Ein echtes Sch...thema

16.7.2017, 13:24 Uhr

Letzthin kam ich im Zug von Weißenburg nach Nürnberg neben zwei Jugendlichen zu sitzen. Anfangs ärgerte mich deren lautes Gequatsche, das den Waggon wie ein lästiger Wespenschwarm durchschwirrte, aber schon in Ellingen war mir die Gelegenheit, zwei Einheimischen aufs Maul zu schauen, recht sympathisch.

Die beiden wirkten recht normal: er trug eine Baseballkappe der New York Jets, sie ein rosa Shirt, das einen ungepiercten Bauchnabel und den arschgeweihfreien Steiß zeigte. Keine Tätowierungen. Freundschaftsbänder! Sie parlierten über Konzerte, Mopeds, Urlaubspläne, erste Gehälter, Justin Biber, Boris Becker. Nichts Besonderes. Das einzige, was mir auffiel, war die Sprache. Gut, ich hatte nicht erwartet, anmutig parfümierte Wortlilien voll holder Klangkaskaden, die einem die Herzkugel erwärmen, zu vernehmen, aber derart oft das Wort mit Sch, welches gemeinhin die feste Ausscheidung bezeichnet, zu hören, überraschte mich dann doch.

In Pleinfeld begann ich mitzuzählen und bereits in Mühlstetten hatte ich 24-mal das deutsche Wort für „merde“ gehört, dazu kamen ein paar umgangssprachlich übliche Bezeichnungen für die glutei maximi, ein paar von der Stuhlung abgeleitete Exkrementalverben, manche mit dem Adjektiv „voll“ gesteigert. Bereits in Georgensgmünd kam ich mir bei so viel verbalem Gaga vor wie der Leibstuhlträger des Sonnenkönigs bei Diarrhöe. In Unterheckenhofen war das zwölfte Dutzend voll, und in Roth habe ich zu zählen aufgehört.

Natürlich, die Sprache verändert sich. Früher gab es mehr Fälle und auch Tempi, Maria war gebenedeit unter den „Weibern“ und das Rotkäppchen eine hübsche „Dirne“.

Seit tausenden von Jahren ist die Sprache dabei, sich zu verknappen und zu verschlanken – bis hin zu den im Handy so beliebten lol, btw, omg, thx und wie sie alle heißen. Eine seltene Ausnahme ist der Landeshauptfrau-Stellvertreter in Niederösterreich.

Ich war nie ein Anhänger der stäbchenklopfenden Sprachpuris­ten, die mit ihrem Regelwerk Gefängnisse errichten, und ich war auch nie der Meinung, dass die Jugend schlechter sei als irgendeine Vorgängergeneration. Aber eine derunartige Verkotung mit Sch-Wörtern kannte ich höchstens von den Amis (fuck!) oder den Polen (curva).

Als ich zwei, drei Tage später durchs Fernsehuniversum zappte und mich irgendwo zwischen Sat-Weißnichtwas und Superduper-RTL verfing, wusste ich zumindest, woher das Jugendsprech, das in Weißenburg um keinen Deut schlechter als sonstwo ist, kam. Von mir aus sollen die ruhig weiter ihre Gülle versprühen, aber kreativer wäre es halt schon, sich nach Alternativen umzusehen.

Mein siebenjähriger Sohn etwa sagt bei ähnlicher Gelegenheit: heiliger Mario Götze, heiler Pfannkuchen, grundgütiger Friseursalon … oder was ihm halt gerade einfällt. Klar, die Welt ist für Jugendliche nicht gerade einfach, vieles ist auch wirklich Scheiße, aber muss man das auch dauernd sagen?

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