Theater Rote Bühne

Burlesque in Nürnberg: Die hohe Kunst des Ausziehens

18.10.2021, 09:46 Uhr
Bei der Roten Bühne steht Theaterchefin Julia Kempken (Mitte) selbst regelmäßig auf den Brettern – wie hier in "Die große Kempinsky Abschiedsrevue".

© James Lyall Bei der Roten Bühne steht Theaterchefin Julia Kempken (Mitte) selbst regelmäßig auf den Brettern – wie hier in "Die große Kempinsky Abschiedsrevue".

"Wenn ich noch einmal anfangen würde, ich würde einen anderen Namen wählen", sagt Gründerin Julia Kempken lachend bei der Begrüßung im "Theater Rote Bühne". "Entweder fragen mich die Leute, ob wir zur SPD gehören, zu den Kommunisten oder zum Rotlicht-Viertel – vor allem seit wir diese Burlesque-Programme haben."
Die Burlesque-Shows sind der Publikumsrenner der Kleinkunstbühne in dem ehemaligen Fabrikkeller in der Vorderen Cramergasse 11. Nach Vorbildern der 20er und 30er Jahre ziehen sich hier die Darstellerinnen – und in der 'Boy-Lesque' auch die Herren – auf kreative und humorvolle Weise aus.

"Als wir das 2008 angefangen haben war es mehr so ein Spaß-Projekt", erinnert sich Kempken. "Wir dachten: Wir probieren das jetzt mal aus mit der Frauenpower und der Lust am eigenen Körper. Damals flog auch nur ein einziger BH, bei den anderen dauerte es etwas. Aber inzwischen ist es ein riesiger Spaß."

Dramatische Eigenproduktionen

Julia Kempkens Rote Bühne in der Vorderen Cramergasse feiert Geburtstag.

Julia Kempkens Rote Bühne in der Vorderen Cramergasse feiert Geburtstag. © Peter Romir

Und einer, der auf Recherchen beruht: "In den 20ern gab es unheimlich viele Nackttänze unterschiedlichster Qualität", erzählt Julia Kempken. "Irgendwann wurden sie dann verboten – aber die Clubs fanden Möglichkeiten, das zu unterlaufen. So war es zum Beispiel erlaubt berühmte Gemälde als 'Lebende Bilder' mit echten Menschen nachzustellen. Statt zu tanzen stellten sich die Performerinnen deshalb wie Akte aus der Kunstgeschichte auf der Bühne auf."

Das Interesse an historischen Details kommt auch bei den dramatischen Eigenproduktionen des Theaters zur Geltung: Im Stück "Die Blechtänzerin" wird auf komisch-dramatische Weise die Machtübernahme der Nazis in Nürnberg thematisiert und "Verboten gut" simuliert einen Underground-Theater-Abend der 30er Jahre, als die Cabaret-Bühnen im Verborgenen gegen die Braunen Herren stichelten.

Diese selbst geschriebenen Stücke wurden immer Laufe der 15 Jahre immer wichtiger und zahlreicher: "Als ich das Theater eröffnet habe, hatte ich eigentlich die Vision, dass ich hier supergute Künstler aus ganz Deutschland her hole", erinnert sich Kempken. "Aber bald zeigte sich, dass der Wettbewerb zu den anderen Häusern in der Region sehr groß ist und wir als kleine Bühne es kaum schaffen, große Namen zu uns zu bringen."

Aber es gibt auch Ausnahmen: Das Duo Ulan & Bator stand hier ein Jahr, bevor es deutschlandweit bekannt wurde, auf der Bühne und auch Bodo Wartke war schon mehrfach zu Gast: "Ich habe ihn mal in einer winzigkleinen Klitsche in Berlin getroffen und herausgefunden, dass er mit einer meiner Töchter zusammen studiert hat", lacht Kempken. "Er versprach dann bei uns zu spielen – aber nur wenn wir ein Klavier haben. Zu der Zeit hatten wir aber nur ein E-Piano. Nächstes Jahr habe ich dann extra ein Klavier besorgt und er machte sein Versprechen wahr!"

Unterstützender Verein

Auch zum Jubiläum der Roten Bühne ist einiges geplant: Am 6. und 7. November ist die gefeierte Burlesque-Künstlerin Lilou Frou Frou zu Gast, bei der die Grenzen zwischen Mann und Frau verschwimmen, am 13. November wird auf der Mississippi-Queen am Nürnberger Hafen ein Theaterball im Stil der 30er-Jahre gefeiert.

Einen Wunsch hat Julia Kempken übrigens auch: Weitere Mitglieder für den unterstützenden Verein. "Da wir nur zwei Tage in der Woche aufhaben, können wir nämlich die Vorgaben des bayerischen Staates für Theaterförderung – wie 120 Vorstellungen im Jahr – nicht erfüllen. Um das Projekt am Leben zu halten, sind wir auf Eintrittsgelder, Spenden und Mitgliedschaften angewiesen." Damit werden nicht nur neue Shows finanziert, sondern auch die vier festen Stellen im Büro sowie über 20 Honorarkräfte, welche das Theater am Leben erhalten.

Mehr Informationen unter: www.rote-buehne.de.

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