Kolumne

Adieu Facebook? Zuckerbergs Reich ist auf Dreck gebaut

8.10.2021, 12:38 Uhr
Wollte angeblich mal "eine Gemeinschaft" aufbauen: Facebook-Gründer Mark Zuckerberg.

© Photo by ANDREW CABALLERO-REYNOLDS / AFP Wollte angeblich mal "eine Gemeinschaft" aufbauen: Facebook-Gründer Mark Zuckerberg.

Lieber Mark Zuckerberg,

vielleicht wäre es angebrachter, Ihnen eine WhatsApp- oder Messenger-Nachricht zu schreiben, aber die sozialen Netzwerke sind ja auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Nicht wahr? Und ich bin gerne etwas altmodisch, nicht nur, wenn auf die Technik gerade kein Verlass ist. Deshalb dieser offene Brief.

Zunächst möchte ich Sie meiner Anteilnahme versichern. Sieben Milliarden Dollar verbrennt man sicher auch als Blubberblasenerfinder nicht alle Tage. Jedenfalls sollen sie seit der "Mega-Panne" (Hamburger Morgenpost) beziehungsweise dem "Facebook-Fiasko" (Bild) nur noch der fünftreichste Mensch der Welt sein. Mein Beileid! Wenn ich in solch prekären Verhältnissen lebte, würde ich natürlich auch keine Steuern zahlen wollen.

Noch interessanter, Herr Zuckerberg, finde ich die gerade veröffentlichten Erinnerungen Ihrer Ex-Mitarbeiterin Frances Haugen. Demnach sind Sie und Ihre Leute sich absolut im Klaren darüber, welche Schäden Facebook, WhatsApp und Instagram gerade bei jungen Menschen anrichten. Weil Sie dazu, kein Witz, sogar eigene Studien anstellten. Substanziell geändert haben Sie aber: nichts. Schmutzfilter, überhaupt jede Art von Fürsorge für Ihre Kunden, so Ihr offensichtliches Kalkül, schmälern den Umsatz.

Essstörungen, Depressionen, Handysucht - alles egal, Herr Zuckerberg, Hauptsache, der Rubel rollt? Ihre angebliche Gründervision, "eine Gemeinschaft aufzubauen" - was ist davon geblieben? Um es mit dem Satiriker John Oliver zu sagen: "Facebook als Toilette zu bezeichnen wäre unfair gegenüber Toiletten." Faktisch bleibt dieses Klo aber (noch) systemrelevant. Oder ziehen wir jetzt echt alle zu Signal, Threema oder sonst wohin um? Schön wär's.

Ein Gutteil der Menschheit leidet übrigens angeblich bereits an Nomophobia (No-Mobile-Phone-Phobia) also an der Angst, ohne Handy aus dem Haus zu gehen, nicht vernetzt zu sein. Wenn ich so was lese, fühle ich mich alt, sehr alt. Ist es wirklich denkbar, dass ein paar Stunden Social-Media-Verstopfung für ganze Generationen schlimmer waren als eineinhalb Jahre Corona?

Dass zu allem Überfluss eindeutig mehr gehasst wird, seit Sie das anonyme Stänkern perfektioniert haben, Herr Zuckerberg, wissen Sie selbstverständlich auch. Millionen Internet-Irre kommentieren und kontaminieren täglich Meldungen, augenscheinlich bevor sie diese gelesen, geschweige denn verstanden haben. Was mich dabei am meisten beunruhigt: Die dürfen alle wählen!

Bedauerlicherweise wohl auch jene armen Seelen, die am Tag der stillen Posts die Polizei in Mettmann (Nordrhein-Westfalen) zu folgendem Tweet veranlassten: "Ja - gestern Abend sind Facebook, Instagram und WhatsApp ausgefallen. Nein - das ist kein Grund, den Notruf zu wählen! Und nein, wir werden deshalb auch nicht Mark Zuckerberg verhaften."

Schade eigentlich.

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