Alles heiter unter der grünen Hügel-Sonne

4.8.2003, 00:00 Uhr
Alles heiter unter der grünen Hügel-Sonne

© Bayreuther Festspiele / Arve Dinda

Glutofen Festspielhaus

Im Glutofen des Festspielhauses machte dagegen ein Gerücht die Runde: Dass Adam Fischer im Anschluss an die Tetralogie ohne Orchester erschien, soll eine Protestnote gewesen sein. Damit wollten die Instrumentalisten - so raunte es - ihre Unzufriedenheit mit Fischers Dirigat artikulieren. In der zweiten „Ring“-Hälfte lief es wirklich nicht ganz rund. Bläser patzten, nicht immer glückte die Balance zwischen Bühnenakteuren und Grabenkämpfern und dann schlich sich bei Fischer auch ein wenig die „Levinesche Krankheit“ ein: Die Tempi fingen an zu zerdehnen, der schöne Augenblick wurde wichtiger als der Vorwärtsgang.

Ein kleines Donnergrollen, das am nächsten Abend jedoch schon wieder bereinigt war: Zusammen mit Sir Andrew Davis stellte sich ein glänzend disponierter Festspiel-Klangkörper nach einem hinreißenden „Lohengrin“ den Elogen des Publikums, übertrumpft nur vom trommelnden Beifall für den Titelhelden. Was Peter Seiffert auf dem Hügel, dem er seit 1996 die Treue hält, auch anpackt: Seine Gestaltung nimmt mit Intelligenz, sängerischer Noblesse und einer gezielt dosierten Emphase für sich ein. Seine mühelos vorgetragene „Grals-Erzählung“ hört man in dieser gestochenen Intensität selten. Da paaren sich Kraft und Wortprägnanz aufs Schönste.

Ansonsten war das Personal im nachtschwarzen Brabant ziemlich ausgewechselt und teilweise mit Bayreuth-Debütanten besetzt: Reinhard Hagen übernahm von Stephen West die Rolle König Heinrichs, Jean-Philippe Lafont wurde als Telramund durchaus vorteilhaft von John Wegner ersetzt und die Ungarin Judith Nemeth - bisher eher in kleineren Rollen wie Waltraute oder 3. Norn eingesetzt - machte als Nachfolgerin von Linda Watson eine glänzende Figur. Auch ihre Ortrud verfügte über archaische Wut und intrigante Energie. Petra-Maria Schnitzer (Elsa) und Roman Trekel (Heerrufer) komplettierten ein wirklich auf Festspiel-Höhe angesiedeltes Ensemble, das die mysteriös-unwirkliche Stimmung in Stefanos Lazaridis‘ geometrisch-symbolhafter Kraterlandschaft eindringlich beschwor.

Im kommenden Jahr pausiert der so gern unerkannte Schwanenritter für seinen Vater: Die mit Spannung erwartete „Parsifal“-Adaption durch Wagner-Freak Christoph Schlingensief beschäftigte schon eifrig die Pausengespräche. Viele vermuten, dass der eher mit einem handzahmen Passionsspiel „provozieren“ wird. Bleibt zu hoffen, dass „Lohengrin“ dann im „Ring“-losen Durchgang 2005 wieder zu sehen ist. Denn seit der Premiere vor vier Jahren hat Keith Warners ruhige, von starken Licht- und Standortkontrasten geprägte Sicht nichts von ihrer Brennschärfe verloren. Hier wandeln monochrom sozialisierte Menschen immer am Abgrund, gelingt unter ihnen kaum Kommunikation, weil ständig aneinander vorbeigeredet wird.

Das ist auch im „Ring“ ein immerwährendes Thema. Im Gegensatz zur Ur-Besetzung sind alle Nachrücker von weitaus drahtigerer Natur als ihre Vorgänger, was sich szenisch positiv auswirkt. Der spät zum Gesang gekommene Amerikaner Peter Klaveness muss als Hagen in die von John Tomlinson übernommenen Schuhe jedoch noch hineinwachsen. Rechtzeitig zum Schlussgesang läuft Evelyn Herlitzius zur Höchstform auf. Im halbstündigen finalen „Siegfried“-Duett tut sie sich hingegen etwas schwer, ihren Erretter erst im letzten Augenblick zu berühren. Der wird von Christian Franz, der mit Wolfgang Schmidt alterniert, weniger tumb als üblich verkörpert. Im Gegenteil: Franz zeigt die hohe Schule tenoraler Sensibilität.

Kraxler auf der Weltesche

Sportiver als Graham Clark hat wohl noch keiner Mime angelegt. Er kraxelt affengleich auf die ramponierte Weltesche, versucht sich am Fitness-Gerät seines Zöglings und wagt Techno-Schritte zum Wagner-Dunst. Schade nur, dass Banales und Erhabenes oft so eng beieinander liegen: Während die geschichtskundigen Nornen mit riesigen Schöpfkellen versuchen, die Restbestände des Ur-Baums zu retten, folgt eine ziemlich lapidare Szenerie wie es um Brünnhildes und Siegfrieds Hausfrieden bestellt ist. Sie strickt, er werkelt am Boot herum.

Wie immer eine Bayreuth-Reise wert: der Welt größter Opernchor, den Eberhard Friedrich heuer allerdings ein bisschen zu sehr auf Forte-Kurs hielt. JENS VOSKAMP

Bayern 4 Klassik sendet „Siegfried“ am 7. August, „Götterdämmerung“ am 9. August und „Lohengrin“ am 12. August (jeweils ab 18.05 Uhr).