Schlussakkord in Ellingen

4.6.2017, 07:00 Uhr
Schlussakkord in Ellingen

© Oehms

Seine einmalige Instrumentierung von Bachs berühmter „Kunst der Fuge“ hat nun zu einer viel beachteten CD-Aufnah­me geführt. Und die wurde zu Teilen in der Ellinger Schlosskirche aufgenommen.

„Wir sind dankbar für die Zeit“, sagt Hans-Eberhard-Dentler und nickt langsam. Man sei gut aufgenommen worden, nickt er weiter. Dann schüttelt er den Kopf: „Aber das Wetter . . .“ Hans-Eberhard Dentler und seine Frau Karin fliehen sozusagen  aus klimatischen Gründen. Wenn man 30 Jahre in der Toskana gelebt hat, findet man sich mit einem altmühlfränkischen Winter offenbar nur schwer ab. Erst recht, wenn der Körper im Alter müder wird. Dieser Tage haben die Dentlers endgültig die Flucht ergriffen und sich noch einmal verpflanzt. Dahin, wo die Sonne kräftiger ist und die Luft nach Meer schmeckt. Sie sagten ihrem Haus in Ellingen Adieu und fuhren mit Hängern voller Bücher in Richtung Süden. In Anzio wohnen die beiden Ellinger auf Zeit nun, einer kleinen Stadt an der römischen Küste.

Den Abschluss seiner Ellinger Jahre markiert die CD „Die Kunst der Fuge“, die Ende Mai beim renommierten Musikverlag Oehms erschien und von der Kritik bestens aufgenommen wurde. „Bach war dem Himmel nie näher“, stellte die Musikfachzeitschrift Fono in ihrer aktuellen Ausgabe fest. Im gleichen Heft vergab ein Rezensent fünf von fünf Sternen für Musik und Klang dieser CD. Dentler gelang mit dieser Aufnahme, was ihm mit seinem wissenschaftlichen Werk Anfang des Jahrtausends nicht gelingen wollte: der Durchbruch für seine The­se, dass Bach in seiner Kunst der Fuge verborgene Rätsel versteckt hat, die auf die Philosophie des Pythagoras verweisen.

Man kann seine Idee nun hören

Sein 2004 erschienenes Buch wurde zwar von Papst Benedikt bei einer Audienz gelobt, es verfehlte aber sein Ziel, in der Musikwissenschaft allgemein anerkannt zu werden. Dass sich das mit der Veröffentlichung der CD nun ändert, hat einen Grund. Dentlers Behauptung lässt sich nun hören, man kann sich von der Stimmigkeit seiner Theorie überzeugen lassen. Denn die beinhaltet nicht nur die Aufklärung einiger in der originalen Notenschrift versteckter Rätsel, sondern auch eine vollkommen neue und unerhörte Instrumentierung für die Kunst der Fuge.
Über die streiten sich Musikwissenschaftler seit gut zwei Jahrhunderten, denn im originalen Autograf finden sich keine Angaben Bachs zu der von ihm gewünschten Instrumentierung. Bis heute ist die vorherrschende Meinung, dass es sich um ein Klavierwerk handelt. Allerdings eines, das weniger zur Aufführung als mehr zu Studienzwe-cken komponiert wurde. Dentler  dagegen setzt im Geiste seiner Entdeckung auf Violine, Viola, Cello sowie – zu einer gemeinsamen vierten Stimme vereint – Kontrabass und Fagott. Klanglich ist das überzeugend, wie die Rezensenten klassischer Musik finden. Die Aufnahme sei der Beweis, dass sich „aus der Kunst der Fuge singende Sphärenharmonien erheben können“, heißt es in einem Artikel der Fono. „Dass die Kunst der Fuge ein kühles Lehrwerk sei, ist durch Dentler widerlegt“, stellt die folgende CD-Rezension fest.

Dentlers Augen leuchten, wenn er diese Erfolge präsentiert. Bach ist sein Lebensthema und seine Entdeckungen machen ihn nun auch zu einem Teil dieser Welt der Gelehrsamkeit zwischen Philosophie, Literatur und Mu­sik, der er so grundlegend verfallen ist, dass sich seine Frau um die praktischen Dinge in seinem Leben kümmern muss. Am 7. Juni erscheinen die Noten für seine Instrumentierung.  Noch vor deren Erscheinung veröffentlichten die Essener Philharmoniker eine Konzertankündigung für den März 2018. Sie wollen Dentlers neue Instrumentierung spielen. Sie sei eine „Idealbesetzung der Kunst der Fuge“.

Italien in der Schlosskirche

Die Aufnahmen für die CD, die Dentlers Durchbruch beförderten, fanden in St. Walburg in Eichstätt und in der Ellinger Schlosskirche statt. Zu diesem Zweck wurde eigens Dentlers Haus- und Hoforchester eingeflogen, das sich aus den Soloinstrumentalis­ten des römischen Orchesters Accademia Nazionale di Santa Cecilia zusam­mensetzt. „In Eichstätt hatten wir ein bisschen Probleme mit Baustellenlärm“, erinnert sich Dentler. Deswe­gen mussten größere Teile in Ellingen neu eingespielt werden. „Wir hatten Glück, dass die beiden Kirchen eine sehr ähnliche Akustik haben“, erzählt Dentler. So kam es, dass in der Ellinger Schlosskirche ein paar Tage lang nur italienisch parliert und barock gespielt wurde. Vielleicht auch das ein ausschlaggebender Punkt dafür, dass es für den am Bodensee geborenen Musiker nun wieder zurück nach Italien geht. Dort hat er sein musikalisches Leben verbracht, Karriere gemacht, dort leben seine Musiker und seine Brüder im Geiste. Ellingen im­merhin, hat er versichert, wird er in guter Erinnerung behalten.
 

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