Heilmittel vom Wegesrand

8.8.2008, 00:00 Uhr
Heilmittel vom Wegesrand

© Kuhn

In Kathrin Lunz‘ Garten hat Unkraut jede Chance. Während den meisten (Hobby-)Gärtnern alles, was bei ihnen wild wuchert und sie nicht angepflanzt haben, ein Dorn im Auge ist, kann sich bei der Krankenschwester aus Aufseß alles frei entfalten. Sogar der Giersch, eines der sich am schnellsten ausbreitenden Gewächse und der Horror eines jeden Gartenbesitzers, ist bei ihr wohlgelitten. Mehr noch. Nicht selten kommt das Kraut bei ihr als Wildgemüse unters Risotto gemischt oder als Limonade auf den Tisch.

Aber die 40-Jährige kennt auch quasi jedes Gewächs. Sie ist Kräuterpädagogin. Knapp eineinhalb Jahre hat die Ausbildung dazu gedauert. Angeboten wurde der Kurs vom Amt für Landwirtschaft und Forsten Bayreuth gemeinsam mit der Gundermann-Schule aus Nordrhein-Westfalen. Während der Ausbildung hat Lunz gemeinsam mit den 26 anderen Kursteilnehmerinnen viele Pflanzen für ihre Herbarien gepresst, Präsentationen vorbereitet, Führungen gemacht und eine schriftliche Prüfung abgelegt. Dass sich dieser Aufwand für Lunz gelohnt hat, merkt man sofort, sobald man mit ihr in die Natur hinauszieht. Schon gleich am ersten Busch entlang des Weges über Aufsess zeigt sich, welche Begeisterung bei ihr mitschwingt, wenn es um heimische Gewächse geht.

Hasel bei Potenzproblemen

Es ist ein Haselstrauch, der Kathrin Lunz‘ Aufmerksamkeit fesselt. Schon Hildegard von Bingen, Äbtissin aus dem Mittelalter, habe sich schon mit der Hasel befasst, so Lunz. Allerdings fand sie den Strauch recht unnütz, lediglich bei Potenzproblemen habe er Abhilfe geschafft. «Vielleicht kommt daher auch der Spruch, ein uneheliches Kind sei der Hasel entsprungen?», mutmasst die 40-Jährige. In jedem Fall aber habe man aus den Zweigen des Strauches früher Wünschelruten geschnitten, mit denen sich Wasseradern und Diebe gleichermaßen auffinden ließen.

Allen Pflanzen, denen sich Kathrin Lunz anschließend widmet, wird normalerweise wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht. Dabei können viele dieser Gewächse durchaus hifreich sein. Beispielsweise bei Zahnschmerzen, zum Entwässern und Entschlacken oder bei Pilzerkrankungen. Gegen letztere kann man den Spitz- oder Breitwegerich einsetzen. Schon die Kelten vertrauten auf die Heilwirkung dieser Pflanze: In Moorleichen haben Wissenschaftler Samen des Krautes gefunden.

In den USA hat sich die Pflanze übrigens erst verbreitet, als die ersten Europäer ins Land kamen. An ihren Schuhsohlen hafteten die Samen, die auf der Erde schließlich austrieben. Folglich nannten die Indianer das neue Kraut «Fußstapfen des weißen Mannes.»

Katrhin Lunz kennt viele solcher Anekdoten, mit denen sie die Geschichten rund um die heilenden Wirkungen der Wildkräuter untermalt. Woher sie dieses breite Wissen hat? «Neben den Pflanzen gehört meine Liebe den Büchern», sagt Lunz und erzählt von jeder Menge Interessantem, über das sie regelmäßig bei der Lektür stolpert. So viel Wissen hat sie sich inzwischen angeeignet, dass sie auch Seminare über heilende Wickel aus der Natur anbietet, ebenso wie man bei ihr Pflanzenöle ansetzen, Blütenbutter anrühren oder Kräutertee mischen kann. Zur Verwendung kommt bei ihr beinahe alles. Denn im Gegensatz zu vielen Gärtnern weiß sie, dass es eigentlich kein Un-Kraut gibt.