Ein Helferkreis für die Ukraine-Flüchtlinge

In Ellingen herzlich aufgenommen

Peter Schafhauser

Weißenburg

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7.4.2022, 12:06 Uhr
In Ellingen herzlich aufgenommen

© Peter Schafhauser, WT

Vor wenigen Wochen hat Lillia noch Patienten in der Praxis versorgt. Nun steht sie vor dem Nichts. Die junge Frau ist Zahnärztin und kommt aus Hostomel, einem kleinen Vorort westlich von Kiew.

Ihre Wohnung wurde am 4. März von Panzergeschossen zerstört. Im Keller waren Lillia und ihre beiden Kinder tagelang Gefangene der russischen Armee. Endlich freigelassen, hat sie sich am 17. März mit den Kindern und ihrer Mutter auf eine Odyssee begeben, die über Moldawien, Rumänien und Tschechien zu Verwandten in Nürnberg führte. Von dort ging es weiter nach Ellingen.

Lillias Ehemann musste zurückbleiben, um sein Vaterland zu verteidigen. Wenigstens bis Ende April kann die vierköpfige Familie in einer Ellinger Einliegerwohnung bleiben. Wie es dann weitergeht, ist noch ungewiss. Lillias Schicksal als Kriegsflüchtling ist mittlerweile eins von unendlich vielen. Es kann noch lange dauern, bis das furchtbare Zerstören und Töten endet.

Am 26. März fährt frühmorgens ein Lemmi-Bus von Weißenburg aus Richtung polnisch-ukrainischer Grenze. Neben den beiden Fahrern Karl Reutelhuber und Matthias Ottinger ist auch Dolmetscherin Oksana Kozelzka an Bord. An vier Flüchtlingszentren werden vom nächsten Morgen an mehr als 30 Personen den Bus besteigen – vor allem Mütter, Kinder, Jugendliche. Sie erfahren, dass es nach Deutschland, Bayern, Ellingen gehen soll. Für die Flüchtlinge ist dies zwar eine Fahrt in die Sicherheit, aber auch eine ins Ungewisse.

Um 20 Uhr sollte der Bus eigentlich in Ellingen eintreffen. Doch wegen etlicher Zwischenstopps – so erzählt die Übersetzerin – erreichten die völlig übermüdeten und erschöpften Flüchtlinge endlich um 1 Uhr nachts die Deutschordensstadt. Geduldig, wenn auch leicht nervös, warteten im Bräustüberl die Gastfamilien. Und wie Sebastian Koller von der Freiwilligen Feuerwehr Ellingen berichtet, standen dort auch Lebensmittel-Pakete bereit – von seinen Kollegen zur Erstversorgung zusammengestellt.

In Ellingen herzlich aufgenommen

© Peter Schafhauser, WT

Der Helferkreis um Marianne Koller und Karlgeorg König hatte zu dieser Zeit bereits Listen erstellt, wie und auf welche Familien in Hörlbach, Stopfenheim, Weißenburg und Ellingen die Geflüchteten zu verteilen sind. Die Welle der Hilfsbereitschaft ist bemerkenswert groß.

Doch neben aller Tragik kann aus dieser Nacht auch über einen Lichtblick berichtet werden: Kaum in der Hörlbacher Gastwohnung angekommen, erblickte der kleine Bogdan (zu deutsch: Gottes Geschenk) um 4 Uhr früh das Licht der Welt. Einer Welt, die sich so niemand mehr in Europa vorstellen konnte.

Nach einer Woche Ruhe und Erholung kamen am Sonntag alle Geflüchteten und ihre Helfer erneut zusammen. Die Ukraine-Netzwerk-Hilfe Ellingen hatte zunächst zur Früh-Messe in die Georgskirche eingeladen. Domvikar Dr. Thomas Stübinger begrüßte die Gäste mit herzlichen Worten – die Julia Jepatko ins Ukrainische übersetzte. „Ihr Leid geht uns zu Herzen“, sagte der katholische Pfarrer. „Seien Sie von Herzen bei uns willkommen!“ Er dankte auch all jenen Ellinger Bürgern, die gerade in dieser Passionszeit mit Menschlichkeit und Hilfe bereitstünden und bereit seien zu teilen.

Danach machten sich die Flüchtlinge und ihre Helfer auf zur alten Schulturnhalle. Hier, im großen Saal, sollte der Sammelpunkt zur behördlichen Registrierung, zum Mittagessen und zum Gedankenaustausch sein.

Während unten in einem separaten Raum alle wichtigen Daten erfasst werden, duftete es eine Etage höher aus einem Nebenraum nach Backwaren. Mario Bunge und sein Team hatten den Wirtschaftsraum der Schule speziell ausgestattet, um im Akkord jede Menge Pizzas für Gäste und Helfer zu backen.

Einen Flohmarkt aus dem Boden gestampft

Nebenan in der Schulaula sah es dagegen seit Samstagnachmittag aus wie auf dem Flohmarkt. Wo sonst in den Pausen Schulkinder toben, hat Ellingens Freiwillige Feuerwehr gemeinsam mit den Helfern des Netzwerks in Windeseile einen umfangreichen Basar aufgebaut – mit Kleidung und Schuhen in allen möglichen Größen, dazu Spielzeug und Schulartikel. Die Ehrenamtlichen hatten auch hier hervorragende Arbeit geleistet. Was am Ende von all den Sachspenden übrig bleibt, geht zur Sammelstelle der Caritas nach Treuchtlingen.

Durch Bildung mehrerer Arbeitskreise lassen sich die vielfältigen Aufgaben bis jetzt auf zahlreiche Schultern verteilen. Das Netzwerk ist jedoch nach wie vor dankbar für jede helfende Hand.

Am Samstag, 23. April um 15 Uhr, so Kommandant Georg Morgott, wird es im Feuerwehrhaus einen Willkommensnachmittag mit Kaffee und Kuchen geben.

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