Bitte mitmachen!

21.12.2014, 19:25 Uhr
Bitte mitmachen!

© Foto: Hüttinger

Wie zeigt sich Angst? Das werden die Besucher eines neuen Ausstellungshauses im Arabischen Emirat Schardscha demnächst selbst ausprobieren können — an einer Erlebnisstation, die gerade in Nürnberg entwickelt wird. Sie simuliert ihrem festgeschnallten Nutzer einen unerwarteten heftigen Fall und nimmt dabei dessen Mimik auf. Angst, Entsetzen, Überraschung, sie bekommen hier ein Gesicht, werden durch eigenes Tun konkret und anschaulich.

Um solche Wissensvermittlung durch eigenes Erproben geht es in Science Centern — und damit in sämtlichen der rund 7500 Ausstellungsstationen, die das Hüttinger-Team in den vergangenen 15 Jahren für solche Einrichtungen entworfen hat. „Hands-on“ lautet das Motto in diesen Häusern. Frei übersetzt: Bitte anfassen und mitmachen! Die vornehmlich jungen Besucher sollen naturwissenschaftliche und technische Zusammenhänge auf spielerische Weise entdecken, ganz intuitiv. Berühren statt belehren ist das Programm.

Wachsender Markt

„Im Idealfall ist eine Ausstellung ein öffentliches Labor, in dem die Besucher selbst zu Forschern und Wissenschaftlern werden. Labore, die Menschen ein gutes Gefühl geben und vermitteln: So schwer ist das gar nicht“, sagt Axel Hüttinger. In Nürnberg hat der Maschinenbau-Ingenieur den „Turm der Sinne“ mit konzipiert, der damit wirbt, „das kleinste Science Center der Welt“ zu sein; regelmäßig unterstützten er und sein Bruder, der Elektrotechniker ist, auch das Erfahrungsfeld der Sinne an der Wöhrder Wiese.

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© Hüttinger

Früher wurden in der elterlichen Firma in eigenen Werkstätten Modelle für Messen und Ausstellungen von Industrieunternehmen gebaut. Das ist auch heute noch ein kleiner Teil des Geschäfts. Den größten Teil des Umsatzes von jährlich 12 bis 14 Millionen Euro macht der Familienbetrieb aber mit der Arbeit für Science Center. „Dieser Markt wächst extrem“, sagt Axel Hüttinger.

China, Russland, auch die Türkei forcierten derzeit den Bau von Mitmachausstellungen als außerschulische Lernorte. Allein in diesem Jahr waren die Brüder bei Eröffnungen von Ausstellungen, die sie im chinesischen Shenyang, im kanadischen Calgary, im amerikanischen Ann Arbor oder in Amsterdam eingerichtet haben — zu Themen wie Mobilität, Wasser, Formenwelt oder biomedizinische Wissenschaften. Auch ganz in der Nähe, in Würzburg, steht mit dem „Mind-Center“ seit kurzem eine neue wissenschaftliche Einrichtung — made in Nürnberg. Die Abkürzung steht für „Mathematisches, Informationstechnisches und Naturwissenschaftliches Didaktik-Zentrum“.

Deutschland ist hinten dran

Insgesamt, so findet Hüttinger, ist Deutschland trotz etablierter Häuser wie dem „Phaeno“ in Wolfsburg, dem „Universum Science Center“ in Bremen oder der „Experimenta“ in Heilbronn in Sachen Science Centern international „schwer hinten dran“. Die Gründe dafür sind wohl vielfältig: Die öffentlich finanzierten Häuser in der gut aufgestellten und wachsenden deutschen Museumslandschaft sehen, so meint Axel Hüttinger, im Sammeln und Bewahren ihre Kernaufgabe. Die Vermittlung werde dabei mitunter vernachlässigt. Weil die Häuser ihr Geld aus öffentlichen Töpfen bekämen, stünde die Besucherorientierung nicht ganz oben auf der Agenda. Von einer Museumsdirektorin als potenzieller neuer Kundin bekam er auch schon mal zu hören: „Nein, Horden schreiender Kinder wollen wir hier nicht.“

Klar ist aber: Ein Museum, das Originale präsentiert, hat mit einem Science Center, das meist keine eigene Sammlung besitzt, nicht viel zu tun: „Im Museum passt jemand auf, dass die Besucher nichts anfassen, im Science Center passt jemand auf, dass die Besucher mit den Exponaten etwas tun“, formuliert es Axel Hüttinger griffig. Gar nichts hält er von Alibi-Versuchen klassischer Ausstellungshäuser, mit ein paar Schubladen zum Aufziehen oder ein paar Knöpfen, die man drücken kann, echte Interaktion zu suggerieren. „Ein Mix aus Artefakten und Interaktion ist nicht gut. Die Stärke von originalen Kunstwerken ist nicht zu toppen“, meint er.

Auch in Nürnberg gab es von Seiten der Stadt und Universität vor einigen Jahren Überlegungen, ein Science Center einzurichten. Die Pläne verliefen im Sand. Mit dem jüngsten Vorstoß von Finanzminister Markus Söder, in Nürnberg eine Dependance des Deutschen Museums aus München anzusiedeln, könnte das Thema wieder aufleben. Allerdings ist noch völlig unklar, wie diese Einrichtung ausgerichtet sein soll.

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