Im Nürnberger Land sind Lehrstellen knapp

4.5.2013, 20:22 Uhr
Auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz schauen viele Jugendliche ins Internet oder die Zeitung (oben). Die beiden Schüler Maximilian Gust und Alexander Vollmar starten bald in den Beruf.

© Degenhardt Auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz schauen viele Jugendliche ins Internet oder die Zeitung (oben). Die beiden Schüler Maximilian Gust und Alexander Vollmar starten bald in den Beruf.

30 Bewerbungen hat Maximilian Gust seit vergangenem Jahr geschrieben - mit Erfolg: Der 15-Jährige beginnt im September eine Ausbildung zum Industriemechaniker. „Das ist mein Traumberuf“, sagt er. Bis über die Grenzen des Nürnberger Landes hat er alles abgegrast, 15 schriftliche und 15 Online-Bewerbungen versendet. Er konnte zwischen drei Lehrverträgen wählen, hat sich dann für die Firma hinter Nürnberg nahe Fürth entschieden, in der auch sein Bruder und Vater arbeiten.

Im Nürnberger Stadtgebiet gibt es mehr Ausbildungsplätze als Bewerber, für die Jugendlichen im Nürnberger Land ist es laut den Statistiken der Agentur für Arbeit nicht leicht, eine Stelle zu finden. Seit 1. Oktober vergangenen Jahres meldeten sich 906 Bewerber für Berufsausbildungsstellen bei der Geschäftsstelle der Agentur für Arbeit in Lauf. Diese erfasst die jugendlichen Arbeitsuchenden im gesamten Landkreis. Immer noch stehen 515 mit leeren Händen da. Matthias Klar von der Arbeitsagentur Nürnberg sieht die Zahlen entspannt: „Das ist ein normaler Wert und nicht schlechter im Vergleich zu anderen ländlichen Regionen.“

Zur Beruhigung: Die Vermittlung von Arbeitsstellen sei ein laufender Prozess.Mal melden sich Jugendliche bei der Agentur für Arbeit, mal melden Arbeitgeber freie Lehrstellen. Zwar waren im Berichtsjahr 2011/2012 19 Bewerber mehr auf der Suche, am Ende hatten jedoch 529 noch keinen Arbeitsplatz. Für das aktuelle Berichtsjahr sind 759 Ausbildungsstellen gemeldet, davon sind 387 unbesetzt. Auf einen Berufsanwärter im Nürnberger Land kommen 0,84 Ausbildungsstellen. Einfacher heißt das: 100 Bewerber müssen mit 84 Lehrstellen zurechtkommen. Dies bedeutet wiederum, dass es unmöglich ist, dass jeder Ausbildungssuchende im Landkreis einen Job bekommt.

Wünsche passen nicht immer zum Angebot

Es stellt sich die Frage, wie es sein kann, dass 515 Jugendliche noch keinen Ausbildungsplatz haben. Ein Problem bei der Ausbildungssuche ist das Ungleichgewicht zwischen den gemeldeten Berufsausbildungen und den Wünschen der jungen Menschen, wie aus dem Bericht über den Ausbildungsstellenmarkt der Arbeitsagentur Nürnberg hervorgeht. Es ist erstaunlich, dass sich 42 Prozent der Jugendlichen, die momentan auf der Suche nach einer Ausbildung sind, auf nur zehn Berufe beschränken.

Die Agentur für Arbeit hat in ihrem Katalog Beruf Aktuell über 500 Ausbildungsberufe aufgeführt. Die Wünsche der angehenden Angestellten und die Anzahl vorhandener Stellen klaffen weit auseinander. Die meisten Ausbildungsplätze im Nürnberger Land stehen oder standen im aktuellen Berichtsjahr als Koch zur Verfügung (67). In der Liste der zehn am meisten gewünschten Ausbildungen taucht dieser Beruf jedoch überhaupt nicht auf. Arbeitsmarkt-Experte Klar hat dafür eine Erklärung parat. „Die Jugendlichen haben gemerkt, dass die Arbeitsbedingungen und -zeiten hart sind.“ Weiterhin ist dieser Beruf bei den 387 unbesetzten Lehrstellen mit 52 verbliebenen auf Platz eins.

Auf Platz zwei der freien Stellen sind Ausbildungen für Kaufleute im Einzelhandel und Verkäufer. Gut sieben Prozent (62) aller Bewerber wollen und wollten Industriekaufleute werden, im Nürnberger Land gibt es jedoch nur 36 Stellen. Begehrt sind außerdem Stellen als Verkäufer oder medizinische Fachangestellte. Klar empfiehlt, auf artverwandte Berufe auszuweichen. „Die Chancen sind größer, wenn man auch mal nach links oder rechts schaut.“ Findet man keinen Job in der Umgebung, solle man sich in Richtung Nürnberg orientieren, wohin täglich 89.000 mehr Menschen rein als raus zum Arbeiten pendeln. „In Nürnberg gibt es mehr Lehrstellen als Bewerber“, sagt Klar. Auf 131 freie Jobs kommen dort 100 Jugendliche.

Diejenigen, die sich bis jetzt noch nicht um einen Ausbildungsplatz gekümmert haben, sollten sich sputen, denn manche Firmen treffen ihre Auswahl für das nächste Jahr bereits im November des Vorjahres. Gerd Steuer, stellvertretender Direktor an der Mittelschule Altdorf, unterrichtet eine neunte Hauptschulklasse und führt sie derzeit zum Abschluss. Er erlebt den Ausbildungsmarkt anders, als es die Statistiken erwarten lassen: Etwa 75 Prozent seiner 17 Schüler haben bereits eine Lehrstelle gefunden - im Nürnberger Land, in Nürnberg oder Fürth. Eine so gute Situation auf dem Markt habe er bisher nur selten erlebt.

Kein Interesse an unbekannten Berufen

„Die Jugendlichen unterschreiben täglich Lehrverträge. Die Altdorfer Firmen haben schon immer Interesse und sahnen als erstes ab“, sagt Steuer. Auf die Frage, woran es liegt, dass einige seiner Schüler noch keine Stelle haben, hat er verschiedene Antworten: „Manche sind zu faul, Bewerbungen zu schreiben, andere wissen noch nicht, was sie machen möchten und wieder andere sind zu unflexibel. Sie kennen 15 Berufe und die, die sie nicht kennen, sind für sie nicht interessant. Wir versuchen verzweifelt, ihnen Sparten wie Lagerist oder Verpackungsmittelmechaniker schmackhaft zu machen.“ Er wedelt mit einem Ausbildungsgesuch einer Firma, das erst vor kurzem seinen Schreibtisch erreicht hat.

„Die Firmen reißen uns die Lehrlinge aus der Hand.“ Maximilians Klassenkamerad Alexander Vollmar hat bisher noch keine Bewerbung verschickt. „Ich bin noch nicht dazu gekommen und mir hat die Motivation gefehlt“, sagt er. Er möchte am liebsten Landschaftsgärtner oder Lagerlogistiker werden. Bis vor zwei Monaten hat er noch Angebote von der Agentur für Arbeit bekommen, aber die waren für ihn uninteressant, weil die Stellen zu weit weg sind. Auf die Frage, woran es liege, dass einige in ihrer Klassen noch keinen Vertrag unterschrieben hätten, sind sich die beiden mit Steuer einig: „Das ist Faulheit.“

Alexander hat sich fest vorgenommen, demnächst mit der Suche zu beginnen. Im Grunde entwickelt sich der Arbeitsmarkt im Nürnberger Land positiv. „Immer mehr Arbeitgeber fangen an, selbst auszubilden, um wettbewerbsfähig zu sein und Fachkräfte zu bekommen“, sagt Klar. Ansonsten empfiehlt er, Praktika zu machen, um Erfahrungen zu sammeln. Oft ergebe sich daraus auch ein Ausbildungsplatz. Trotz des Bewerberüberschusses ist sich Klar sicher, dass im Nürnberger Land nicht alle Stellen besetzt werden.

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