Wie Krimiautor Jan Beinßen die Ehe sieht

15.2.2021, 13:25 Uhr
Wie Krimiautor Jan Beinßen die Ehe sieht

© Ralf Lang

1. Ist die Ehe für Sie noch ein Problem?

Jan Beinßen: Sollte sie denn je eines gewesen sein? Wer heiratet, sollte sie nicht als Problem, sondern als Erfüllung eines großen Wunsches betrachten. Major Gabin, Protagonist meiner Elsass-Krimireihe, dürfte das ähnlich sehen. Er wird seiner Freundin Joanna schon bald einen Antrag machen. Der pensionierte Hauptkommissar Konrad Keller dagegen, Hauptfigur einer weiteren Reihe, hat seine Frau nach fast vierzig Jahren Ehe an den Krebs verloren und wagt nun zaghaft einen späten Neuanfang in Sachen Liebe. Ist die Ehe also ein Problem? Bei der fränkischen Spürnase Paul Flemming und seiner Frau Katinka bin ich mir nicht so sicher …

2. Wann überzeugt Sie die Ehe als Einrichtung mehr: wenn Sie diese bei andern sehen oder in Ihrem eignen Fall?

Sowohl aus auch. In unserem Bekanntenkreis finden sich erstaunlich viele Paare, die sich nach wie vor sehr gut verstehen. Auch wenn die Statistik dagegenspricht, gibt es kaum Scheidungsfälle in unserem Umfeld.

3. Was haben Sie andern öfter geraten:

a. dass sie sich trennen?

b. dass sie sich nicht trennen?

Möglichkeit a habe ich nur ein einziges Mal gewählt – aber man/frau hörte nicht auf meinen Rat.

4. Kennen Sie auch Versöhnungen, die keine Narben hinterlassen auf der einen oder auf der andern oder auf beiden Seiten?

Im Roman ist das ein starkes Thema: die schlecht verheilte Narbe, die nach Jahren wieder aufbricht und zum Auslöser einer Tragödie wird. Aus diesem Grund verlaufen die Beziehungen in meinen Büchern auch deutlich unharmonischer als in meinem wahren Leben. Bei Paul Flemming zum Beispiel zieht sich die erste bedeutende Ehekrise durch drei Bände – mit Narben auf beiden Seiten.

5. Welche Probleme löst die gute Ehe?

Zunächst einmal schafft sie die Voraussetzung dafür, Probleme mit gemeinsamer Kraft zu lösen und Vorhaben umzusetzen, die man allein vielleicht niemals in Angriff genommen hätte. Hat sich der Partner in seiner Meinung verrannt, so ist es in einer guten Ehe möglich, ihn/sie darauf hinzuweisen. Eine starke Ehe hilft auch, wenn es um Lebenskrisen geht. Eigenen oder welchen im nahen Umfeld.

6. Wie lange leben Sie durchschnittlich mit einem Partner zusammen, bis die Aufrichtigkeit vor sich selbst schwindet, d.h., dass Sie auch im Stillen nicht mehr zu denken wagen, was den Partner erschrecken könnte?

Diese Frage hätte ich mit Anfang oder Mitte zwanzig wahrscheinlich so beantwortet: höchstens ein halbes Jahr. Doch der Mensch verändert sich, gewinnt an Lebenserfahrung hinzu und begreift, dass man Fehler nicht immer nur beim Partner suchen sollte, sondern hin und wieder bei sich selbst. Diese Erkenntnis hilft, auch langjährige Beziehungen leben zu können, ohne sich zu verbiegen.

7. Wie erklären Sie es sich, dass Sie bei sich selbst oder beim Partner nach einer Schuld suchen, wenn Sie an Trennung denken?

Ist so ein Verhaltensmuster nicht allzu menschlich? Jede Analyse beginnt mit einer Fehlersuche, oder?

8. Hätten Sie von sich aus die Ehe erfunden?

Das ist wirklich eine gute Frage, für deren Beantwortung ich wohl Philosophie studiert haben müsste wie mein Großvater. Leider habe ich es versäumt, mit ihm darüber zu sprechen, solange er lebte.

9. Fühlen Sie sich identisch mit den gemeinsamen Gewohnheiten in Ihrer derzeitigen Ehe? Und wenn nicht: glauben Sie, dass Ihr ehelicher Partner sich identisch fühlt mit diesen Gewohnheiten, und woraus schließen Sie das?

Gemeinsame Gewohnheiten sind wichtig und sozusagen der Kitt einer Ehe. Es ist nicht leicht, diese zu finden, und man muss sie nach einer Weile immer wieder variieren. Ebenso wichtig sind aber die nicht-gemeinsamen Gewohnheiten. Ein jeder braucht Dinge für sich selbst.

10. Wann macht Sie die Ehe eher nervös:

a. im Alltag?

b. auf Reisen?

c. wenn Sie allein sind?

d. in Gesellschaft mit vielen?

e. unter vier Augen?

f. abends?

g. morgens?

h. wenn ich ein Interview darüber gebe

11. Entwickelt sich in der Ehe ein gemeinsamer Geschmack (wie die Möblierung ehelicher Wohnung vermuten lässt), oder

findet für Sie beim Kauf einer Lampe, eines Teppichs, einer Vase usw. jeweils eine stille Kapitulation statt?

Liegt man im Lifestyle auf einer Wellenlänge, sollte das doch kein Problem sein. Dass unterschiedlicher Geschmack aber zur echten Bewährungsprobe werden kann, wird in „Die kopflose Braut“ thematisiert. Paul Flemming und seine Katinka ticken vollkommen verschieden, was die Einrichtung ihrer Wohnung betrifft.

12. Wenn Kinder vorhanden sind: fühlen Sie sich den Kindern gegenüber schuldig, wenn es zur Trennung kommt, d. h., glauben Sie, dass Kinder ein Anrecht haben auf unglückliche Eltern? Und wenn ja: bis zu welchem Lebensalter der Kinder?

Das ist für mich glücklicherweise nur eine theoretische Überlegung. Es gab keinen Grund, sie tatsächlich zu erörtern. Auch Paul Flemming musste sich diese Frage nicht stellen: Seine Stieftochter Hannah war bereits volljährig, als er mit Katinka vor den Traualtar trat.

13. Was hat Sie zum Eheversprechen bewogen:

a. Bedürfnis nach Sicherheit?

b. ein Kind?

c. die gesellschaftlichen Nachteile eines

unehelichen Zustandes, Umständlichkeiten

in Hotels, Belästigung durch Klatsch,

Taktlosigkeiten, Komplikationen mit

Behörden oder Nachbarn usw.?

d. das Brauchtum?

e. Vereinfachung des Haushalts?

f. Rücksicht auf die Familien?

g. die Erfahrung, dass die uneheliche

Verbindung gleichermaßen zur Gewöhnung

führt, zur Ermattung, zur Alltäglichkeit usw.?

h. Aussicht auf eine Erbschaft?

i. Hoffnung auf Wunder?

k. die Meinung, es handle sich lediglich um

eine Formalität?

l. die Liebe (für einen Krimi geeigneter wäre natürlich der Punkt h)

14. Hätten Sie der standesamtlichen oder der kirchlichen Formel für das Eheversprechen irgendetwas beizufügen:

a. als Frau? b. als Mann? (Bitte um genauen Text)

Unsere Ehe wurde standesamtlich geschlossen – im schönen Ambiente des Pellerschlosses in Fischbach. Dass ich etwas in der standesamtlichen Formel vermisst hätte, kann ich nicht behaupten und wenn doch, hat es die sehr persönliche Rede der Trauzeugin wettgemacht. Um genau auf den Text des Eheversprechens zu achten, war ich auch viel zu aufgeregt.

15. Falls Sie sich schon mehrere Male verehelicht haben: worin sind Ihre Ehen sich ähnlicher gewesen, in ihrem Anfang oder in

ihrem Ende?

Obwohl eine solche Erfahrung für mich als Autor bestimmt eine Menge Schreibstoff bieten würde, bin ich trotzdem froh darüber, dass es bei einer Ehe geblieben ist.

16. Wenn Sie vernehmen, dass ein Partner

nach der Trennung nicht aufhört Sie zu

beschuldigen: schließen Sie daraus, dass Sie

mehr geliebt worden sind, als Sie damals

ahnten, oder erleichtert Sie das?

Diese Konstellation hat mich schon wiederholt beschäftigt, da sie eine perfekte Grundlage für einen Krimistoff bildet. In mindestens zweien meiner Romane findet sich genau darin die Motivlage.

17. Was pflegen Sie zu sagen, wenn es in Ihrem Freundeskreis wieder zu einer Scheidung kommt, und warum haben Sie’s

bisher den Beteiligten verschwiegen?

Ein geflügeltes Wort dafür kann ich nicht bieten, denn die Ehen in unserem Bekanntenkreis sind erfreulich stabil.

18. Können Sie zu beiden Seiten eines Ehepaares gleichermaßen offen sein, wenn sie es unter sich nicht sind?

Das kommt darauf an. Auf die Situation und auf die Menschen. Manchmal besteht ein besseres Vertrauensverhältnis zu einer Seite.

19. Wenn Ihre derzeitige Ehe als glücklich zu bezeichnen ist: worauf führen Sie das zurück? (Stichworte genügen)

Gemeinsame Erfahrungen (schöne wie schwierige), Familie, Gefühle, Vertrautheit.

20. Wenn Sie die Wahl hätten zwischen einer Ehe, die als glücklich zu bezeichnen ist, und einer Inspiration, einer Intelligenz,

einer Berufung usw., die das eheliche Glück möglicherweise gefährdet: was wäre Ihnen wichtiger:

a. als Mann?

b. als Frau?

Ich denke, dass ich mit dem Bücherschreiben meine Inspiration und Berufung längst gefunden habe und sehr glücklich damit bin. Es gab nie die Veranlassung, eine Wahl zwischen Ehe und dem Schreiben zu treffen.

21. Warum?

Weil sich beides vereinbaren lässt, ja, vielleicht sogar das Eheleben mitunter beflügelt.

22. Meinen Sie erraten zu können, wie Ihr derzeitiger Partner diesen Fragebogen beantwortet?

Bei manchen Fragen ja, bei anderen weniger. Ich werde den Fragebogen meiner Frau vorlegen und bin gespannt auf ihre Reaktion.

23. Möchten Sie die Antworten wissen?

Ich bin ein neugieriger Mensch …

24. Möchten Sie umgekehrt, dass der Partner weiß, wie Sie diesen Fragebogen beantwortet haben?

Unbedingt!

25. Halten Sie Geheimnislosigkeit für ein Gebot der Ehe, oder finden Sie, dass gerade das Geheimnis, das zwei Menschen voreinander haben, sie verbindet?

Weder noch. Ich glaube nicht, dass es wirklich eine Partnerschaft ganz ohne Geheimnisse gibt, und das ist wohl auch gut so. Aber dass Geheimnisse eine Bindung stärken, dürfte ein Trugschluss sein.

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