Nürnbergs dienstältester Kabarettist

Bernd Regenauer freut sich auf seine Bier-Oper und das Kürzertreten

29.7.2021, 09:18 Uhr
Wer mit Bernd Regenauer über Politik spricht, erlebt einen nachdenklichen Menschen.

© PR Wer mit Bernd Regenauer über Politik spricht, erlebt einen nachdenklichen Menschen.

Herr Regenauer, Sie feiern ihren 65. Geburtstag, für einen Kabarettisten ein fast schon biblisches Alter, oder?

Bernd Regenauer: Das ist eine Frage der genetischen Grundsubstanz. Der Körper war sehr gnädig mit mir...

Das Umfeld ist weniger gnädig: Im Moment sind Comedians auf dem Vormarsch...

Regenauer: Ich habe irgendwann begonnen, mich daran zu gewöhnen, dass die Jungen mich überholen. Warum auch nicht? Ich bin ausklingendes Jahrhundert. Das macht mir nichts aus. Ich halte mich seit knapp 40 Jahren über Wasser, muss mir da nichts mehr beweisen und bin zunehmend neidfrei.

Ist das überhaupt Kabarett, was die Komiker heute auf der Bühne zum Besten geben?

Regenauer: Die Grenzen verschwimmen. Wenn ein Comedian in eine Kabarettsendung will, nennt er sich halt Kabarettist, umgekehrt ist es genauso. Im Grunde ist das auch egal, entscheidend ist: Gefällt es oder nicht?

Das Publikum entscheidet auch über das Wohl und Wehe von Bernd Regenauer. Wir hält man diesem Druck stand?

Regenauer: Es gibt diese wunderbaren Momente von Jubel und Höhenflug. Aber eben auch das Scheitern. Das kann bei 29 Premieren in meinem Leben gar nicht anders sein, das gehört schlicht dazu. Die Kunst besteht darin, daraus zu lernen und nicht im Selbstzweifel zu versinken. Ich habe mich immer bemüht, Neues auszuprobieren. Zum Beispiel die Metzgerei Boggnsagg, über 1000 Comedy-Folgen für den Hörfunk, und dann mit drei Stücken auf der Bühne, das hat mir wahnsinnig Spaß gemacht, weil ich auch ein alberner Mensch bin. Aber ich habe das bewusst abgegrenzt von allem anderen.

Seine Auftritte mit der Metzgerei Boggnsagg führten Bernd Regenauer in die erste Liga der Spaßmacher.

Seine Auftritte mit der Metzgerei Boggnsagg führten Bernd Regenauer in die erste Liga der Spaßmacher. © Hans-Joachim Winckler

Somit auch von der Kunstfigur Nützel, mit der Sie äußerst erfolgreich waren?

Regenauer: Ja, ich hatte in den 1990er Jahren das bundesweite Herumreisen satt und entwickelte ein fränkisches Programm, das durch die Decke ging. Aber auch hier war das Scheitern nahe: Nach dem ersten, sehr erfolgreichen Nützel-Programm hielt ich dem Druck nicht stand, ein zweites schreiben zu müssen – und bekam eine Depression. Das war für mich eine Hürde, wo ich dachte, ich gehe kaputt.

Der Kabarettist in der mentalen Krise – viele Menschen können sich das schwer vorstellen...

Regenauer: Ja, ist aber so. Aber ich war immer ein Stehaufmännchen. Und ich hab längst gelernt, dass Krisen in aller Regel auch für was gut sind.

Und wie haben Sie die Pandemie verkraftet? Vielen Künstlern ging es buchstäblich an die Existenz...

Regenauer: Ich hatte Glück, weil ich einen Auftrag hatte, der mich über das ganze Jahr 2020 beschäftigt hat. Und dann war die Erfahrung, keine Bühne unter den Füßen zu haben, spannend. Ich habe gemerkt, ich brauche das nicht um jeden Preis. Mir hat die Pandemie deutlich gemacht, wie sehr ich mich ausgebeutet habe. Ich habe viel zu hochgedreht.

Wie haben Sie die Politik erlebt – war Sie ein Freund der Kunst?

Regenauer: In Krisenzeiten fällt die Kunst als erste runter und steht als letzte auf. Ich bin frustriert, erleben zu müssen, mit welch unterschiedlichem Maß gemessen wird. Wenn ich sehe, dass ein Klassik-Open-Air mit seinem wohlsortierten Publikum abgesagt wird, wenn Bühnen trotz hervorragender Hygienekonzepte nicht an den Start durften, während die Fußballarenen vollgestopft wurden, dann zeigt mir das, welch geringen Stellenwert die Kultur nach wie vor in der Politik genießt, allen Lippenbekenntnissen zum Trotz.

Und es zeigt mir, wie sich nicht nur hierzulande Vernunft und Augenmaß mit Hilfe cleverer Lobbyarbeit unterlaufen lässt. Die Kunst in ihrer prächtigen Bandbreite und Vielfalt wird nie mit einer (Lobby-)Stimme sprechen können. Da liegen die Arbeits- und Lebensbedingungen viel zu extrem auseinander.

Erste fränkische Bieroper

Apropos Stimme: Bald erleben wir Bernd Regenauer als Opernsänger, der das Fürther Stadttheater beschallen will...

Regenauer: So ist es. Ich arbeite an der ersten fränkischen Bieroper. Das gab es noch nie und das hat mich über die ganze Corona-Auszeit hindurch beschäftigt. Das Ganze spielt in einem fränkischen Brauereigasthof, es geht um Generationenwechsel, Bürokratien – und um Sex and Crime – eben das echte fränkische Leben, nicht bierernst, sondern mit viel kabarettistischem Spaß und dem vermutlich längsten Operntod in der Geschichte.

Die Idee zu all dem kam mir, als mich Lucius Hemmer, der Intendant der Nürnberger Symphoniker, fragte, ob ich Lust hätte, was mit seinem Orchester zu machen. Und ob ich das wollte, und zwar zusammen mit dem Stadttheater Fürth. Ich habe dann Christian Schidlowsky als Regisseur und Co-Autor hinzugenommen, und Uwe Strübing sitzt komponierend gerade über dem fünften Akt.

Bei aller Wertschätzung für Ihre Stimme: Reicht das für die Oper?

Regenauer: Natürlich habe ich keine ausgebildete Opernstimme. Aber ich glaube, ich halte gut mit. Außerdem nehme ich jetzt Gesangsunterricht. Ich komme ja aus der Liedermacherszene und war lange Jahre Musik-Kabarettist. Übrigens hatte ich vor jetzt genau 40 Jahren beim Bardentreffen meinen allerersten öffentlichen Auftritt überhaupt.

Zurück zur Oper: Es gab mit "Schweig Bub" von Fitzgerald Kusz das fränkische Stück schlechthin. Kommt Ihre Oper da ran?

Regenauer: Es lässt sich nie vorhersagen, ob etwas Kultstatus erreicht. Mit Boggnsagg und Nützel gelang es mir freudigerweise. Ich vermute, die Bieroper wird die fränkische Seele in ihrem tiefsten Inneren treffen, da Gastronomie und Bier per se zur fränkischen Kultur gehören. Und dieser Mix aus fränkischem Kabarett und dramatischer Oper mit 15 Darstellern und über 40 Musikern liefert alle Voraussetzungen für eine emotionale Achterbahnfahrt und lässt Augen und Ohren schlackern.

"Der Clubfan erwartet stets das Schlimmste"

Zur fränkischen Seele gehört auch der Club. Wie gehen Sie mit dem um?

Regenauer: Der Clubfan erwartet stets das Schlimmste, und er tut sich doppelt schwer, wenn es dann nicht eintritt. Und beim Club ist dann immer alles anders als umgekehrt. Meist hilft einzig nur Verdrängen.

Verdrängen empfiehlt sich als Kabarettist sonst eher nicht. Sie und Ihre Berufskollegen leben von der Beobachtung der Gesellschaft und ziehen daraus Stoff für die Bühne. Wann haben Sie dieses Talent entdeckt?

Regenauer: Meine Kindheit war schräg und schepps. Meine Eltern hatten eine unübliche politische Gesinnung, sie fuhren ein Russen-Auto, einen Moskwitsch, eines von zwei Modellen in Franken, das war für mich alles furchtbar. Mein Vater war zudem Gastwirt, in seinem Wirtshaus in der Nürnberger Altstadt gingen die Honoratioren der Stadt ein und aus.

Bernd Regenauer liebt die Bühne. Sein neuestes Projekt ist die Bieroper.

Bernd Regenauer liebt die Bühne. Sein neuestes Projekt ist die Bieroper. © Klaus-Dieter Schreiter

Und Sie lauschten hinterm Tresen?

Regenauer: Oh ja. Da habe ich zugehört, und da ging es am Stammtisch richtig heftig zur Sache – unter Zuhilfenahme großer Mengen von Alkohol. Die Räte waren in meiner Erinnerung fast durchgehend betrunken.

Waren Sie damals schon Klassenclown?

Regenauer: Ja, aber ein tragischer. Ich wollte immer auffallen, um jeden Preis. Und habe den Schulstrafenrekord am Willstätter-Gymnasium eingestellt, flog von der Schule, an der Veit-Stoß-Realschule ging es mir dann auch nicht besser. Dann haben mich meine Eltern in eine Lehre gesteckt, erst da fand ich meine innere Achse.

Von der bürgerlichen Seite ging es rasch in die künstlerische. Was hat Sie geprägt beim Beobachten der Menschen?

Regenauer: Geprägt hat mich, wie bedauerlich es ist, dass sich ungute Dinge leicht moduliert immer wieder wiederholen. Wenn ich Texte von mir aus den 1980er Jahren hervorkrame und dann auf einen Liedtext stoße, in dem ich mich kritisch mit Nazis und Rechtsextremismus auseinandergesetzt habe, könnte ich das heute eins zu eins wieder machen. Da denke ich mir dann: Verdammte Sch..., hat sich denn gar nichts bewegt?

Das dürfte nicht nur beim Blick nach Rechtsaußen so sein...

Regenauer: Leider. Anfang der 1990er Jahre hatte ich eine Nummer, die sich mit dem Umweltgipfel in Rio beschäftigt hat. Es ist unfassbar real, wenn ich mir das heute anhöre.

Frustrierend, oder?

Regenauer: Auf der einen Seite schon, aber ich bin absolut kein frustrierter Mensch, der verzweifelt. Ich schaue meist sehr optimistisch nach vorne. Mit Humor geht das ganz gut. Und unser Planet kommt ohne uns Menschen wunderbar zurecht. Ich ärgere mich eher über die Verlogenheit. Stets wird beteuert, wir müssen für unsere Kinder und Enkel etwas tun. Aber stets wird zu kurz gesprungen.

Vielleicht, weil Politiker Wahlen gewinnen wollen und in Vier-Jahres-Zyklen denken?

Regenauer: Der Mensch kann nicht perspektivisch denken. Und der Begriff Vereinte Nationen ist eine Irreführung, weil zu viele ihre eigenen nationalen Interessen verfolgen. Da geht es einzig um Geld, Macht und Gier. Und der Bürger würde nötige kompromisslose Vorgaben reflexhaft als Bevormundung wahrnehmen. Insofern wird es vermutlich beim Flickwerk bleiben. Es sei denn, die nachwachsenden Rohstoffe, die es ja letztlich betreffen wird, nähmen das Heft radikal in die Hand.

Da könnte man als Kabarettist doch über den Ruhestand nachdenken. Verändern lässt sich ja offenbar eh nix...

Regenauer: Wenn sich mit Kabarett tatsächlich die Welt retten ließe, würde, was die Bezahlung von Kabarett-Autoren angeht, was ganz grundsätzlich falsch laufen. Ich schreibe an einem Buch mit stark biografischen Zügen. Dann hält mich die Bieroper 2022 auf Trab. Gerne mache ich weiter, schalte jedoch einen Gang runter und habe dafür mehr Zeit für Freunde und Partnerschaft. Es gibt ein Leben nach dem Kabarett...


Zur Person: Als Sänger entdeckte Bernd Regenauer vor vier Jahrzehnten beim Bardentreffen sein Talent. Den Beruf eines Offsetdruckers konnte er bald aufgeben, der Schritt vom Liedermacher zum Kabarettisten brachte ihm viel Ruhm ein. Die Kultfigur Nützel und sein Ausflug ins Comedygeschäft (Metzgerei Boggnsagg) führten ihn in die erste Liga der Spaßmacher. Auch politisch meldete sich Regenauer, der in Traumlage in der Nürnberger Altstadt lebt, immer wieder zu Wort. Am 30. Juli wird er 65 Jahre alt.

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