Sharon Dodua Otoo

"Ich bringe Neues ins deutsche Erzählen"

29.8.2021, 17:01 Uhr
Sharon Dodua Otoo beim Erlanger Poetenfest.

© Foto: Harald Hofmann Sharon Dodua Otoo beim Erlanger Poetenfest.

Frau Otoo, beim Festival, aber auch in einem Beitrag zu dem Sammelband "Kampf und Klasse" beschäftigten Sie sich mit der Spaltung der Gesellschaft. Ist das ein Aspekt, der in der aktuellen Diskussion über Gender, Diversität und Rassismus untergeht?

Nach meiner Wahrnehmung ist das Thema gerade sehr stark im Aufkommen. Aber ich habe festgestellt, dass es nicht mit den anderen Problemen zusammengedacht wird. Wenn wir über Diskriminierungsformen, über Rassismus und Sexismus reden, vergessen wir oft, dass es auch um Klassismus geht. Wir diskutieren entweder über das eine oder eben über das andere. Dabei greifen alle diese Aspekte oft ineinander. Man sollte sie gemeinsam in den Blick nehmen.

Sprechen Sie da aus eigener Erfahrung? Immerhin waren Sie vor Ihrem Erfolg als Schriftstellerin als alleinerziehende Mutter auf einen Erwerbsjob angewiesen...

Ja, das spielt auf jeden Fall eine Rolle. Ich hatte mich lange nicht mit der Klassenfrage auseinandergesetzt, weil ich dachte, das sei ein Thema, das nur bestimmte Bevölkerungsgruppen betrifft – die Arbeiterschicht, weiße Männer, die Kassiererin im Supermarkt. Bis ich verstanden habe, dass es da auch um Machtverhältnisse geht. Menschen, die zu den EntscheidungsträgerInnen gehören, haben oft viel Geld und Kapital. Manche müssen gar nicht arbeiten. Aber ein Großteil der Menschen hat nicht mal die Freiheit, zu entscheiden, wie sie leben wollen. Das kenne ich auch.


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Wie fühlen Sie sich als in Deutschland lebende und auf Deutsch schreibende Autorin mit dem familiären Background, den Sie mitbringen?

Ich wollte schon als Kind Schriftstellerin werden, hätte aber nie gedacht, dass Deutsch die Sprache werden würde, mit der ich bekannt werde (lacht). Was macht eine deutschsprachige Autorin aus? Ich bin zu folgendem Schluss gekommen: Ich bin hier und bringe etwas mit. Nicht die deutsche Sozialisation oder eine perfekte Grammatik, aber ich trage eine weitere, neue Perspektive bei. Ich habe eine andere Erzählweise, die nun aber Teil der hiesigen Erzählung ist. Das kann ich inzwischen mit meiner Identität vereinbaren.

Außergewöhnlich ist etwa, dass in Ihren Geschichten oft Dinge, etwa ein Besen, die Position des Erzählers einnehmen...

Das ist nicht einfach ein Trick, um aufzufallen! (lacht) Es geht vielmehr darum, neben der eingeschränkten Perspektive, die Protagonisten einer Geschichte ja zwangsläufig haben, eine weitere Sichtweise zu öffnen.

Sharon Dodua Otoo: Adas Raum. S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main, 320 Seiten, 22 Euro.

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