Metal-Helden

Helloween-Reunion: Interview mit Gitarrist Sascha Gerstner aus Fürth

25.6.2021, 17:40 Uhr
Helloween-Reunion: Interview mit Gitarrist Sascha Gerstner aus Fürth

© Foto: Martin Haeusler

Herr Gerstner, Sie kommen ja aus Nürnberg . . .

Geboren bin ich in Stuttgart, aber da war ich nur die ersten paar Lebensjahre. Meine Mutter ist dann mit mir nach Nürnberg gezogen, wo ich auf der Insel Schütt in die Grundschule gegangen bin. Aufgewachsen bin ich aber in Fürth.

Haben Sie noch Kontakt nach Franken?

Meine Familie lebt immer noch da, und ich hab’ noch ein paar Freunde im Süden. Als Musiker war ich aber eh ständig unterwegs, war viel in Hamburg und auf Teneriffa. Dann habe ich kurz wieder in der Fränkischen Schweiz gelebt – in Ebermannstadt, wo ich ein Studio hatte –, bevor ich 2009 ganz nach Berlin gezogen bin.


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Zwischen Nürnberg und Hamburg gibt es einen regen Musikantenaustausch. Jens Becker, Stefan Schwarzmann und Iain Finlay, die bei Running Wild gespielt haben, kommen alle aus Franken, ebenso Daniel Zimmermann, der lange bei Gamma Ray getrommelt hat . . .

Oder Hermann Frank aus Erlangen, der bei Accept gelandet ist.

So viele Legionäre – Franken scheint eine Quelle für gute Musiker zu sein.

Zumindest im Metal-Bereich. Da gab es in der fränkischen Szene echt ein paar Musiker, die rausgestochen sind. Jeder weiß aber auch, dass mit Metal in Franken nicht viel zu holen war – die großen Bands speziell in dieser Szene kamen halt unter anderem aus Hamburg. Gut, ich selbst war schon immer sehr vielseitig unterwegs und habe viele andere Sachen gemacht, deshalb war das für mich als junger Musiker nicht so schlimm. Aber wenn jemand ein reiner Metal-Musiker war wie der Daniel Zimmermann – ein mega-guter Metaldrummer – wo willst du da in Franken was reißen?

Vor Helloween haben Sie bei Freedom Call gespielt, einer der wenigen namhaften Gruppen aus Nürnberg.

Chris Bay und Daniel Zimmermann hatten mich schon auf dem Schirm, als ich gerade mal 18 oder 19 Jahre alt war und in einer Coverband spielte. Als sie 1998 Freedom Call gründeten, haben sie sich anscheinend an mich erinnert und gefragt, ob ich mal zum Proben kommen will. So bin ich überhaupt erst in dieses Power-Metal-Genre reingerutscht.

Und sind dann 2002 bei Helloween gelandet, den Pionieren dieser Stilrichtung. Als Sie dort eingestiegen sind, herrschte Eiszeit zwischen den verbliebenen Mitgliedern Michael "Weiki" Weikath und Markus Grosskopf auf der einen und Michael Kiske sowie Kai Hansen auf der anderen Seite.

So viel Eiszeit war da eigentlich gar nicht – also zwischen dem Gitarristen und Ursänger Kai und Helloween sowieso nicht. Helloween sind ja schon 2007 zusammen mit Kais Band Gamma Ray auf Tour gegangen, da saß man natürlich viel zusammen. Eiszeit herrschte eher zwischen Michi und Weiki. Aber auch mit dem sind wir uns dann ab und zu auf Festivals über den Weg gelaufen, und auch hier war es ein Prozess, der über Jahre ging. Gerade mit Michi ist dann aber ein Mega-Verhältnis entstanden. Er hat selbst irgendwann gesagt: "Krass! Das hätte ich so jetzt gar nicht erwartet."

Ich hätte auch nicht auf diese Wiedervereinigung gewettet, so enttäuschend, wie das damals in den 80er Jahren alles auseinandergegangen ist.

Ach, ich weiß das ja von mir selbst: Wenn du als junger Mann – 18, 19 Jahre alt – testosteron-getrieben rausgehst in die weite Welt, dann gehört dieses Sich-wichtig-machen einfach ein bisschen dazu. Wenn man dann noch in einer Band wie Helloween spielt – Plattenvertrag, plötzlich goldene Schallplatten und internationaler Erfolg –, da kann ich mir gut vorstellen, dass da damals die Egos ausgepackt wurden und es geheißen hat "Das ist übrigens alles wegen mir". Und dann fangen die Konflikte an. Aus meiner Sicht ist heute bei Helloween keiner dabei, bei dem du sagst "Das ist ein tiefböser Mensch". Heute sitzen da erwachsene Menschen, und wenn es einen Konflikt gibt, dann wird sich Mühe gegeben, den zu lösen. Das ist ja mit allen Beziehungen so: Die Bereitschaft zur Kommunikation muss gegeben sein, sonst kannst du es gleich knicken.

Was ist Ihre Rolle bei Helloween?

Meine Rolle bei Helloween war von Anfang an die des Mediators. Ich spiele da jetzt ja nicht ohne Grund schon seit 18 Jahren, auch weil ich weiß, mich zurückzunehmen. Mein Vorgänger hat, so wie ich das mitgekriegt habe, den Fehler gemacht, sich ein bisschen als Gitarrengott aufspielen zu wollen. Wahrscheinlich war das nicht mal böse gemeint, aber es ist eben nicht Sinn und Zweck einer Band. Wenn ich unbedingt mein Spotlight brauche, dann mach’ ich halt was eigenes. Aber das muss ich doch nicht in einer Band durchdrücken.

Sie sind 1977 geboren und waren acht Jahre alt, als Helloween ihr erstes Minialbum veröffentlicht haben. Wie haben Sie die Band kennengelernt?

In meiner Schulzeit, Ende der 80er Jahre, mit den "Keeper-Alben". Schulkollegen haben Helloween gehört, aber ich hab’ nur die Hits mitgekriegt: "Dr. Stein" und "Future World". So richtig mit der Band befasst habe ich mich erst, als ich bei Freedom Call eingestiegen bin und plötzlich in einer Musikrichtung unterwegs war, die massiv von Helloween geprägt wurde.

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