Es geht um die Liebe - und wie!

8.3.2008, 00:00 Uhr

Viel mehr braucht die Pocket Opera Company auch diesmal nicht, um ihre Sicht auf die Welt und die Oper zu möblieren. Der künstlerische Leiter Franz Killer hat tief in der musikalischen Schatzkiste gewühlt und taucht mit einer unbekannten, französischen Barockoper von Jean-Joseph Mouret aus dem Jahr 1714 wieder auf. Er schreibt sie um, instrumentiert sie neu und klebt - frei nach Rock’n’Roller Elvis Presley - die Vignette «Love me Tender!« darauf. Es geht um die Liebe. Und wie!

Zusammen mit Gastregisseur Rolf P. Parchwitz stellt Killer im Z-Bau ein Integrationsmodell von Barockmusik, Poetry Slam (deutsch: Dichterschlacht) und Break-Dance vor und lotst das Publikum durch einen bonbonfarbenen Frühling voller Gefühlsschauer. Und die regnen sich vor allem durch Julian Heun ab. Jenen 18-jährigen Schüler, der als lyrischer Kommentator auf leisen Gummisohlen eine drastische Gebrauchsanleitung für die Liebe deklamiert und offensichtlich mehr von ihr weiß, als einem 18-jährigen geheuer sein kann.

Dekorierter

Versmaßkrieger

Heun, der dekorierte Versmaßkrieger, sehnt nichts herbei, er stellt fest und schabt dabei kleine Risse in die Amorette, manchmal auch ganze Krater. Denn das Thema des Abends ist heiter bis heikel. Ragonde (Robert Eller), eine zahnlose Witwe und auf Kreuzfahrt in ihren zweiten Frühling, verliebt sich in den blutjungen Colin (kotelettenbewachsen, geht als Elvis durch: Benedikt Nawrath).

Dieser aber hegt Gefühle für Ragondes Tochter Colette (Astrid Kessler), deren Libido wiederum an Lucas (Katharina Heiligtag) geknüpft ist. Im Ringelpietz mit Publikumskontakt reißen Killer und Parchwitz alle POC-Schubladen auf, die sie finden können und überdekorieren ihre Protagonisten in Gestik und Kleidung. Wie immer sympathisch und wie immer auf dauererregtem Niveau, eingelegt in eine sinnliche, barocke Arienwelt mit Fußnoten ins 20. Jahrhundert.

Dass die Hauptrolle der Ragonde mit Baritonstimme besetzt wird und Lucas wiederum von einer Sopranistin gesungen wird, folgt dem Plan, Liebesklischees auf den Kopf zu stellen. Doch nicht nur die werden verschränkt. Vor allem die Texte Julian Heuns fächern den musikalischen Kunstturnern ein gehöriges Generationen-Lüftchen zu.

Und so flirrt die Atmosphäre im jungen Alternativzentrum Z-Bau vor der Unbehaglichkeit des Alterns bei unverminderter Sinneslust. Ragonde erfährt den physischen Attraktivitätsverlust kolossal tragisch-komisch und allen anderen fährt es immer wieder durch Mark und Bein. Bravo!Karin Lederer

Weitere Vorstellungen: 8./13./14. März jeweils 20 Uhr im Z-Bau, Frankenstr. 200; Karten unter 0911/ 329047 oder 231/4000, per E-Mail: info@pocket-opera.de.

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