Bereits die Ur-Europäer kannten Metall

23.11.2010, 22:57 Uhr
Bereits die Ur-Europäer kannten Metall

© dpa

Es war ein gewaltiger Feuersturm, der die blühende Siedlung in Schutt und Asche legte. Die Hitze war so groß, dass auch heute noch, nach immerhin 7000 Jahren, die Erde schwarz verbrannt ist. Kampfspuren wurden nicht entdeckt. Experten spekulieren über ein Riesenfeuer nach einem Erdbeben. Jedenfalls stürzten die Hauswände ein und begruben unter sich Geschirr, Arbeitsplatten, Statuen und Werkzeuge. In der Feuersbrunst ging ein namenloses Dorf eines namenlosen Volkes im heutigen Südserbien unter.

Das Besondere an diesem 120 Hektar großen Flecken beim heutigen Dorf Plocnik (20 Kilometer westlich der südserbischen Stadt Prokuplje): Hier verwendeten die Frühmenschen erstmals Metall. Sie gewannen Kupfer aus Bergwerken und gossen daraus erste Metallwerkzeuge. 47 von ihnen wurden in Plocnik gefunden: Beile, Hämmer, Hacken, Nadeln. Deren Datierung durch das angesehene Institut im englischen Oxford sorgte in der Fachwelt für eine echte Sensation. Sie sind rund 7500 Jahre alt und damit bis zu 800 Jahre älter als alle bisherigen Funde von Kupferwerkzeugen weltweit.

Haar fein gekämmt

„Das waren keine Wilden“, ist Grabungsleiterin Julka Kuzmanovic-Cvetkovic sicher. „Die Frauen trugen schon Minikleider oder lange Wollumhänge“, will sie an den vielen gefundenen Statuetten aus Keramik entdeckt haben: „Die Menschen trugen ihr Haar fein gekämmt und schmückten sich mit Halsketten“. Die agile Archäologin hat schon eine moderne Designerin gewonnen, die Mode der damaligen Zeit nachzustellen. „Na, Du mit Deinem Modefimmel“, grummelt Dusan Sljivar. Der etwas kauzige Archäologe gräbt hier mit Helfern seit 1996. Die Fingerkuppen des Kettenrauchers sind schwarz vom Buddeln in der Erde – ausschließlich mit Schaufel und Spachtel.

In diesem Jahr haben sie ein drittes Haus vom Ende des 6. Jahrtausends vor Chr. gefunden. Etwa acht Meter lang und fünf Meter breit, das größte bisher. Sie haben das meterdicke Erdreich fein säuberlich abgetragen und den Boden des Gebäudes freigelegt. Überall sind Brandspuren, zerbrochenes Geschirr und Arbeitsplatten zu sehen. Die Archäologen hoffen, unter dieser Trümmerschicht vielleicht wieder sensationell alte Kupferwerkzeuge zu finden. „Jedenfalls sehen wir hier einen Ofen“, deutet Sljivar auf eine Stelle.

„Tatsächlich sensationell“, adelt der Tübinger Archäologieprofessor Ernst Pernicka den Fund der frühen Metallwerkzeuge in Plocnik. Das Urteil des Experten zählt in der Fachwelt. Schließlich handelt es sich um den prominenten Leiter der Ausgrabung des griechisch-türkischen Troja. Pernicka hatte sich gemeinsam mit anderen Fachkollegen vor kurzem vor Ort ein Bild gemacht. Bisher sei man davon ausgegangen, dass die Kupfergewinnung und -verarbeitung sich etwas später aus Vorderasien in andere Teile der Welt ausgebreitet habe, erklärt er. Mit den neuen Funden in Südosteuropa müssten jetzt parallele Entwicklungen in verschiedenen Teilen der Welt angenommen werden.

„Das war ein erheblicher Schritt der Menschheit in die Moderne“, beschreibt Pernicka die Bedeutung des Übergangs von Stein- zu Metallwerkzeugen. In der Tat mussten diese frühen Menschen dafür chemische Prozesse verstehen.

„Wir haben hier in Südosteuropa das ganze Programm“, erläutert auch der Tübinger Kupferzeit-Experte Raiko Krauß. „Das reicht vom Erzabbau über die Kupfergewinnung bis zum Gießen der Werkzeuge“. „Das Besondere in Plocnik ist, dass es am Beginn der Kupferzeit (5. bis 4. Jahrtausend vor Chr.) steht“.

Vorteile gegenüber Stein

Während unsere frühen Artgenossen die Umwelt bis dahin nur mit Steinen bearbeiteten, bot das neue Material große Vorteile. Wenn Beile, Messer, Hacken oder Nadeln stumpf waren oder gar zerbrachen, konnten die Kupfergeräte leicht neu eingeschmolzen und gegossen werden. Die Steinartefakte waren meist unwiderruflich verloren. In Plocnik wurde vor zwei Jahren ein kompletter Schmelzofen gefunden, durch den die Archäologen lernten, was die Kupferzeitgenossen schon alles konnten und wussten.

Die Chefin Kuzmanovic-Cvetkovic hat die schönsten Ausgrabungsstücke in ihrem Dienstzimmer im Museum der Kreisstadt Prokuplje eingeschlossen: Die „Göttin auf dem Sockel“ zeigt eine üppige Frau aus Keramik. Aus gebranntem Ton sind Henkeltassen zu sehen, deren Design sich bis heute nicht verändert zu haben scheint. Jede Menge Schüsseln und Teller warten in den Schränken darauf, einmal in würdigem Rahmen ausgestellt zu werden.

Nicht ausgeschlossen sei, so meint der Tübinger Experte Krauß, dass in Ostanatolien ähnliche Funde ans Licht kommen, wenn zum Beispiel in der Türkei wieder Staudämme oder andere Großvorhaben in Angriff genommen werden.