Höchstadt: Stoff für Winterabende

4.12.2012, 15:09 Uhr
Höchstadt: Stoff für Winterabende

© Enz

Der Duft von Glühwein und Spekulatius hat die Luft im Vereinsheim an der Bamberger Straße erfüllt, man unterhält sich angeregt – bis Franz Kachler, langjähriger Vorsitzender des Mühlhausener Heimatvereins „Reicher Ebrachgrund“ die letzte Veranstaltung des Jahres offiziell eröffnet. Keine der zahlreichenVereinsweihnachtsfeiern, sondern eine Buchpräsentation. Keine Überraschung für die über 30 anwesenden Vereinsmitglieder, sondern gelebte Tradition seit 26 Jahren: Immer vor dem ersten Advent wird im Beisein seiner Verfasser der neue Heimatbote präsentiert. „Mancher Autor holt sein frisch gedrucktes Exemplar und gibt mir dabei schon wieder den Text für die nächste Ausgabe“, berichtet Kachler.

Aus Kostengründen schwarzweiß

Auch wenn der aus Kostengründen schwarz-weiß gehaltene 26. Heimatbote auf den ersten Blick sparsamer anmutet als sein opulent ausgestatteter Vorgänger, so bietet er auf 176 Seiten spannende Heimatkunde in allen Facetten. Die Bandbreite erstreckt sich dabei von den neu veröffentlichten Kriegserinnerungen des Freiherren von Guttenberg aus dem Jahr 1913 bis zu einem Blick auf die Feierlichkeiten rund um das 25-jährige Bestehen des Vereines Reicher Ebrachgrund.

Sich alle Details des neuen Druckwerkes zu erschließen, wird bei heimatinteressierten Lesern wohl mehrere lange Winterabende in Anspruch nehmen. Deshalb ist es erklärtes Ziel des Vorstellungsabends, den Vereinsmitgliedern einen ersten Überblick zu verschaffen. Besonders reizvoll dabei: Moderator Franz Kachler wird von einigen Autoren unterstützt und lässt Raum für Diskussion.

Flüchtlingslager im Aschbacher Schloss

Besonders intensiv wird diese, als der ehemaliger Aschbacher Pfarrer Gernot Garbe die dreijährige Geschichte des Nachkriegs-Flüchtlingslagers im Aschbacher Schloss sowie die Vorbehalte der Einheimischen gegenüber den dort untergebrachten polnischen Juden nachzeichnet. „Sie müssen bei ihrer Bewertung auch unsere damalige Situation berücksichtigen“, mahnte eine Zeitzeugin aus dem Publikum an. Sie erinnerte daran, dass Aschbach neben den von den US-Amerikanern protegierten jüdischen noch 600 deutsche Flüchtlinge zu versorgen hatte. „Es ging uns damals oft schlechter als denen im Schloss“, resümierte die Zuhörerin und stieß damit auf breite Zustimmung.

Trauer um Altlandkreis

Diese wurde auch Kreisheimatpfleger Manfred Welker zuteil. Er referierte über seine 15 Seiten starke Abhandlung zur Geschichte des vor 150 Jahren gegründeten Bezirksamtes Höchstadt. Dabei sparte er nicht mit Kritik an dem durch die Gebietsreform im Jahr 1972 entstandenen Landkreis ERH. „Wenn ich ehrlich bin, trauere ich heute noch dem alten Landkreis nach. Das waren über 500 Jahre gewachsene, sinnvolle Strukturen“, führte der Kreisheimatpfleger aus.

Abgerundet wurde die heimatkundliche Buchpräsentation durch ein Fachreferat des als Autor der Mesusa-Buchreihe bekannten Johann Fleischmann. Er setzte sich mit dem kürzlich durch das Erlanger Konfuzius-Institut herausgegebenen Buch „Die Bücher des letzten Kaiserreichs“ auseinander. „Der Titel ist dabei völlig irreführend. Im Wesentlichen geht es in diesem Buch um das Reichmannsdorfer Universalgenie Carl Friedrich Neumann“, so der Leiter des Arbeitskreises Jüdische Landgemeinden im Heimatverein Reicher Ebrachgrund.

1000 Bücher aus China geschmuggelt

Carl Friedrich Neumann war im Jahr 1793 als Sohn jüdischer Eltern in Reichmannsdorf unter dem Namen Isaak Lippmann zur Welt gekommen. Er studierte in Heidelberg, München und Göttingen, bevor er als Universal-Historiker die Geschichte Englands, Amerikas, vor allem aber Chinas bearbeitete. So gelang es Neumann dank seiner umfangreichen Sprachkenntnisse auf legalem Wege 1000 Bücher aus dem damals abgekapselten Reich der Mitte zu beschaffen. Ein bis heute einmaliger Fundus.

„Neumann könnte deshalb für uns das sein, was Humboldt für Berlin und Spix für Höchstadt ist. Aber leider haben wir noch nicht einmal eine Straße nach ihm benannt“, beklagte Neumann-Experte Fleischmann. Immerhin die Erlanger Universitäts-Bibliothek hat sich nun Neumanns Lebenswerk angenommen – und würdigt dieses noch bis 7. Dezember mit einer Sonderausstellung.

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