Liebe zum Steindruck

21.9.2012, 20:00 Uhr
Liebe zum Steindruck

„Früher“, sagt Günter Paule, „ging dem Beruf des Lithographen eine sechsjährige Lehrzeit voraus.“ Damit ist schon mal klar: Wer diese Drucktechnik beherrschen will, braucht viel Geduld – und muss konzentriert zur Sache gehen. Sonst kann es einem ergehen wie dem ägyptischen Kursteilnehmer, an den sich Paule noch gut erinnert. „Der war ein hervorragender Zeichner, aber er hat seine Arbeiten regelmäßig versaut, weil er die Druckfarbe auf den Stein walzte, ohne ihn vorher feucht zu machen.“ Denn wenn der Stein trocken wird, „läuft er zu“, das heißt, die fetthaltigen Partien breiten sich aus und die Zeichnung verschwimmt.

Liebe zum Steindruck

© Winkelmann/Fengler

Klingt kompliziert, doch das chemische Grundprinzip der Lithographie ist eigentlich ganz einfach. Fett und Wasser stoßen sich ab: Diese Erkenntnis machte sich der Theaterschriftsteller Alois Senefelder 1796 zunutze, als er nach einem einfachen Druckverfahren zur Vervielfältigung seiner Werke suchte.

Mit fetthaltiger, wasserabweisender Tusche trug er seine Schriften auf glattgeschliffene Steinplatten auf. Dann befeuchtete er den Stein mit einer bis heute benutzten wässrigen Lösung aus Gummiarabikum und verdünnter Salpetersäure. Dadurch hielten die nicht beschrifteten Stellen das Wasser und wurden fettabweisend. Die anschließend mit einer Walze aufgetragene fetthaltige Druckfarbe haftete nur auf den beschrifteten Partien, die dann mit einer Presse auf den aufgelegten Papierbogen gedruckt werden konnten.

Senefelder gilt damit als Erfinder der Lithographie, des Steindrucks, aus dem sich später der Offsetdruck entwickelte. In seinem „Lehrbuch der Steindruckerey“ schilderte Senefelder auch seine zunächst vielfach missglückten Versuche, die jeder Anfänger erlebt. Manche kapitulieren schon bei der Vorbereitung, wenn der Druckstein mit einem anderen Stein glatt geschliffen werden muss. „Da plagen sich die Neulinge schon“, sagt Paule. Doch wer sich nicht entmutigen lässt, für den könne die Lithographie zum „Lebensinhalt“ werden.

Andruckpresse von 1900

Viele seiner Kursteilnehmer sind seit etlichen Jahren dabei, sind zu Profis geworden, die eigenständig arbeiten und den Anfängern mit Rat und Tat zur Seite stehen. „Wenn ich hier nicht so tolle Leute hätte, hätte ich das nicht 30 Jahre lang durchgehalten“, betont Paule.

Auch so renommierte Künstler wie Botond oder Franz Vornberger waren eng mit dem Kurs verbunden. Vornberger vermachte der BZ-Werkstatt sogar eine originale „Krause“ Andruckpresse von 1900. Über eine Tonne Druck erzeugt der Pressenkopf, wenn der mit dem Papierbogen und einer Schutzpappe bedeckte Stein unter dem Reiber durchgezogen wird. Das Drehen der gusseisernen Kurbel erfordert echten Körpereinsatz.

Dabei hat schon der Druckstein ein ordentliches Gewicht. Rund 120 Steine, Solnhofener Kalkschiefer aus dem Altmühltal, stapeln sich in den Regalen. Sie stammen aus den Beständen aufgegebener Druckereibetriebe und sind, so Paule, „für ein Taschengeld zu haben“. Neuwertig würde ein Stein rund 400 Euro kosten.

„Unser Kurs ist eigentlich untypisch für das BZ. Was wir machen, ist viel zu umständlich, zu aufwändig und anfangs zu frustrierend“, sagt der 58-Jährige und lacht, weil er weiß, dass am Ende die Faszination für das Lithographieren überwiegt. Vom Schüler bis zum Rationalisierungsmanager reicht das Spektrum der Teilnehmer, wobei die Frauen in der Überzahl sind. Auch Computer-Freaks finden in Paules Kurs. „Bei denen gibt es oft ein großes Bedürfnis nach dem Haptischen und Handwerklichen.“

Wie groß die künstlerische Ausbeute ist, zeigen die Blätter auf den Tischen der Werkstatt. Da gibt es Mehrfarbendrucke von Wolfgang Hempe, die an Blumenfelder erinnern, feinst gezeichnete Tierdarstellungen von Eva-Maria Kupfer und Stefan Alberts, ganz präzise gearbeitete Schriftbilder von Günter Trautnitz oder zauberhafte aquarellartige Zeichnungen von Inge Böttger.

Eine Auswahl der schönsten Arbeiten kann man jetzt in Ansbach sehen, wo zum 30-jährigen Bestehen des BZ-Kurses über 120 Arbeiten von 20 Teilnehmern gezeigt werden. Darunter auch Werke von Botond, Günter Schmitt-Klör und Franz Vornberger. Künstlerisch stehen ihnen die langjährigen Kursteilnehmer kaum nach, wie u.a. eine Porträtserie von Marit Werner belegt oder die fast abstrakten, sehr experimentellen Arbeiten von Jutta Hofmann, deren Vorlage Kinderzeichnungen sind

Die Ausstellung im Ansbacher Kunsthaus Reitbahn läuft bis 26. September, Di–Fr 11–13 u. 15–18, Sa 11–13, So 14–18 Uhr. Ab 16 Uhr sind an diesem Sonntag auch die Künstler da; der nächste BZ-Kurs beginnt am 27. September
 

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