Gefangen in der virtuellen Welt

19.12.2009, 00:00 Uhr

«Mit den Tagen meine ich aufsummierte Spieltage. 24 Stunden mal 260 Tage, also rund ein dreiviertel Jahr.» Die Diplom-Psychologin lässt die Zahl wirken und legt eine kurze Pause ein. Schlagartig wird es ruhig im Seminarraum. Dass Medienabhängigkeit keine Lappalie, sondern ein Krankheitsbild ist, zeigte Teske am Donnerstag in ihrem zweistündigen Vortrag «Cannot join – real-life. Leben in virtuellen Welten» an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule.

Die Medienwerkstatt der Fakultät Sozialwissenschaften hat in Zusammenarbeit mit dem Medienzentrum Parabol Teske eingeladen, um ein aktuelles Medienthema näher zu beleuchten. «Medien werden in unserer Gesellschaft immer wichtiger und ohne sie geht nichts mehr. Deshalb ist es spannend, zu erfahren, wie man mit der Sucht umgeht», sagt Frieder Zander, Leiter der Werkstatt.

Zunächst erklärt Teske, wie man eine Medienabhängigkeit im Alltag erkennen kann. Zum Beispiel am veränderten Mediennutzungsverhalten. Wenn jemand trotz Verbot die Computernutzungszeiten ausdehnt oder die Zeit vor dem Bildschirm stetig steigt. Auch Veränderungen im Sozialleben sowie schlechter werdende schulische Leistungen sind wichtige Indikatoren. Und nicht zuletzt ein verändertes Gesundheitsverhalten, wie Stimmungsschwankungen und häufige Übermüdung.

Mediensucht macht vor keinem Alter Halt

Die Psychologin erzählt, dass sich unter den ein Prozent Medienabhängigen in der Bevölkerung vornehmlich männliche Personen zwischen 14 und 26 Jahren befinden, die bis zu 18 Stunden täglich in eine virtuelle Welt abtauchen. Häufig handelt es sich bei dieser Welt um das PC-Rollenspiel «World of Warcraft», bei dem die Nutzer eigene Avatare, also grafische Stellvertreter, kreieren müssen, zu denen sie oft eine innige Beziehung entwickeln. Doch auch wer nicht zur Zielgruppe zählt, kann schnell betroffen sein. Mediensucht macht vor keinem Alter und keiner Bildungsschicht Halt, betont Teske immer wieder und weist darauf hin, dass auch viele Akademiker Suchtverhalten zeigen. Besonders anfällig für eine solche Sucht sind Personen, die eine schwache Persönlichkeit haben; oft verbunden mit dem Gefühl, im echten Leben zu scheitern und nichts zu erleben. Teske zeigt auf, wie man mit diesen Personen umgehen muss. So muss zunächst Kenntnis erlangt werden über die Bedürfnisse, aber

auch über die Ressourcen der betroffenen Person.

Die besondere Verantwortung der Eltern

«Wenn jemand im Spiel sehr gut Regeln aufstellen kann, kann er das im echten Leben auch», sagt die Psychologin. Zudem muss analysiert werden, weshalb die Person eine so lange Zeit in einer virtuellen Welt verbringt. Fragen wie: «Was würde dir fehlen, wenn du die Sucht aufgeben müsstest?», können dabei hilfreich sein. Danach kann mit Selbstbeobachtungsbögen und Stundenplänen gearbeitet werden. Außerdem sollte Teske zufolge eine Therapie Erlebnispädagogik beinhalten, damit die Betroffenen auch im echten Leben Abenteuer erleben können.

Der Vortrag endet mit einem Appell, das Phänomen Medienabhängigkeit als eigenständiges Krankheitsbild anzuerkennen. Für Eltern ist es wichtig, Medienkompetenz bei ihren Kindern aufzubauen, so dass diese das Gesehene emotional und inhaltlich verarbeiten können.

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