Alternative zum großen Klassik-Open Air

23.6.2009, 00:00 Uhr
Alternative zum großen Klassik-Open Air

© Karlheinz Daut

Die Stimmung im kleinen Park an der Ecke Muggenhofer Straße und Johann Sebastian Bach-Straße ist ganz anders als sonst. Zwar sind die Jungs mit ihren Rädern da wie immer, auf der Treppe der Schule gegenüber sitzen die türkischen Mütter wie gewohnt. Aber die Bühne auf dem Rasen ist neu. Als um 16 Uhr das «1. Muggenhofer Kurkonzert», ein Kunstprojekt von Wolfgang Weber und des Kulturbüros im Stadtteil, beginnt, herrscht andächtige Stille.

Gut 150 Gäste sind gekommen, um Klassik an einem ungewöhnlichen Ort zu hören. Viele sind älter, aber es finden sich auch ein paar junge Familien darunter. Eine Blitzumfrage ergibt, dass tatsächlich viele in der Gegend wohnen. «Ich finde, das wertet unser Viertel auf», sagt Ramona Siebel. Verena Lipfert hat sich einen Programmzettel besorgt und erklärt ihrer kleinen Tochter, was sie gleich hören wird. Die meisten Leute schnappen sich einen der bereitgestellten Stühle, nur wenige haben Decken dabei. Zwei Herren stoßen stilvoll mit Sekt an. Insgesamt ist es viel ruhiger und entspannter als bei den riesigen Klassik-Open Airs am Dutzendteich.

Das Wetter hält, auch wenn ein paar kräftige Windböen an den Zelten rütteln. Blätter und Lindenblüten bleiben in den Haaren hängen. Initiator Wolfgang Weber erklärt, dass schlicht der Straßenname ihn darauf gebracht hat, hier Bach erklingen zu lassen. Dann geht es mit Marc-Antoine Charpentiers Präludium zu seinem «Te Deum» los. Das Stück ist bestens bekannt als Eurovisions-Melodie, es wird mitgesummt.

Zeit für Meister Johann Sebastian Bach: Im Gegensatz zu seinem sonstigen Kantaten-Schaffen behandeln die beiden dargebotenen Werke keine geistlichen oder feierlichen Inhalte, sondern skizzieren humorvoll das Alltagsleben. Die Kaffee-Kantate (BWV 211) erzählt augenzwinkernd von einem Mädchen, das nach den braunen Bohnen süchtig ist. Der Vater erreicht mit aller Strenge nichts. Erst als er seiner Tochter einen Mann verspricht, erklärt sie sich einverstanden, den Kaffeegenuss einzuschränken.

Heike Arz (Sopran) singt die Rolle des frechen Mädchens schmissig mit viel Herzblut, Dariusz Siedlik (Bariton) ist ein hinreißender Vater mit volltönender Stimme. Begleitet werden sie fachkundig von Christiane Rehm an der Flöte und dem Cantamé-Quartett, das aus zwei Violinen, einer Viola und einem Violoncello besteht. Ein echter Leckerbissen zwischendurch, gerade recht zur Kaffee-Zeit.

Daran knüpft die Bauernkantate (BWV 212) an, die durch ihre harmonische Originalität und den flotten, immer wiederkehrenden Tanzrhythmus besticht. Der Text voller volkstümlich-derber Züge stammt von Picander und entstand 1742. Da feierte der Lehnsherr Carl Heinrich von Dieskau mit einem großen Feuerwerk seinen 36. Geburtstag und nahm die Huldigung der Bauern entgegen.

Renate Kaschmieder, die als musikalische Leiterin durch den Nachmittag führt, erläutert das kurz und übersetzt Begriffe aus der sächsischen Mundart, dann vergnügt man sich mit dem Bauern, der über die Machenschaften der Steuereinnehmer spottet und dabei die Sparsamkeit von Dieskaus Frau lobt. Ein sehr gelungener Nachmittag, der nach einer Fortsetzung ruft. ANNE PETERS