Tempolimit: Warum nur 130 km/h?

15.1.2020, 16:25 Uhr
Tempolimit: Warum nur 130 km/h?

© ampnet/ACE

So sicher wie das Amen in der Kirche ist die von SPD und Grünen angestoßene Tempolimit-Diskussion nicht für alle Zeiten abgehakt. Nur noch 130 km/h soll auf Autobahnen gefahren werden. Dabei stellt sich die Frage, warum man ausgerechnet an dieser Geschwindigkeit festhält - und sozusagen zur Gewöhnung und zum Test nicht auf ein etwas höheres Limit setzt. Für eine weniger strenge Art der Beschränkungen gibt es durchaus gute Argumente.

Argumente aus Österreich

Das interessanteste dieser Argumente kommt aus Österreich. Dort gilt auf den meisten Strecken ein Tempolimit von 130 km/h. Doch ein Großversuch, bei dem ein 140er-Limit getestet wurde, hatte erstaunlich positive Ergebnisse zur Folge.

Die Fakten: Auf zwei Abschnitten der A1, der sogenannten "Westautobahn", wurde eine Limit-Erhöhung auf 140 km/h veranlasst. So geschehen zwischen dem sehr stark befahrenen Abschnitt zwischen Sattledt und Knoten Haid (nahe Linz in Oberösterreich) und einer längeren Passage zwischen Oed und Melk in Niederösterreich.

Rückläufige Unfallzahlen

Die Asfinag, in unserem Nachbarland für die Autobahnen zuständig, konnte daraufhin melden: Keinerlei Auffälligkeiten bei Unfällen. Und: Vorher-Nachher-Vergleich der Luftgüte-Messungen ohne signifikante Änderungen. Noch besser: Im längsten Abschnitt in Niederösterreich ging die Zahl der Unfälle sogar deutlich zurück.

Und zur Luftqualität: "In punkto Luftgüte entlang der Strecken wurde an den Messstationen kein Einfluss der Pkw-Geschwindigkeitserhöhung auf Feinstaubkonzentration oder sonstige Grenzwert-Überschreitungen erkannt". Noch dazu wurden bei zusätzlichen Testfahrten auf dieser Strecke "nur marginale Zunahmen bei Kohlendioxid und Stickoxiden" festgestellt.

Tempolimit: Warum nur 130 km/h?

© Asfinag

Auch der Lärm wurde gemessen. Dabei zeigte sich, Zitat, "eine nicht wahrnehmbare Änderung im Bereich der Messgenauigkeit". In verständlicher Sprache: Es wurde nicht lauter.

Angesicht der positiven Ergebnisse wollte die Asfinag zusammen mit dem Bundesministerium für Verkehr weitere Versuchsstrecken definieren. Ob es allerdings unter der neuen, "türkisen" Regierung in Österreich dazu kommt, ist fraglich. Denn: Die Grünen übernehmen das Verkehrs- und Umweltministerium.

Auch 120 kann zu schnell sein

Doch zurück zur deutschen Situation. Im Hinblick auf ein Tempolimit wird gerne übersehen, dass, wie die Statistiken der Vergangenheit zeigen, auch bei 120 oder 80 km/h viele Todesopfer zu beklagen sind. So weist beispielsweise die genaue Statistik (Jahr 2017) 101 von 409 Todesopfern im Güterkraftverkehr (Lkw, Transporter) aus. Weitere 30 entfielen auf Motorradfahrer, 29 auf Fußgänger. 181 aller Toten waren laut Bundesamt für Straßenwesen (BASt) auf "zu schnelles Fahren" zurückzuführen. Wobei nicht ganz klar ist, wie viele auf freie oder beschränkte Strecken entfallen. Denn: Auch 120 kann zu schnell sein, in Baustellen, bei Nebel oder Glätte gar Tempo 80.

Übersehen wird in der laufenden Diskussion auch, dass die Zahl der Autobahntoten in Deutschland von 2002 bis 2017 um über 52 Prozent zurückgegangen ist. Und das, obwohl das Autobahn-Netz um über zehn Prozent gewachsen ist und der Verkehr um 19 Prozent zugenommen hat. Mehr Autobahnkilometer aber bedeuten letztlich auch mehr Verkehrsleistung, mehr Unfälle und mehr Tote. Bestes Beispiel: Auf der brandneuen Autobahn A 94 (Altötting-München) gab es zwar schon Unfälle mit getöteten Personen. Dafür aber liest und hört man von der benachbarten Bundesstraße 12, auch als "Todesstrecke" berüchtigt, mittlerweile nichts dergleichen mehr.

Deutschland tut sich schwer mit einem 130er-Limit auf Autobahnen. Deshalb stellt sich die Frage, ob Kompromissfähigkeit nicht ein Schlüssel zur Lösung wäre. Warum nicht Tempo 140 oder 150? Das wäre eher vermittelbar, würde dem Verkehr die "Raser-Spitzen" samt Differenzgeschwindigkeit nehmen und würde vielleicht doch weniger zu Monotonie und Unaufmerksamkeit führen. Denn eines ist klar: Wer 200, 300 Kilometer mit geringem und vor allem nicht wechselndem Tempo unterwegs ist, fährt womöglich unaufmerksamer. Und damit könnte sich eine andere, eine neue Unfallgefahr ergeben.

Gerhard Windpassinger

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