Glamour trotz Corona: Filmfestspiele in Venedig starten

1.9.2020, 16:09 Uhr
Arbeiter montieren Strahler über dem roten Teppich für die Eröffnung der Filmfestspiele von Venedig.

© Domenico Stinellis, dpa Arbeiter montieren Strahler über dem roten Teppich für die Eröffnung der Filmfestspiele von Venedig.

Wie soll das gehen, Filmpremieren, die statt vor dicht gepacktem Publikum vor planvoll gelichteten Reihen von Zuschauern stattfinden? Was macht ein Glamour-verwöhntes Festival, wenn am roten Teppich kein Publikum lagern darf, das nach den Stars schreit? Und werden die Stars überhaupt kommen? Alles Fragen, auf das die Mostra Antwort geben muss in den Tagen bis zum 12. September, wenn der Goldene Löwe verliehen wird.


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Wie alle Ereignisse zurzeit beginnt auch das 77. Filmfestival in Venedig zuvorderst mit einem „Konzept“: Sicherheit und Gesundheit der Besucher sollen garantiert werden durch ein Wegeleitsystem, das Massenaufläufe verhindert.

Freilichtkino auf dem Lido

Durch eine Pflicht zur Online-Karten-Reservierung sollen die üblichen Schlangen am Eingang vermieden werden, die sich hoffentlich nicht einfach dorthin verschieben, wo an den Eingängen zum Gelände die Körpertemperatur gemessen wird. Statt der üblichen drei bis vier Vorstellungen pro Film sind sechs bis zehn programmiert, zu den traditionellen, gut ventilierten Kinosälen kommt außerdem ein Freilichtkino auf dem Lido dazu.

Die Zahl der Filme wurde reduziert - zwar sind Haupt- und Nebenwettbewerb mit jeweils 18 Filmen so gut bestückt wie zu Vorpandemie-Zeiten, aber das Nebenprogramm wurde ausgedünnt. Doch auch das beste Konzept kann in diesen Zeiten nicht vor dem mulmigen Gefühl bewahren, das mit Publikumsveranstaltungen einhergeht - schließlich ist hier jeder Einzelne, im Kinosaal erst recht, von der Bereitschaft der Anderen zur Rücksichtnahme abhängig.

Jurorenwechsel in letzter Minute

Dass es in ziemlich letzter Minute zu einem Austausch eines Mitglieds der prominent besetzten Wettbewerbsjury kam, könnte auch damit in Zusammenhang stehen: Statt des ursprünglich angekündigten rumänischen Regisseurs Cristi Puiu wird der amerikanische Schauspieler Matt Dillon unter Vorsitz der Jurypräsidentin Cate Blanchett über die Vergabe des Goldenen Löwen entscheiden. Von Cristi Puiu hatte vor wenigen Wochen ein Video die Runde auf den sozialen Netzwerken gemacht, auf dem er gegen die Maskenpflicht wetterte. Eine offizielle Begründung für den Wechsel gab es jedoch nicht.

Dass es in diesem Jahr mehr um das Festival und weniger um die einzelnen Filme gehen wird, bestärkt auch die Auswahl der Wettbewerbsbeiträge, deren Schwerpunkt ganz auf europäischem Arthouse-Kino liegt. Von der entscheidenden Rolle, die Venedig in den vergangenen Jahren für die Oscar-Saison spielte - unter anderem feierten Oscar-Gewinner wie „Joker“, „La La Land“ und „Shape of Water“ hier Premiere - muss die Mostra für dieses Mal zurücktreten.

Deutscher Film im Löwenrennen

Bei den drei amerikanischen Produktionen im Wettlauf um die Löwen handelt es sich um Independent-Filme, interessanterweise alle von Regisseuren mit Migrationserfahrung gedreht: Chloé Zhao, in China geboren, stellt ihren Film „Nomadland“ vor, in dem Frances McDormand die Hauptrolle spielt. Wie Zhao landete auch die aus Schweden stammende Schauspielerin Mona Fastvold den Debüt-Erfolg beim Festival in Sundance, ihr Wettbewerbsbeitrag „The World to Come“ verfügt mit Casey Affleck, Vanessa Kirby und Christopher Abbott über eines der namhaftesten Ensembles am Lido, während der Aserbaidschaner Hilal Baydarov für „In Between Dying“ seine amerikanischen Kollaborateure wie etwa Danny Glover vor allem hinter der Kamera versammelt.

Neben solchen Neuentdeckungen runden bekannte Namen wie die Französin Nicole Garcia („Amants“), der Ungar Kornel Mundruczo („Pieces of a Woman“), Amos Gitai aus Israel („Laila in Haifa“), Majid Majidi aus dem Iran („Sun Children“) und die früheren Berlinale-Gewinner Jasmila Zbanic („Quo vadis, Aida?“) und Gianfranco Rosi („Notturno“) die Auswahl ab. Mit Julia von Heinz' Film „Und morgen die ganze Welt“ über eine junge Antifa-Aktivistin geht auch ein deutscher Beitrag ins Rennen.

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