Touristen spielen Zaungast

"Nürnberg-Saga": BR dreht dreiteiliges Dokudrama auf der Burg

24.8.2021, 17:26 Uhr
Den Touristen, die gestern die Nürnberger Burg besuchten, bot sich ein besonderes Spektakel: Hoch zu Ross reitet ein Trupp blau-weiß-rot uniformierter Soldaten die schmale gepflasterte Gasse zur Freiung hoch. Ein kleines Mädchen läuft ängstlich zur Seite, lässt seine Puppe fallen, über die die Reiter achtlos hinwegtrampeln. Es ist eine kleine, aber doch eine Schlüsselsequenz, die hier für das Dokudrama „1806: Die Nürnberg-Saga“ des Bayerischen Rundfunks gedreht wird. Sie zeigt den Einzug der bayerischen Armee in Nürnberg und die Proklamation des bayerischen Königs als neuem Herrn der Stadt am 15. September 1806. Die Szene mit der Puppe soll beispielhaft stehen für die Geringschätzung, mit der die Bayern den Nürnberger Bürgern begegneten. Im Zuge der Kriegswirren hochverschuldet war die einst so wohlhabende freie Reichsstadt durch die Unterzeichnung der Rheinbundakte zwischen Napoleon und den Wittelsbachern dem bayerischen Königreich einverleibt worden.
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Den Touristen, die gestern die Nürnberger Burg besuchten, bot sich ein besonderes Spektakel: Hoch zu Ross reitet ein Trupp blau-weiß-rot uniformierter Soldaten die schmale gepflasterte Gasse zur Freiung hoch. Ein kleines Mädchen läuft ängstlich zur Seite, lässt seine Puppe fallen, über die die Reiter achtlos hinwegtrampeln. Es ist eine kleine, aber doch eine Schlüsselsequenz, die hier für das Dokudrama „1806: Die Nürnberg-Saga“ des Bayerischen Rundfunks gedreht wird. Sie zeigt den Einzug der bayerischen Armee in Nürnberg und die Proklamation des bayerischen Königs als neuem Herrn der Stadt am 15. September 1806. Die Szene mit der Puppe soll beispielhaft stehen für die Geringschätzung, mit der die Bayern den Nürnberger Bürgern begegneten. Im Zuge der Kriegswirren hochverschuldet war die einst so wohlhabende freie Reichsstadt durch die Unterzeichnung der Rheinbundakte zwischen Napoleon und den Wittelsbachern dem bayerischen Königreich einverleibt worden. © Max Söllner, NNZ

Ein Trauma, das bekanntlich bis heute nachwirkt. Wie tief die damalige Demütigung im kollektiven Gedächtnis verankert ist, wurde Tassilo Forchheimer erst richtig bewusst, als er vor zwei Jahren die Leitung des BR-Franken-Studios übernahm und in die Stadt zog. „Die Nürnberger haben sich zwar bald den neuen Verhältnissen angepasst und die Chancen genutzt, aber die alten Wunden sind nie wirklich verheilt. Und die Bayern haben damals blöderweise auch viele Fehler gemacht“, erzählt Forchheimer im Gespräch am Rand der Dreharbeiten. Mit letzterer Bemerkung spielt er natürlich vor allem auf die Zerstörung und den Raub vieler Kunst- und Kulturschätze an, von denen die meisten nie aus der Landeshauptstadt zurückgekehrt sind.
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Ein Trauma, das bekanntlich bis heute nachwirkt. Wie tief die damalige Demütigung im kollektiven Gedächtnis verankert ist, wurde Tassilo Forchheimer erst richtig bewusst, als er vor zwei Jahren die Leitung des BR-Franken-Studios übernahm und in die Stadt zog. „Die Nürnberger haben sich zwar bald den neuen Verhältnissen angepasst und die Chancen genutzt, aber die alten Wunden sind nie wirklich verheilt. Und die Bayern haben damals blöderweise auch viele Fehler gemacht“, erzählt Forchheimer im Gespräch am Rand der Dreharbeiten. Mit letzterer Bemerkung spielt er natürlich vor allem auf die Zerstörung und den Raub vieler Kunst- und Kulturschätze an, von denen die meisten nie aus der Landeshauptstadt zurückgekehrt sind. © Max Söllner, NNZ

Für Forchheimer, gebürtiger Münchner, ist es höchste Zeit, die Geschichte vom Niedergang der stolzen Kaiserstadt, ihrem Ausverkauf an die Bayern, und ihren Wiederaufstieg zum industriellen Zentrum des Königsreichs in den folgenden Jahrzehnten aus der fränkischen Perspektive zu erzählen. „Das ist bislang noch nie passiert“, sagt Forchheimer, der die dreiteilige „Nürnberg-Saga“ maßgeblich anschob. Das Drehbuch schrieben Christian Lappe und Oliver Halmburger (im Bild), der auch Regie führt.
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Für Forchheimer, gebürtiger Münchner, ist es höchste Zeit, die Geschichte vom Niedergang der stolzen Kaiserstadt, ihrem Ausverkauf an die Bayern, und ihren Wiederaufstieg zum industriellen Zentrum des Königsreichs in den folgenden Jahrzehnten aus der fränkischen Perspektive zu erzählen. „Das ist bislang noch nie passiert“, sagt Forchheimer, der die dreiteilige „Nürnberg-Saga“ maßgeblich anschob. Das Drehbuch schrieben Christian Lappe und Oliver Halmburger (im Bild), der auch Regie führt. © Max Söllner, NNZ

Für Lappe wurde für die Zeit der Recherchen eigens eine Wohnung in Nürnberg angemietet. Dort habe er auch das Drehbuch geschrieben, erzählt der erfahrene Geschichtsredakteur des BR („Das Bayerische Jahrtausend“). Eine seiner wichtigsten Quellen waren die Tagebücher des Nürnberger Kaufmanns und einflussreichen Politikers Paul Wolfgang Merkel. „Seine  Aufzeichnungen sind ungeheuer aufschlussreich, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie die Nürnberger jene Zeit erlebt haben“, erzählt Lappe. „Nicht larmoyant, sondern nüchtern wie ein Kaufmann eben hat er  festgehalten, was ihm,  seiner Familie und  seinen Freunden damals widerfahren ist , was die Herausforderungen waren. Merkel schreibt auch von den Kränkungen, dem bayerischen Hochmut, der ungerechten Behandlung, aber er hat die Fähigkeit, die Chancen der neuen Situation zu erfassen. Er war ein Mann der Tat, der nach vorne schaut und sich verantwortlich fühlt für die Geschicke der Stadt.“
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Für Lappe wurde für die Zeit der Recherchen eigens eine Wohnung in Nürnberg angemietet. Dort habe er auch das Drehbuch geschrieben, erzählt der erfahrene Geschichtsredakteur des BR („Das Bayerische Jahrtausend“). Eine seiner wichtigsten Quellen waren die Tagebücher des Nürnberger Kaufmanns und einflussreichen Politikers Paul Wolfgang Merkel. „Seine  Aufzeichnungen sind ungeheuer aufschlussreich, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie die Nürnberger jene Zeit erlebt haben“, erzählt Lappe. „Nicht larmoyant, sondern nüchtern wie ein Kaufmann eben hat er  festgehalten, was ihm,  seiner Familie und  seinen Freunden damals widerfahren ist , was die Herausforderungen waren. Merkel schreibt auch von den Kränkungen, dem bayerischen Hochmut, der ungerechten Behandlung, aber er hat die Fähigkeit, die Chancen der neuen Situation zu erfassen. Er war ein Mann der Tat, der nach vorne schaut und sich verantwortlich fühlt für die Geschicke der Stadt.“ © Max Söllner, NNZ

Gespielt wird Merkel von dem waschechten Franken Andreas Leopold Schadt, bekannt vor allem als Kommissar Sebastian Fleischer aus dem Franken-„Tatort“ (links mit seinem Kollegen Matthias Egersdörfer, der auch einen Kurzauftritt hat). Es sei schon eine große Herausforderung, einen Menschen zu spielen, „den es wirklich gegeben hat und der Teil der fränkischen Geschichte ist“, sagt Schadt voller Respekt für seine Filmfigur. Merkel steht im Zentrum der zweiten Episode mit dem Titel „Unter dem Hammer“. Darin geht es um die dramatischen Ereignisse 1806 und die unmittelbaren Folgejahre. Teil 1 („Vor dem Sturm“) erzählt anhand des Patriziers Jost von Tucher (dargestellt von Jonathan Beck) vom vorausgegangenen Niedergang Nürnbergs, Teil 3 vom Wiederaufstieg zum industriellen Zentrum Bayerns („Aus der Asche“ mit Nicolas Stöcklein als Johann Friedrich Klett, der als umtriebiger Unternehmer den Grundstein legte für die spätere MAN-Maschinenfabrik).
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Gespielt wird Merkel von dem waschechten Franken Andreas Leopold Schadt, bekannt vor allem als Kommissar Sebastian Fleischer aus dem Franken-„Tatort“ (links mit seinem Kollegen Matthias Egersdörfer, der auch einen Kurzauftritt hat). Es sei schon eine große Herausforderung, einen Menschen zu spielen, „den es wirklich gegeben hat und der Teil der fränkischen Geschichte ist“, sagt Schadt voller Respekt für seine Filmfigur. Merkel steht im Zentrum der zweiten Episode mit dem Titel „Unter dem Hammer“. Darin geht es um die dramatischen Ereignisse 1806 und die unmittelbaren Folgejahre. Teil 1 („Vor dem Sturm“) erzählt anhand des Patriziers Jost von Tucher (dargestellt von Jonathan Beck) vom vorausgegangenen Niedergang Nürnbergs, Teil 3 vom Wiederaufstieg zum industriellen Zentrum Bayerns („Aus der Asche“ mit Nicolas Stöcklein als Johann Friedrich Klett, der als umtriebiger Unternehmer den Grundstein legte für die spätere MAN-Maschinenfabrik). © Max Söllner, NNZ

Die Brücke zwischen historischen Spielszenen und Gegenwart schlägt die Bayern 3-Moderatorin Kadda Gehret als „Presenterin“ (im Bild mit BR-Franken-Leiter Tassilo Forchheimer, Drehbuchautor Christian Lappe und Regisseur Oliver Halmburger, v.li.). Sie blickt quasi mit den Augen von Heute auf die Ereignisse und stellt Fragen, die sich viele Franken immer noch stellen. Beeindruckt erzählt Gehret von den Dreharbeiten in der vergangenen Nacht, als der „Eierkuchen-Aufstand“ gefilmt wurde, bei dem die Nürnberger auf die Barrikaden gingen, weil die Bäcker erstmals keine kostenlosen Eierkuchen an Ostern verteilten. „Kein Nürnberger weiß mehr, was Eierkuchen sind“, meint sie, „heute sagt man Milchweckla“ dazu.“
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Die Brücke zwischen historischen Spielszenen und Gegenwart schlägt die Bayern 3-Moderatorin Kadda Gehret als „Presenterin“ (im Bild mit BR-Franken-Leiter Tassilo Forchheimer, Drehbuchautor Christian Lappe und Regisseur Oliver Halmburger, v.li.). Sie blickt quasi mit den Augen von Heute auf die Ereignisse und stellt Fragen, die sich viele Franken immer noch stellen. Beeindruckt erzählt Gehret von den Dreharbeiten in der vergangenen Nacht, als der „Eierkuchen-Aufstand“ gefilmt wurde, bei dem die Nürnberger auf die Barrikaden gingen, weil die Bäcker erstmals keine kostenlosen Eierkuchen an Ostern verteilten. „Kein Nürnberger weiß mehr, was Eierkuchen sind“, meint sie, „heute sagt man Milchweckla“ dazu.“ © Max Söllner, NNZ

Auch viel Lokalkolorit dürfte damit garantiert sein bei dieser Nürnberg-Saga, von der sich Tassilo Forchheimer im Idealfall ein besseres gegenseitiges Verständnis von Franken und Bayern erhofft. Noch die ganze Woche über wird in Nürnberg gedreht – vor allem an der Burg und entlang der Stadtmauer. Weitere Drehtage sind für September angesetzt. Die Fernseh-Ausstrahlung des Dreiteilers ist bereits um Weihnachten herum geplant – ein ehrgeiziger Zeitplan, an dessen Einhaltung gestern niemand Zweifel hatte.
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Auch viel Lokalkolorit dürfte damit garantiert sein bei dieser Nürnberg-Saga, von der sich Tassilo Forchheimer im Idealfall ein besseres gegenseitiges Verständnis von Franken und Bayern erhofft. Noch die ganze Woche über wird in Nürnberg gedreht – vor allem an der Burg und entlang der Stadtmauer. Weitere Drehtage sind für September angesetzt. Die Fernseh-Ausstrahlung des Dreiteilers ist bereits um Weihnachten herum geplant – ein ehrgeiziger Zeitplan, an dessen Einhaltung gestern niemand Zweifel hatte. © Max Söllner, NNZ

Die Filmmusik wird übrigens von den Nürnberger Symphonikern eingespielt, und Fans des einheimischen Kabarettisten Matthias Egersdörfer sollten im zweiten Teil gut aufpassen: Da hat auch der ewige Grantler einen Kurzauftritt – natürlich als Grantler, der den Einmarsch der Bayern mit größten Missmut quittiert.
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Die Filmmusik wird übrigens von den Nürnberger Symphonikern eingespielt, und Fans des einheimischen Kabarettisten Matthias Egersdörfer sollten im zweiten Teil gut aufpassen: Da hat auch der ewige Grantler einen Kurzauftritt – natürlich als Grantler, der den Einmarsch der Bayern mit größten Missmut quittiert. © Max Söllner, NNZ

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