Kitty sucht ihre Freundin

Kino: "Wo ist Anne Frank" spannt den Bogen vom Hinterhaus in Amsterdam bis in die Gegenwart

23.2.2023, 16:57 Uhr
Bewegende Aktualisierung im Animationsfilm: "Wo ist Anne Frank".

© Farbfilm Verleih/epd Bewegende Aktualisierung im Animationsfilm: "Wo ist Anne Frank".

Es tut sich was in der Vitrine im Amsterdamer Anne Frank Haus, in der eines der berühmtesten Tagebücher der Welt ausliegt. "Lieve Kitty" (Liebe Kitty) ist auf einer der handgeschriebenen Seiten zu lesen. Plötzlich entsteigt ein rothaariges Mädchen dem Buch und ruft: "Anne? Wo seid ihr denn alle?"

In dem Animationsfilm "Wo ist Anne Frank" des israelischen Regisseurs Ari Folman ist Anne Franks imaginäre Freundin Kitty, der sie in ihrem Tagebuch schrieb, die Hauptfigur. Kitty erwacht zum Leben und nimmt ein junges Publikum mit auf die Suche nach Anne. Sie folgt ihren Spuren, vom Hinterhaus bis zu ihrem Tod im KZ Bergen-Belsen.

Das Mädchen Anne wird nicht idealisiert

Dass das Zimmer im Versteck des Amsterdamer Hauses, in dem sich Annes Familie und andere verfolgte Juden vor der drohenden Deportation in die deutschen Vernichtungslager versteckten, Teil eines Museums geworden ist, begreift Kitty erst nach und nach. Auf der Suche nach Anne trifft sie Jugendliche, die Flüchtlinge unterstützen, die sich vor drohender Abschiebung verstecken. Kitty selbst wird als mutmaßliche Diebin des berühmten Tagebuchs gesucht. Langsam erkennt sie, dass Anne tot und nun weltberühmt ist.

Der israelische Regisseur Ari Folman vor einem Plakat seines neuen Films "Wo ist Anne Frank".

Der israelische Regisseur Ari Folman vor einem Plakat seines neuen Films "Wo ist Anne Frank". © Hannes P. Albert/dpa

Angesichts der Altersgruppe von neun oder zehn Jahren aufwärts, für die der Film gemacht wurde, entschied sich Folman gegen eine realistische Darstellung der Zustände etwa in Bergen-Belsen. So sind die deutschen Besatzer von Art-Direktorin Lena Guberman als gesichtslose, riesige Gestalten umgesetzt worden, in schwarzen Umhängen mit Helmen, die an Darth Vader erinnern. In den Szenen der Selektion in Auschwitz griff Folman zur Veranschaulichung auf die griechische Mythologie und die Reise in die Unterwelt zurück.

Der Film zeigt Anne mit all ihren Widersprüchen, keine idealisierte Version des Mädchens, das davon träumte, die jüngste berühmte Schriftstellerin zu werden. Sie konnte unglaublich witzig sein, aber auch gemein. Sie hatte große Probleme mit ihrer Mutter, wie viele Mädchen in dem Alter. Sie war eifersüchtig auf ihre "perfekte" Schwester, all das gehört auch in den Film.

Eine neue Sprache für Anne Franks Geschichte finden

Zugleich trägt einen die Botschaft der nachdenklichen, politischen und engagierten Anne in die Gegenwart. "Tue alles, was du kannst, um das Leben auch nur eines Kindes zu retten!" ruft sie in einer Szene, die an die Talmud-Weisheit erinnert: Wer ein Menschenleben rettet, der rettet die ganze Welt.

Für den Anne Frank Fonds in Basel, der mit dem Projekt an Folman herangetreten war, ging es darum, gut 75 Jahre nach der Erstveröffentlichung des Tagebuchs eine Sprache zu finden, um die Geschichte für eine neue Generation zu erzählen. Angesichts zunehmender Leugnung des Holocaust, wachsendem Antisemitismus und Halbwissen gelte es, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. (104 Min.)

In diesen Kinos läuft der Film.

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