Es ist beschlossen: Das Staatstheater weicht während der Opernsanierung in die Kongresshalle aus. Was nicht passieren darf: Dass der alte Nazi-Bau die künstlerischen Freiheiten lähmt.
Die Auguren der Rathausparteien haben entschieden: Die Interimslösung fürs bröckelnde Opernhaus soll in die Kongresshalle kommen. Eine breite Diskussion darüber hat es Nürnberg leider nicht gegeben, aber das liegt nicht an der Politik allein, sondern auch an der bei diesem Thema ziemlich wurschtigen Stadtbevölkerung.
Kettenkarussell vor Nazi-Kulisse. Auf dem Nürnberger Volksfest nichts Besonderes.
© Karlheinz Daut, NN
Mindestens zehn Jahre lang werden dann Opern, Tanztheater und einiges andere im Innenhof der Kongresshalle aufgeführt. Vielleicht, wenn es nach der SPD und einigen Historikern geht, die die Leere im Inneren des Rundbaus unbedingt erhalten wollen, auch in einem Gebäude davor oder daneben.
Wenn Volksfest ist, wird es eng vor der Kongresshalle.
© EDUARD WEIGERT, NN
Sicher ist auf jeden Fall, dass die Entscheidung für den Standort Kongresshalle die Stadt im Jahr 2025 mindestens ebenso in die Schlagzeilen bringen wird als wäre sie Kulturhauptstadt.
Warum? Weil Nürnberg, man muss es leider so hart ausdrücken, in puncto nationalsozialistischer Vergangenheit in der obersten Liga angesiedelt und dafür weltweit bekannt ist: Rassegesetze, Reichsparteitage, Nürnberger Prozesse.
Ein Bierzelt vor der Kongresshalle in den 1960er Jahren. Ob sich die Volksfestbesucher da so viele Gedanken gemacht haben?
© e-arc-tmp_20180719-120220-052.jpg, ARC
Dass das Staatstheater jetzt mit Mann, Frau und Maus in ein Gebäude des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes zieht, könnte aber nicht nur das internationale Interesse blitzlichtartig aufleuchten lassen, sondern den Machern und Künstlern des Staatstheaters zehn lange Jahre wie ein Mühlstein um den Hals hängen.
Dramaturgen mögen da vor Aufregung vielleicht Schnappatmung kriegen, weil sie nun versucht sein könnten, wirklich jedes Stück, das in diesem Theater aufgeführt wird, irgendwie in Beziehung zu den Nazis zu setzen.
Auch vor der Zeppelintribüne wird längst munter und ausgelassen gefeiert. Hier setzt sich Foo Fighters-Frontmann Dave Grohl in Szene.
© Günter Distler, NNZ
Allen anderen könnte die Kongresshalle in ihrer kalten, reglosen Monumentalität recht bald die Lust an der künstlerischen Freiheit nehmen - und erst recht am schlichten, mal nicht bis ins Letzte durchreflektierten Bühnenspaß.
Ich als durchschnittlich wurschtiger Nürnberger rate angesichts solcher moralischen Drohkulissen zur mentalen Abrüstung. Schließlich wird im Angesicht der eisig grauen Kongresshalle schon seit 1953 auf dem Volksfest getrunken, geschunkelt, geknutscht und Karussell gefahren, werden Fisch- und Bratwurstbrötchen verschlungen und nach zu vielen Maßen und zu vielen Überschlägen in Fahrgeschäften auch wieder erbrochen.
Bob Dylan baute 1978 seine Tribüne direkt gegenüber der Zeppelintribüne auf.
© Loopers / NZ, ARC
Und das zum Glück ganz ohne Ehrfurcht vor dem selbst nüchtern Brechreiz auslösenden Nazi-Koloss. Das gleiche gilt für Rock im Park und andere Festivitäten vor der Zeppelintribüne.
So kann und muss die in der Kongresshalle staatstheaterlich betriebene Kultur diese Nazi-Monumentalität in gewisser Weise einfach ignorieren. Ganz wird das nicht gelingen - und soll es auch nicht.
Auch auf der Großen Straße wird immer mal wieder ein Event zelebriert.
© Berny Meyer, Bayerischer Schaustellerverband
Aber ein Stück weit. Damit die Kunst das bleibt, was sie ist: eine Tochter der Freiheit.