Aus Trümmern zum Glanz

18.2.2016, 19:16 Uhr
Aus Trümmern zum Glanz

© Nürnberger Symphoniker

Die Nürnberger Symphoniker feiern ihr 70-jähriges Jubiläum. Unter der Rechtsform eines eingetragenen Vereins „Fränkisches Landesorchesters e. V.“ wurde das Orchester am 1. Juni 1946 in der Königswarterstraße in Fürth aus der Taufe gehoben. Düster, von wirtschaftlichen Nöten gebeutelt, waren die Jahre nach Kriegsende. Gespielt wurde nicht nur in Nürnberg, sondern auch im fränkischen Umland.

Zeitzeuge Edmund Giebfried (94), bis l982 Soloklarinettist des Orchesters, erinnert sich: „Oft mussten die Musiker noch Holz und Kohle mitbringen, um die Säle beheizen zu können. Viele von uns spielten bei den Amerikanern. Dort wurden wir auch verpflegt, verdienten 50 Reichsmark. Ohne diese Gelegenheiten wären wir verhungert.“

Herbert Coerper, seit 1982 der Erste Vorsitzende des Trägervereins „Fränkisches Landesorchester“, und mit einem hervorragenden Gedächtnis ausgestattet, was die Orchestergeschichte betrifft, kann noch andere Anekdoten beisteuern: Er erzählt von einem sehr „aromatischen“ Konzert in Wassermungenau in einem frisch getünchten Kuhstall. Verpflegt wurden die Musiker in dem Ort zwischen Roth,Wolframs- Eschenbach und Windsbach von Bauern mit Grießbrei.

Hohe Anforderungen wurden damals an die Organisationskunst
des Managements gestellt, ständiges Improvisieren war notwendig. Bereits am 29. Juli l945 fanden sich die Musiker mit den Sängern des Lehrergesangvereins Nürnberg in der Ruine der Sebalduskirche zur Aufführung von Joseph Haydns „Die Schöpfung“ zusammen. Eine eigene Bleibe hatte das Fränkische Landesorchester nach der Gründung allerdings noch nicht. Symphoniekonzerte, Volkskonzerte und Operetten wurden in den Räumen der Eisfabrik Schöller in den „Bucher Sälen“ (das sogenannte „Neue Theater“) gespielt. Als die amerikanische Besatzungsmacht das Opernhaus freigegeben hatte, genoss das Fränkische Landesorchester dort ab l952 Gastrecht. Daneben wurde auch – unter akustisch desaströsen Bedingungen – in der alten Messehalle am Stadtpark gespielt.

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© Nürnberger Symphoniker

Zehn Chefdirigenten prägten bis zum heutigen Tag Stil und Klang des Orchesters. Maßgebliche Aufbauarbeit in den schwierigen Nachkriegsjahren leistete der Chefdirigent Erich Kloss – ein versierter Pultlenker und suggestiv feinsinniger Orchestererzieher. Unter seiner engagierten Führung erwarb sich das Orchester einen beachtenswerten Ruf in der Orchesterlandschaft Süddeutschlands.

Nachdem die Bucher Säle aus firmenspezifischen Gründen nicht länger zur Verfügung standen, fand das Orchester im Torso des Südflügels der Kongresshalle eine neue Heimat. Dort wurden ein Probensaal und ein Tonstudio (Colosseum) eingerichtet. Mit der Einweihung der Meistersingerhalle l963 erfolgte schließlich die Umbenennung in „Nürnberger Symphoniker“. Dort folgten seltene Gipfeltreffen mit den Nürnberger Philharmonikern, so etwa 1977 zur Aufführung von Gustav Mahlers „Sinfonie der Tausend“ unter der Leitung von GMD Hans Gierster.

Als Trouvaillen in der Arbeit des Orchesters gelten die Aufnahmen von Filmmusiken für Hollywood-Streifen, u. a. für das MGM-Records Label. Einen „Grammy Award“ verdiente sich das Orchester l992 für die Titelmelodie zur Musical- und TV-Musik „The Beauty and the Beast“.

Unter Erich Kloss folgte das Orchester den Traumstraßen des Repertoires. Auch spielte man immer wieder unerschrocken unter der Fuchtel von gastierenden Senkrechtstartern und solchen, die gerne pantomimisch ihre dirigentischen Tugenden zur Schau stellten. Als Erich Kloss 1967 starb, debütierte l968 Othmar Mága als Pultchef. Beim Publikum weckte er mit sinfonischen Großwerken von Richard Strauss und Sergei Rachmaninoff viele Sympathien.

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© Nürnberger Symphoniker

Auf das zeitlich knapp bemessene Zwischenspiel von Günter Neidlinger als Chefdirigent folgte l974 die Ära von Werner Andreas Albert. Der verstand es, seine Orchesterleute zu respektablen künstlerischen Leistungen zu inspirieren. In den Abonnementskonzerten in der Meistersingerhalle führt der erfahrene Dirigent das Orchester in abwechslungsreichen Exkursionen durch klassisch-romantische Gefilde bis hin zur Moderne.

Nach gerichtlich erzwungener Vertragslösung mit Albert setzte Klauspeter Seibel, ein exzellenter Orchester-Pädagoge, ab l980 in seinem achtjährigen Wirken innovative Akzente. „Seibels Gestaltung hatte sinfonisches Format, den richtigen Atem, auch dynamische Impulsivität“ schrieb die Nürnberger Zeitung. Ebenso lobt man die aparte Klangkultur, durch die das Orchester in der Ära von Georg Schmöhe, und später herausragend durch den Niederländer Jac van Steen, beim Publikum Sympathien weckte.

Charmant konstatiert der Niederländer zum nun anstehenden Orchesterjubiläum: „Als ich das letzte Mal gastierte, war deutlich eine sehr frische Haltung zu erfahren. Spieltechnisch sehr gutes Niveau und Bereitschaft, ins Detail von Schumanns Orchesterlandschaft zu gehen.“

Alle Hochachtung verdient die Überzeugungsarbeit, die der noch bis 2017 wirkende Brite Alexander Shelley mit dem Orchester leistet. Das gilt vor allem für seinen musikantischen Elan bei der Einstudierung der Werke. Es gelingt ihm, das Reaktionsvermögen und die Musikalität des Orchesters nachhaltig zu beeinflussen. Auch hat sich das Orchester sukzessive verjüngt. Man sieht in freundlich gestimmte ernste Gesichter, die konzentriert erscheinen, unverkrampft, musikalisch hoch motiviert. Shelley, seit 2009 Chefdirigent, avancierte zum Publikumsliebling.

In den Abonnementskonzerten spielen Künstler von Weltrang. Das „Klassik Open Air“ Nürnberg lockt im Luitpoldhain jedes Jahr 60 000 Besucher an. Die Symphoniker engagieren sich als Partner für Chöre, bereisen europäische Kulturzentren wie Berlin, Mailand und Prag. Herbert Coerper obliegt das „Fund raising“, um zu den knappen finanzwirtschaftlichen Limits der öffentlichen Hand weitere liquide Quellen zur existenziellen Sicherung zu erschließen.

Seit 2003 sorgt Intendant Lucius A. Hemmer für eine klare Zielorientierung. „Als ich die Position übernahm, waren die Programme austauschbar, und eine schleichende Gleichgültigkeit machte sich breit.“ Dank Hemmer bläst ein frischer Wind, inzwischen läuft sein Vertrag „auf unbestimmte Zeit“. Dass mittlerweile Orchesterleute in Schulen gehen, um ihre Instrumente vorzuführen und Projekte initiieren, scheint pädagogisch von unschätzbarem Wert. Neue Konzertformen wie „Symphoniker Plus, Jazz oder Shelley meets“ finden erfreuliche Resonanz. Für die existenzielle Sicherung sind neue Besucherstrukturen wohl trotzdem unabdingbar. Immerhin trägt das Wirken der Nürnberger Symphoniker wesentlich zur Lebendigkeit des Musiklebens in der Metropolregion bei.

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