch bleiben die Fragen: Reichen Hygienemaßnahmen und Eigenverantwortung am Ende aus? Oder bezahlen wir das Treffen danach besonders bitter?

Rein rechnerisch brächte es manche Verwandtschaft nämlich auf eine Gruppengröße von 30 Menschen, weil jüngere Kinder nicht mitzählen. Das käme einer der viel zitierten Corona-Partys gleich. Schon bremsen die Ersten besorgt. Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ruft dazu auf, sich genau zu überlegen, wie und ob man Weihnachten feiern wolle. "Das Zusammensein mit Freunden und der Familie ist es nicht wert, sie oder sich selbst einem Risiko auszusetzen", meint Tedros Adhanom Ghebreyesus.

"Die Ältesten sollen entscheiden"

Mit dieser Aussage könnte Alexia, Annes Mutter, gut leben. Wären da nicht die Anderen. "Es bricht mir kein Zacken aus der Krone, wenn Weihnachten mal ausfällt. Und es ist eine Ausnahmesituation", sagt sie. Die 51-Jährige ist Konrektorin einer Beruflichen Schule in Nürnberg und gehört zur vorsichtigen Fraktion. "Ich hatte ja immer auf die Politik gehofft, dass die uns das Feiern verbietet", sagt sie lachend. Nun aber baut sie auf den Entschluss ihrer Eltern. Die 73-Jährigen wären am meisten gefährdet und sollten deshalb entscheiden.

Die beiden Senioren haben offenbar längst einen Entschluss gefasst. Während die Jungen noch das Für und Wider diskutieren, Corona-Studien zitieren und Zahlen hervorziehen, hat der Großvater Fakten geschaffen: Ein drittes Fondue-Gerät sei bereits bestellt, sagt er. Zwei Tische sollen im großen Wohnzimmer zur Tafel aufgestellt werden, so dass die 1,50 Meter Mindestabstand machbar sind. Außerdem will der Gastgeber alle Fenster zum Lüften aufreißen. Zur Not käme auch ein selbst gekaufter Schnelltest in Frage. "Ja freilich sind wir gefährdet, aber ich glaube, wenn man sich vernünftig verhält, wird sich das Risiko in Grenzen halten", sagt er optimistisch. Weihnachten ohne Enkel oder per Videoschalte? "So ängstlich sollte man nicht sein", findet der 73-Jährige.

Doch was viel wichtiger bei dieser Familie scheint, Weihnachten Hin- oder Her: "Wir haben immer eine angenehme Kommunikation miteinander, wir akzeptieren die Meinung des Anderen und begegnen uns mit Respekt", sagt der Opa stolz und schiebt schmunzelnd hinterher: "Auch wenn ich mir da manchmal sehr auf die Zunge beißen muss."

Verwandte Themen